Viele kennen das: Man wacht nachts im Bett auf, liegt da und kann nicht schlafen. Psychiater und Therapeut Josef Aldenhoff klärt über Ursachen auf und gibt Tipps gegen Schlafstörungen.
Ich kann nicht schlafen: Wenn uns Schlafstörungen ewig wach halten
Nachts wach liegen und nicht zurück in den Schlaf finden, obwohl man müde ist – schlimmer als jeder Albtraum. Das Problem "Ich kann nicht schlafen" treibt immer mehr Menschen um: Nach Studien der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin DGSM leiden in Deutschland sechs Prozent der Bevölkerung an chronischer Schlaflosigkeit – das sind rund 4,8 Millionen Menschen. Es gibt rund 80 verschiedene Formen von Schlafstörungen. Aber was bitte können wir konkret tun, wenn wir nachts wachliegen?
EMOTION: Herr Aldenhoff, ich wache nachts auf und kann nicht mehr schlafen. Was kann ich bei Einschlafproblemen tun?
Josef Aldenhoff: Putzen Sie das Haus!
Mitten in der Nacht?
Ja! Schauen Sie auf keinen Fall fern und lesen Sie nicht. Tun Sie etwas Aktives. Und wenn Sie wieder müde werden, gehen Sie zurück ins Bett. Der Schlaf kommt dann von ganz allein.
Schlafstörungen und Ursachen: Wir haben mit Wissenschaftlern gesprochen, was hilft
Das Schlimmste ist ja dieses nächtliche Gedankenkarussell: "Warum bin ich jetzt wach, ich muss doch morgen fit sein!"
Wenn Sie anfangen, so zu denken, haben Sie schon verloren. Geraten Sie in diese Schleife, empfehle ich, aufzustehen, sich ein Blatt Papier zu nehmen und alles, was Sie fühlen, aufzuschreiben. Danach sollten Sie weiterschlafen können.
Und wenn das nicht klappt?
Wenn Sie die Grübelei dauerhaft in den Griff kriegen wollen, lernen Sie zu meditieren. Natürlich nicht nachts, wenn Sie wach liegen, sondern in einer ruhigen Phase Ihres Lebens.
Und bis dahin?
Über Wochen und Monate nachts aufzuwachen und nicht wieder einschlafen zu können deutet auf ein fortgeschrittenes Problem hin. Dann haben Sie wahrscheinlich eine Depression und sollten zum Psychiater gehen.
Viele scheuen sich davor, bei Schlaflosigkeit professionelle Hilfe zu suchen.
Genauso wie Sie zum Gynäkologen oder zu Ihrem Hautarzt gehen, sollten Sie auch zum Psychiater gehen. Eine Depression ist schon nach vier Wochen Behandlung deutlich besser. Fast jeder zweite Deutsche ist mindestens einmal in seinem Leben davon betroffen und die meisten schleppen sie Jahre mit sich herum. Das verstehe ich nicht.
Was ist denn mit Schlafmitteln – können die bei Schlafstörungen helfen?
So etwas wie Baldrian können Sie nehmen, aber bei massiven Schlafstörungen hilft das nicht. Vor sogenannten Benzodiazepin-Schlafmitteln warne ich. Sie wirken zwar wunderbar, aber machen sehr schnell abhängig.
Was ist mit Alkohol – ein gutes Einschlafmittel?
Ich bin Psychiater. Zum Alkohol raten kann ich nicht. Wenn Sie ein Glas Rotwein trinken, können Sie wahrscheinlich gut einschlafen, aber dafür müssen Sie nachts auf die Toilette und sind wieder wach. Alkohol ist also kein gutes Schlafmittel. Trinken Sie besser eine heiße Milch mit Honig.
Was hilft uns noch, um gut in den Schlaf zu finden?
Schlafen Sie kühl, bei etwa 18 Grad, mit einer dicken Decke und in einem dunklen Raum. Wälzen Sie vor dem Zubettgehen keine Probleme, vermeiden Sie schweres Essen und absolvieren Sie Ihr Ausdauerjogging-Programm am besten nicht erst kurz vor dem Schlafen.
Aber Bewegung ist doch gut?
Ja, aber nicht direkt vor dem Zubettgehen. Ideal ist es, dreimal die Woche zu joggen, etwa von 18 bis 19 Uhr und dann ein paar Stunden später, zum Beispiel um 22 Uhr, schlafen zu gehen.
Wer geht denn um 22 Uhr schlafen?
Jeder hat ein anderes Schlafbedürfnis. Einige brauchen sieben Stunden pro Nacht, andere zehn. Da können Sie nicht dran rütteln. Allgemein gesprochen: Gewöhnen Sie sich einen festen Lebensrhythmus an. Gehen Sie immer zur selben Zeit schlafen und stehen Sie zur gleichen Zeit auf. Das ist zwar langweilig, aber es wirkt.
Und wenn ich stressbedingt ein oder zwei Wochen mal schlecht schlafe?
Das ist ganz normal. Ich rate in diesen Fällen, eine Nacht durchzumachen. Der Körper ist danach wie auf null gestellt. Und Sie schlafen die nächste Nacht wieder gut.
Warum scheint nachts eigentlich alles viel schlimmer zu sein als tagsüber?
Das kann daran liegen, dass man aus dem Tiefschlaf erwacht, sich neu orientieren muss. Oder daran, dass alles still ist, man mit niemandem reden kann. Die frühen Morgenstunden sind für viele die schwierigste Zeit.
Sprechen Sie aus eigener Erfahrung?
Ja, ich weiß, wie es ist, nachts um drei aufzuwachen. Aber meine gute Nachricht für alle ist: Man kann das gut behandeln. Niemand muss schlecht schlafen.