Wer sich in einer Beziehung mit einem Mann unermüdlich um diesen kümmert und sich regelrecht für ihn aufopfert, könnte am "Wendy-Syndrom" leiden. Anzeichen für das Phänomen und Wege aus der Hilfefalle.
Wendy-Syndrom: Besonders Frauen sind betroffen
Kommt dir die folgende Situation bekannt vor? Du und dein Partner hattet beide einen stressigen Tag, wollt am liebsten einfach nur abschalten – und trotzdem bist du es, die das Abendessen kocht und schließlich auch noch aufräumt. Weil er doch so einen schweren Tag hatte. Sich um seine Liebsten zu sorgen und zu kümmern ist natürlich etwas Schönes – wenn die Unterstützung auf Dauer aber einseitig bleibt, wird es problematisch. Denn besonders Frauen tendieren dazu, sich für andere aufzuopfern und dabei selbst auf der Strecke zu bleiben. Ist das in einer Beziehung der Fall, spricht man vom "Wendy-Syndrom". Betroffene, meist Frauen, kümmern sich fast um den gesamten Mental Load, haben immer alles im Griff, können jede Katastrophe abwenden, übernehmen die gesamte Verantwortung für ihren Partner – und gehen selbst dabei kaputt.
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Peter braucht Wendy
Benannt ist das Wendy-Syndrom nach der gleichnamigen Figur in den Peter-Pan-Erzählungen, einer Freundin des Protagonisten. Na klar. Der Junge, der nicht erwachsen werden möchte, braucht schließlich eine Frau an seiner Seite, die ihn vor Verantwortungen und Pflichten, die das Leben nun mal so mit sich bringt, abschirmt. Männern, die sich auch im realen Leben so gegen das Erwachsenwerden sträuben wie der fiktive Junge im Nimmerland, wird deshalb das Peter-Pan-Syndrom nachgesagt. Eine Beziehung, in der das Verantwortungsgefühl für die gemeinsamen Aufgaben nur bei einem Part liegt, kann schnell toxisch werden. Denn je intensiver sich Betroffene um die Sorgen und Probleme ihres Partners kümmern, desto weniger Zeit und psychische Kraft haben sie für sich selbst übrig. Das kann mit der Zeit zu Isolation, extremen Stress bis hin zu Burn-out und zur vollkommenen Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse führen.
Warum spielen Frauen freiwillig Ersatzmutter für einen Erwachsenen?
Dass betroffene Frauen sich so für ihren Partner aufopfern, hat neben persönlichen Faktoren auch einen patriarchalen Hintergrund. Denn bis heute wird Frauen im Vergleich zu Männern eine viel höhere Kompetenz in Sachen Care-Arbeit und Organisation zugeschrieben. Frauen können das eben besser, deshalb sollen sie das auch übernehmen, so der Grundtenor. Auf den ersten Blick vielleicht schmeichelhaft, aber eigentlich verbirgt sich dahinter nur ein halbherziger Versuch, bloß keine Verantwortung zu übernehmen. Und während manche Frauen tatsächlich darin aufgehen, sich um ihre Familie zu kümmern, möchte niemand an seiner Hilfsbereitschaft kaputt gehen. Neben strukturellen Ursachen gibt es auch persönliche Faktoren, die Frauen dazu bringen, sich in einem derartigen Ausmaß um andere zu kümmern.
- Geringes Selbstwertgefühl: Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl haben große Angst vor Ablehnung und geben deshalb alles, um von anderen gemocht und akzeptiert zu werden.
- Extremes Harmoniebedürfnis: Wer ein geringes Selbstwertgefühl hat, ist oftmals auch sehr konfliktscheu. Anstatt Probleme offen anzusprechen und so zu versuchen, Konflikte konstruktiv zu lösen, schlucken Menschen mit einem sehr starken Harmoniebedürfnis alles runter, was sie unzufrieden macht.
Tipps gegen das Wendy-Syndrom: Raus aus der Hilfefalle!
Notbremse ziehen
Hast du erst mal erkannt, dass du Gefahr läufst, psychische Konsequenzen wie extreme Erschöpfung oder Depression von deiner enormen Hilfsbereitschaft davonzutragen, solltest du dringend die Notbremse ziehen. Heißt: Du brauchst eine Auszeit davon, dass andere sich ständig auf dich statt auf sich selbst verlassen. Sprich mit deinem Partner darüber, wie es dir geht und mache ihm klar, dass du auf keinen Fall weiter die alleinige Verantwortung für euer beider Leben übernehmen kannst.
Beziehung hinterfragen
Wenn du in einer Beziehung mit jemandem bist, der dich nur allzu gern den gesamten Mental Load übernehmen lässt, könnte es schwierig werden, deine übermäßige Hilfsbereitschaft in den Griff zu bekommen – denn er ist Teil des Problems. Rufe dir in Erinnerung, dass sich in einer gleichberechtigten Beziehung beide umeinander kümmern und trotzdem jede:r selbst für das eigene Leben verantwortlich ist.
Auswege mit einem Therapeuten/einer Therapeutin erarbeiten
Besonders, wenn du unter einem geringen Selbstwertgefühl leidest, viel an dir zweifelst und mit Abweisung nur sehr schlecht zurecht kommst, kann dir ein Therapeut oder eine Therapeutin dabei helfen, Exit-Strategien zu entwickeln, um der Hilfefalle zu entkommen. So kannst du deinem Zwang, Verantwortung zu übernehmen, tatsächlich auf den Grund gehen und ihm nachhaltig einen Riegel vorschieben.
Ausgleich suchen
Wir alle brauchen ein gewisses Maß an Selbstverwirklichung, um langfristig glücklich zu sein. Finde heraus, was dir Spaß macht und kümmere dich endlich wieder um dich und deine Bedürfnisse. Das kann ein aufregendes neues Hobby, Erfüllung im Job oder ganz viel Selfcare sein. Wenn es dir anfangs noch schwer fällt, dich wieder um dich selbst zu kümmern, erinnere dich daran, wie bereitwillig du alles für andere gegeben hast – diese liebevolle Energie hast du doch auch selbst verdient, oder?
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