Ein Schnitt, der ganz individuell zu deinem Typ passt – das ist der Haar-Trend "Instinctive Cutting". Ein Profi erklärt, wie's funktioniert und wie er seiner Intuition folgt, um aus seinen Kundinnen das Beste rauszuholen.
Ich habe nie große Experimente mit meinen Haaren gewagt. Seitdem ich mir mit vier Jahren von meiner Mama einen Bob einreden ließ, sind meine Haare lang, weil mir das einfach am besten steht. Klar, mit 15 habe ich mich von meinem Aschblond verabschiedet, weil ich mich als Rothaarige fühle und bin dabei geblieben, aber das war's dann schon. Das liegt aber auch daran, dass ich immer Friseur:innen hatte, die genau wussten, was zu mir passt. Und sich nicht mal von meinem sturköpfigen Teenager-Selbst überreden ließen. Wie oft habe ich versucht, auf meine damalige Friseurin einzureden, dass sie mir doch einen Pony schneiden und am liebsten alle Haare durchstufen soll. Ihr Gegenargument: Meine Haarstruktur macht das nicht mit und ich müsste diesen Schnitt immer stylen – ich, die ihre Haare gern an der Luft trocknen lässt und zu allen heiligen Zeiten mal ein Glätteisen in die Hand nimmt. Recht hatte sie.
"Instinctive Cutting" ist der Haar-Trend 2022
Irgendwie finde ich immer den Weg zu sehr (im positiven Sinne!) eigensinnigen Friseur:innen, mein jetziger – Goldwell-Hairstylist Dimitris Dimitrakoudis – ist keine Ausnahme. Als ich vor kurzem mit der Idee zu ihm kam, mir Curtain Bangs zu scheiden, nahm er mir auch schnell diese Illusion. Wir hatten das Thema ja schon, die Struktur – meine frizzy Naturlocken – sind dafür einfach keine gute Basis. Als ich meinte: "Ich habe aber einen guten Föhn, ich style sie auch!", entgegnete Dimi nur: "Und den hast du beim Hamburger Schietwetter auch immer dabei?" Denn was jetzt Trend ist, praktiziert Dimi schon seit vielen Jahren und weiß deshalb ganz genau, wovon er spricht. Das Wort Trend ist an dieser Stelle fast fehl am Platz, denn es geht bei "Instinctive Cutting" eben nicht darum, blind Trends hinterherzulaufen, sondern den Schnitt zu finden, der ganz individuell zu dir passt.
Woher kommt "Instinctive Cutting"?
Wie so oft ist "Instinctive Cutting" nichts komplett Neues. Natürlich gab es schon immer Friseur:innen, die stärker ihrer Intuition folgen, als eine Frisur ganz nach dem Wunsch der Kundin zu schneiden, die vielleicht gar nicht zu ihr passt. Es gibt aber eine Theorie, warum der Trend gerade jetzt den Weg in viele Salons findet. Durch die Pandemie waren wir gezwungen, uns viel mehr mit uns selbst zu beschäftigen. Viele wollen sich nicht mehr in unbequeme High Heels quetschen oder einen Haarschnitt tragen, der viel Styling-Aufwand benötigt. Stattdessen steht die eigene Individualität im Vordergrund und dass jede von uns sich in ihrer Haut – und ihren Haaren – wohlfühlt.
Wenn die Schere der Intuition folgt
Das letzte Mal, als Dimi dem Wunsch einer Kundin folgte und nicht seiner Intuition, ist schon über 15 Jahre her: "Sie war mit ihrem Style gar nicht happy und meinte, ich hätte ihr davon abraten müssen – ich habe mir seitdem geschworen, dass ich das nie wieder mache". Viele kommen nach wie vor mit einem Bild in den Salon, vergessen dabei aber, dass das "nicht nur ein Haarschnitt ist, sondern eine Momentaufnahme, hinter der eine Emotion steckt". Und genau diese hinterfragt der Goldwell Color Ambassador: "Wenn du einen Pony willst, stelle ich dir die Frage: Was soll er bewirken? Willst du dich dahinter verstecken?" Bevor er entscheidet, welcher Style es wird, bezieht er verschiedene Faktoren ein: zuerst die Haarbeschaffenheit, dann den Job, hat die Kundin Familie, Kinder – die Frisur muss immer zum Alltag passen. Er beobachtet seine Kundinnen auch, sodass er ein Profil von jeder hat – "was ist deine Ästhetik, welche Farben trägst du, wie sieht deine Wohnung aus, all das sagt mir viel über dich – diese Punkte verbinde ich dann mit deinen Haaren".
Von der Frisur zur Typberatung
Wer zu Dimi in den Salon kommt, verlässt ihn nicht nur mit einem neuen Schnitt, sondern bekommt gleich eine ganze Typberatung. Das Styling direkt nach dem Friseurbesuch sei das eine, die Haare müssen aber genauso toll in Eigenregie aussehen. "Ich muss die Kundin auffangen. Gerade nach einer Veränderung gebe ich ihr deshalb Mode- und Make-up-Tipps". Dimi bietet ihr an, dass sie die Frisur auf sich wirken lassen und sich melden soll, wenn sie zum Beispiel Hilfe beim Styling braucht. Für ihn gehört zu "Instinctive Cutting" auch, zu wissen, wann der Zeitpunkt für einen Tapetenwechsel ist: "Wenn du zehn Jahre den gleichen Look trägst und dieser irgendwann langweilig wird, kitzle ich dich aus deiner Komfortzone raus. Das ist reine Intuition und lässt sich nicht planen – ich fühle den richtigen Moment für die Veränderung".
So findest du einen Salon, der intuitiv schneidet
Vielleicht denkst du dir jetzt: Alles schön und gut, aber wie erkenne ich, ob mein Friseur oder meine Friseurin "Instinctive Cutting" draufhat? Dimi rät dazu, einfach mal die Social-Media-Accounts zu checken, ob der Stil in die richtige Richtung geht. Für ihn muss auch die Chemie zwischen Kundinnen und Friseur:innen stimmen, Geschmack ist schließlich subjektiv. Und auch deine Intuition als Kundin spielt eine Rolle – wenn du ein Gefühl dafür entwickelst, was zu dir passt, stehen die Chancen gut, dass du mit deinem neuen ganz persönlichen Style happy bist. Bei mir funktioniert das super mit der Intuition, gerade in Kombination mit der meines Friseurs. Das Rot ist mittlerweile einige Nuancen heller geworden und ein paar Stufen vorne machen meine Längen ein bisschen aufregender. Wenn ich aus dem Salon komme, fühle ich mich immer gut und – das Allerwichtigste – bin ganz ich selbst und nicht die schlechte Kopie eines Trends.
Mehr lesen: