Vom Hollywood-Star bis zu ihrer Großmutter – im Podcast "1,5 Grad" beleuchtet Luisa Neubauer mit ihren Gästen neue Perspektiven auf die Klimakrise und bespricht Lösungsansätze. Wir haben die Klimaaktivistin zum (virtuellen) Interview getroffen.
Luisa Neubauer ist Klimagerechtigkeitsaktivistin und Mitorganisatorin der Fridays-for-Future-Bewegung. Warum wir unbedingt ihren neuen Podcast "1,5 Grad" anhören sollten und auf welche Podcast-Gästin sich Luisa besonders freut, verrät sie uns im Interview.
EMOTION: Du startest einen neuen Podcast, gefühlt DAS Medium unserer Zeit. Und in dem beschäftigst du dich, natürlich, mit der Klimakrise. Nun gibt es bereits über eine Millionen Podcasts allein in Deutschland. Was bietet dein neuer Podcast "1,5 Grad", was es bisher noch nicht gibt? Warum sollten wir ihn hören?
Luisa Neubauer: Ich mache diesen Podcast nicht, aus einem "lifelong dream to be podcaster" heraus, sondern weil ich das Gefühl habe, es gibt noch nicht DEN einen Klima-Podcast, auf den man verweisen kann. Wenn jemand sagt "ich möchte etwas über die Klimakrise lernen" und vor allem verstehen möchte, warum diese sie oder ihn etwas angeht, dann möchte ich sagen können "okay, hör dir diesen Podcast an". Und da sollte es nicht nur einen, sondern viele geben. Ich habe bisher ehrlicherweise keinen gefunden bei dem ich das Gefühl hatte, die vermitteln nicht nur Wissen, die vermitteln auch Gefühle, Haltung, Sorgen, Ängste und auch Hoffnung. Aus dieser Motivation heraus ist "1,5 Grad" entstanden und jetzt freue ich mich total, dass es losgeht.
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Wir bewegen uns ja immer in unseren Bubbles. In Informationsbubbles oder Fridays for Future zum Beispiel auch in einer Generationsbubble. Denkst du, dass du mit einem Podcast auch noch einmal ein breiteres Publikum ansprichst als bisher?
Im Idealfall ja. Ich spreche im Podcast mit Leuten, die nicht ausschließlich für Klimafragen zuständig sind. Sicher, in der ersten Folge ist der Klimaforscher Stefan Rahmstorf zu Gast, weil er die Dinge sehr gut zusammenfassen kann, und wir ja nach wie vor auch über wissenschaftliche Herausforderungen sprechen. Aber heute Abend nehme ich zum Beispiel eine Folge mit Jane Fonda auf. Sie ist als Schauspielerin bekannt geworden und hat jetzt angefangen, sich in der Klimakrise zu engagieren. Ich möchte mit "1,5 Grad" auch die Geschichte von Menschen erzählen, die eben nicht Aktivist*innen oder Klimawissenschaftler*innen sind, sondern ganz woanders wirken und trotzdem angefangen haben, die Klimakrise ernst zu nehmen und sich für das Thema einzusetzen. Und durch diese Menschen werden idealerweise natürlich auch noch einmal andere Menschen angesprochen. Dazu kommt, dass Spotify eine Mainstream-Plattform ist. Ich veröffentliche das nicht in einer Indie-Ecke – was auch schön wäre, aber für mich die Wirkung verfehlen würde.
Ich möchte mit "1,5 Grad" auch Geschichten von Menschen erzählen, die eben nicht Aktivist*innen oder Klimawissenschaftler*innen sind.
Luisa NeubauerTweet
Ohne zu viel vorweg nehmen zu wollen – gibt es eine Gästin oder einen Gast, auf die oder den du dich in deinem Podcast besonders freust? Oder bei der/dem du das Gefühl hast "Damit können wir nochmal richtig viele Leute abholen"?
Da gibt es ganz, ganz viele! Aber eine Person, die sonst noch nie in irgendeinem Podcast gesprochen hat, ist meine Großmutter. Auf die freue ich mich wahnsinnig. Die Folge ist noch in Planung und wir haben noch nichts aufgenommen, darauf habe ich richtig Lust.
Es gibt ja eigentlich niemanden mehr, die oder der noch nie von der Klimakrise und ihren Folgen gehört hat. Diejenigen, die nicht handeln, tun es nicht, weil sie es nicht wissen. Wie glaubst du, kann man das endlich ändern und wie kann ein weiteres Informationsmedium, wie ein Podcast, dazu beitragen?
Da gibt es drei entscheidende Dimensionen: Viele Menschen wissen vielleicht, dass es einen Klimawandel gibt. Aber in meinen Augen wussten die allermeisten Menschen – wie auch ich – lange Zeit, nicht, wie gefährlich und akut diese Krise ist – und wie nah sie an uns dran ist. Es geht auch darum, das zu benennen und eine Sprache dafür zu finden. Für eine Katastrophe, für die es eigentlich keine Sprache gibt, weil wir sie noch nie erlebt haben. Dann gibt es auch viele Menschen die wissen "ja, es müsste was gemacht werden", aber denen nicht klar ist, an welchen Punkten sie ansetzen können. Und dass die Klimakrise auch Chancen und Räume eröffnet, die Dinge anders zu machen und eine gerechtere Zukunft zu gestalten. Es geht auch darum, sich als gesellschaftliche Innovationskraft zu verstehen: Wie leben wir zusammen, wie bewegen wir uns fort, was macht eigentlich glücklich, was brauchen wir und was brauchen wir überhaupt nicht? Was ist uns wirklich wichtig? Und das Dritte ist die Frage, wie wichtig und ernst wir uns in der Krise nehmen. Dazu gehört es, uns selbst als Teil der Lösung, oder der Lösungen, zu begreifen. Wir müssen uns fragen, welche Rolle wir einnehmen können und welche Möglichkeiten wir haben.
Wir müssen eine Sprache für eine Katastrophe finden, für die es eigentlich keine Sprache gibt, weil wir sie nicht kennen und noch nie erlebt haben als Menschen.
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Mich fragen häufig Leute nach "fünf Dingen, die jede*r tun kann". Was wir eher brauchen, sind gewisse Gedankenmuster oder Frames, durch die wir lernen können, unsere eigene Rolle zu finden. Ich kann Menschen nicht vorschreiben, was sie zu tun haben, aber ich kann sie vielleicht mit dem Podcast ein bisschen inspirieren, darüber nachzudenken, was ihr Beitrag sein könnte. Das ist glaube ich das Entscheidende.
Im Podcast sollen auch Lösungsansätze besprochen werden. Nun ist die Klimakrise weit zu komplex, um sie mit diesen häufig bei dir nachgefragten "fünf Tipps" zu bewältigen und wir sprechen immer wieder von einem "systemischen Wandel". An welchem Punkt im System siehst du das größte Potenzial, die Krise aufzuhalten und wie kommen wir dahin?
Viel steht und fällt damit, ob wir das Energiesystem rechtzeitig transformieren können. Das geht, wenn wir effizienter werden und weniger verbrauchen. Und das geht wiederum nur, wenn man die ganz großen Finanzflüsse hinterfragt. Denn wer finanziert die Klimakrise und wer finanziert zum Beispiel die Kohleverbrennung? Energie- und Finanzfragen sind die beiden Hebel, an denen wir viel gegensteuern können.
Nun neigt sich das Jahr schon langsam wieder dem Ende und die Zeit der guten Vorsätze beginnt. Was würdest du sagen ist unsere Aufgabe als Gesellschaft für 2021?
Also darüber, wo Gefahren für die Zukunft liegen und wie die Klimakrise weiter befeuert wird, könnten wir Essays schreiben. Aber wir sprechen uns ein Jahr vor der Bundestagswahl. Und wir wissen, dass dort ein Parlament gewählt werden muss, was zum einen bereit ist, sehr schnell und sehr konsequent Klimagerechtigkeit und Emissionsreduktion umzusetzen oder zu implementieren, und zum anderen auch ein Selbstverständnis darüber entwickelt, dass sie die Klimakrise angehen wollen. Also eine Art "1,5 Grad-Konsens", den es in diesem Parlament braucht. Und zwar mehrheitlich über die Parteien hinweg, damit es angesichts der Klimakrise arbeitsfähig wird.
Darüber, wo noch Zukünfte gefährdet sind und die Klimakrise weiter befeuert wird, könnten wir Essays schreiben.
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Eine etwas persönlichere Frage zum Abschluss: Woher nimmst du die Kraft, erwachsene Menschen in, zum Teil sehr hohen, politischen und wirtschaftlichen Positionen immer wieder auf die Dringlichkeit der Thematik hinzuweisen? Wie gehst du mit der Ignoranz um, die dem Thema entgegengebracht wird – ist das nicht wahnsinnig ermüdend?
Ja, total. Aber es muss ja gemacht werden und ich bin nicht die Einzige, die das macht. Und wenn man genau hinguckt, kann man was verändern.
"1,5 Grad" ist ein Spotify Original Podcast von und mit der Klimagerechtigkeitsaktivistin und Mitorganisatorin der Fridays-for-Future-Bewegung Luisa Neubauer. Es geht um die Klimakrise, Ansätze zu deren Lösung, Nachhaltigkeit und Klima-Aktivismus. Mit ihren Gäst*innen besucht Luisa Orte, an denen die Auswirkungen der Krise bereits zu sehen sind und diskutiert aktuelle wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Fragen. Im Interview betonte Luisa, sie freue sich auch auf den Austausch mit den Hörer*innen.
Ich freue mich sehr von den Leuten zu hören, was sie sich wünschen und was sie gerne hören wollen. So ein Austausch ist mir sehr wichtig.
Luisa NeubauerTweet
Erscheinungsweise: ab dem 10.11.2020, zweiwöchentlich auf Spotify. Länge je Episode: ca. 45-60 Minuten.
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