Nicht alle Freundschaften halten für immer. Das ist ganz normal, aber das kann richtig weh tun! Über Trennungen von guten Freund:innen und den Herzschmerz, den sie auslösen können, reden wir viel zu wenig, findet unsere Kollegin – und hat das einfach mal getan.
"We'll always be friends"
Vor kurzem habe ich mir mal wieder eine Teenieserie angeschaut. Einer der Charaktere hatte gerade seinen High-School-Abschluss gemacht und war nun kurz davor, aus seiner Heimatstadt wegzuziehen. Als sein bester Freund deshalb sehr traurig war, beruhigte er ihn mit den Worten: "Don't worry. We'll always be friends!"
Na, da bin ich ja mal gespannt! – dachte ich sofort. Denn das war ja nun wirklich nicht selbstverständlich. Wusste ich doch aus Erfahrung, wie sicher man sich seiner Freundschaften mit 18 war ... bis das Leben dazwischenkam.
Nicht alle Freundschaften halten ewig
Auch ich hatte in der Schulzeit Freundschaften, von denen mein blauäugiges, gutgläubiges Teenager-Ich dachte, sie würden für immer halten. Der Freundeskreis, den ich damals hatte, ergab sich ganz selbstverständlich daraus, dass wir alle in dieselbe Klasse gingen. Heute besteht dieser Kreis immerhin noch in Form einer Whatsapp-Gruppe, mit deren Mitgliedern ich teils mehr, teils weniger eng bin und die heute überwiegend dafür genutzt wird, alle paar Monate einschneidende Lebensereignisse zu teilen, wahlweise Schwangerschaften, Hochzeiten, Geburten, Studienabschlüsse oder Todesfälle der Großeltern. Aus "friends forever" wurde bei einem Teil dieser Menschen "alte Bekannte forever".
Mein Freundeskreis sieht heute allgemein natürlich ganz anders aus als noch vor ein paar Jahren. Schulfreundschaften verpuffen, Unifreundschaften werden aus den Augen verloren und ploppen womöglich irgendwann unverhofft wieder auf, wenn man sich in einer anderen Lebensphase wieder begegnet. Durch Umzüge oder Jobwechsel finden wir neue Menschen und diese einen wichtigen Platz in unseren Leben, während alte ihren teilweise aufgeben. In bestimmten Lebensphasen, in denen wir eine starke Entwicklung durchlaufen, wie etwa im frühen Erwachsenenalter, verändern sich nicht nur unsere Tätigkeiten und Wohnorte, sondern auch unsere Charakter, unsere Interessen, unsere Werte, unser Selbstbewusstsein und unser Selbstverständnis. Wir stecken neue Ziele ab und schlagen neue Richtungen ein. Da ist es nur logisch, dass sich nicht alle Freund:innen in die gleiche Richtung verändern.
Langsames Auseinanderleben und Ausplätschern
Das, was ich mit meinem alten Schulfreundeskreis erlebt habe, geht bestimmt den meisten von uns so. Manche Freundschaften faden auf ganz natürliche Weise aus. Und nicht selten ist das auch für alle Beteiligten in Ordnung. Besteht auf beiden Seiten kein großes Interesse mehr an der Freundschaft, geschieht es oft auf ganz natürliche Weise, dass sie ausplätschert, sich verliert, sich verwandelt in alte Bekanntschaften, denen man noch wohlgesonnen ist und mit denen man sich durch gemeinsame Erinnerungen verbunden fühlt – aber eben auch nicht mehr. Das passiert meist nicht von heute auf morgen, ist eher ein schleichender Prozess.
Manche Freundschaften sind auch auf ganz natürliche Weise mal mehr, mal weniger eng. Je mehr sich das eigene Leben wandelt und je mehr Verpflichtungen wir haben, desto mehr Aufwand müssen wir betreiben, um Freundschaften zu pflegen. Haben Freundschaften zwangsläufig ein Ablaufdatum? Nein. Doch manche sind diese Pflege irgendwann nicht mehr wert, so hart es auch klingen mag. Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Die Wege trennen sich, man verliert sich aus den Augen und wenn man sich dann doch mal wieder sieht, hat man sich kaum noch etwas zu sagen.
Nur wenn es blöd läuft, empfindet nur ein Teil die Freundschaft als beendet, während der andere noch krampfhaft versucht, sie am Leben zu halten.
Harte Trennungen – Wird hier etwa gerade Schluss gemacht?
Doch manchmal ist es eben auch nicht diese natürliche Entwicklung des Sich-Auseinanderlebens, die zu einer Freundschafts-Trennung führt. Mit einer Freundin zerstritt ich mich einmal über eine absolute Lappalie und nachdem ich dachte, ich sähe sie nie wieder, war die Sache zwei Jahre später vergeben und vergessen und wir haben nach wie vor guten Kontakt. Eine andere ehemalige Freundin tat mir nach langer Zeit nicht mehr gut, die Beziehung entwickelte sich in eine toxische Richtung und ich tat gut daran, Abstand zu nehmen.
Wiederum eine andere Freundin, die immerhin in derselben Stadt wohnt wie ich und die ich noch vor einer Weile jede Woche sah, hat seit mehreren Monaten nicht richtig auf meine Nachrichten geantwortet und Fragen nach einem Treffen abgetan mit: "Ja gern, aber wir sind ja alle so busy." Gesehen haben wir uns seit einem halben Jahr nicht mehr. Einfach so. Und ich verstehe nicht, wie das passieren konnte. Es ist doch nichts vorgefallen?
Diese Art der Trennung, bei der sich eine Freundschaft eben nicht auf für beide Seiten akzeptable Art und Weise verläuft, empfinde ich als deutlich schmerzhafter. Ist erstere oft mit einer gewissen Sehnsucht und Melancholie behaftet, verspüre ich bei dieser einseitigen Art der Trennung einen stechenden Schmerz, der dem romantischen Liebeskummer ähnelt. Und ich ertappe mich im gleichen Fragenkarussell, das mich mürbe macht: Liegt es an mir? Habe ich etwas falsch gemacht? Hätte ich mich mehr melden sollen? Etwas anderes sagen sollen? Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch und das Gefühl, dass jemand, den ich selbst gern hab, mir aus unbekannten Gründen nicht mehr wohlgesonnen ist, ist für mich unerträglich.
Gründe für ein Freundschaftsaus
Woran zerbrechen Freundschaften? Eine Freundschaft ist ein fragiles Konstrukt, das, vernachlässigt man sie, in sich zusammenfallen kann. Sie ist komplex, anstrengend, individuell, bedarf regelmäßiger Pflege. Viel zu oft werden Freundschaften als selbstverständlich hingenommen, romantischen Beziehungen üblicherweise untergeordnet. Im Gegensatz dazu sind sie "halt da". Dabei sind sie doch ebenso wertvoll, wunderschön und erfüllend, flüchtig und harte Arbeit. Wenn nicht sogar – gewagte These – wertvoller. Wie wir Freundschaften führen, lernen wir von klein auf, lange bevor der nervige Rest (romantische Beziehungen, Dating und Sex) überhaupt anfängt. Die platonische Liebe ist eine ebenso valide Form von Liebe wie die romantische Liebe es auch ist.
Und genauso kann sie Herzschmerz hervorrufen. Warum wertet man sie denn auch ab? Glauben wir in Freundschaften wirklich naiver an das "für immer" als in Liebesbeziehungen? Dabei ist eine Freundschaft doch ein ähnliches Commitment. Und Gründe für das Aus einer Freundschaft können genauso vielfältig sein wie Freundschaften selbst. Viele dieser Gründe sind vollkommen legitim und sie können irgendwo liegen zwischen: Wir haben keine gemeinsamen Interessen mehr und uns auseinandergelebt. Wir wohnen so weit auseinenander, dass wir es nicht schaffen, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Wir haben uns zerstritten. Wir tun einander nicht mehr gut. Es ist eine einseitige, toxische Abhängigkeit geworden. Und manchmal versteht man es beim besten Willen auch einfach nicht, wie bei der Freundin, die ich eben erwähnte.
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Verlassen und verlassen werden
Wer einmal zusammenpasste, passt nicht zwangsläufig für immer zusammen. Da sind sich Freundschaften und Liebesbeziehungen nicht unähnlich. Und so weh es tut, von einem/einer Freund:in verlassen zu werden, so schmerzhaft ist es ebenfalls, diejenige zu sein, die entscheidet, den Schlussstrich zu ziehen.
Vielleicht hast du es auch schon einmal erlebt, dass du gemerkt hast, dir tut eine Freundschaft nicht mehr gut. Vielleicht hat sie sich in eine toxische Abhängigkeit entwickelt? Vielleicht ist sie sehr einseitig und fordert mehr als sie gibt? In solchen Fällen stehen wir vor einer schweren Entscheidung: Was tun, wenn ich die Freundschaft beenden möchte? Ein richtiges Trennungsgespräch erfordert wahnsinnig viel Mut. Ähnlich wie bei Liebesbeziehungen werden wohl auch manche Freundschaften nur aufrechterhalten, weil die Alternative einem Angst macht.
Ghosting – Wenn sich die Freundin nicht mehr meldet
Eine andere Option: Sich nicht mehr melden und hoffen, dass die Freundschaft schon irgendwann ganz von allein ausplätschert. Was ich in Dating-Dingen als ein absolutes No-Go empfinde, habe ich – das muss ich gestehen – selbst in Freundschaften schon getan. Ich hatte kein Interesse mehr, meldete mich nicht mehr und hoffte, die andere Person würde das schon ganz von selbst verstehen. Nachrichten ignorieren und hoffen, dass die Person irgendwann versteht, dass man nichts mehr mit ihr am zu tun haben möchte, ist leicht. Aber es ist auch feige. Denn geghostet zu werden, tut verdammt weh.
Und bin ich dann nicht selbst kein Stück besser als meine Freundin, die sich einfach nicht mehr meldet? So möchte doch eigentlich keine von uns behandelt werden.
Sind wir alle zu busy für Freundschaften?
Und da komme ich zurück auf die Nachricht dieser Freundin: "Wir sind ja alle so busy..."
Bis zu einem gewissen Grad sollten wir in solchen Fällen bestimmt Verständnis zeigen. Ich finde es absolut nachvollziehbar, wenn eine Person mal eine Verabredung absagt oder eine Phase hat, in denen sie sich weniger meldet als sonst. Denn genauso geht es mir ja auch.
Wir kennen das: Wir alle haben unsere eigenen Termine und Verpflichtungen, andere Freund:innen und Familie, Jobs und Freizeitsstress. Und wir möchten ja auch nicht, dass die Freundin die eigenen Bedürfnisse ignoriert, um sich mit uns zu treffen, und es dadurch in Stress für sie ausartet. Es ist ja so wichtig, auf sich zu achten und Grenzen zu setzen.
Wenn es aber Überhand nimmt, dass eine Seite ständig absagt, während sie das bei anderen aber allem Anschein nach nicht tut, dann kann das ganz schön weh tun. Wenn dir eine Person wirklich wichtig ist, dann nimmst du dir früher oder später auch Zeit für sie. Hast eine plausible Erklärung, warum du keine Zeit (oder Lust) hattest. Versetzt nicht ohne Grund. Freundschaften basieren doch auf gegenseitiger Wertschätzung, oder etwa nicht?
Deshalb nein, wir sind nicht zu busy für Freundschaften. Freund:innen sollten Menschen sein, die uns akzeptieren und unterstützen, auch wenn wir mal weniger Zeit für sie haben, und die wir umgekehrt ebenso akzeptieren und unterstützen, wenn es ihnen so ergeht. Und ist es wirklich zu viel verlangt, mal eben einen netten Gruß da zu lassen? Ein "Ich denke an dich, auch wenn ich zur Zeit leider wenig Zeit habe"? Ich jedenfalls nehme mir vor, diese kleinen Wege der Wertschätzung nun öfter einzuschlagen.
Keine Therapie gegen Freundschafts-Herzschmerz
Verlieren wir eine/n Freund:in, verlieren wir einen Teil von uns, einen Teil dessen, was uns zu der Person gemacht hat, die wir heute sind. Und eine Therapie dagegen findet sich nicht so leicht. Es gibt keine Paartherapien, die extra für Freund:innen ausgelegt sind. Und die Option, Freund:innen zu bleiben, die gibt es erst recht nicht.
Generell gibt es überhaupt keinen Verhaltenskodex für kaputte Freundschaften. Sei es die Art, Schluss zu machen, oder die, damit umzugehen. So schwer es auch ist, manchmal muss eine Freundschaft wohl zerbrechen oder sich verändern, damit sich beide weiterentwickeln können.
Manchmal ist das einfach nur traurig und nicht nachzuvollziehen. Manchmal ist das aber auch eine gute Sache. Freundschaften sind freiwillig. Niemand zwingt uns, eine Beziehung aufrechtzuerhalten, die uns nicht mehr gut tut. In der wir nicht wir selbst sein können. Die uns zu jeder Zeit mehr Energie raubt, als sie uns schenkt. Wir sind niemanden zu einer Freundschaft verpflichtet, wenn diese für uns selbst nur noch ungesund ist.
Freund:innen gehen, Freund:innen kommen
Ich empfinde den Gedanken, dass ich mit diesen Sorgen nicht allein bin, als ungemein tröstlich. Gerade in den vergangenen Monaten habe ich mich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und gelernt: Auch einige meiner besten Freundinnen beschäftigt das sehr. Sowohl das Verlassen-Werden als auch das Verlassen. Beides ist verdammt schmerzhaft.
Gerade bin ich dabei, zu lernen, diesen Schmerz in Dankbarkeit umzuwandeln – ein wirklich mühsamer Prozess, da bin ich ganz ehrlich. Jede zerbrochene und jede bestehende Freundschaft hat in meinem Leben wichtige Weichen gestellt. Natürlich kann ich dafür dankbar sein.
Und was mir am allermeisten hilft: Die Endlichkeit von Freundschaften bedeutet im Umkehrschluss ja auch, dass tolle neue hinzukommen werden. Die in unserer jeweiligen Lebensphase genau richtig für uns sind. Und das ist doch eine schöne Aussicht.
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