Gerade reden alle über "Spirit Animals", also Tiere, die uns seelisch entsprechen und so mental stärken können. Unsere Autorin hat sich auf die Suche nach ihrem spirituellen Partner in Crime gemacht – und dabei ein fabelhaftes Tier-Mensch-Wesen für sich entdeckt.
Wenn ich träume, begegnet mir regelmäßig ein Eichhörnchen. Und läuft mir im echten Leben eins über den Weg, dann schaue ich ihm ewig lange fasziniert zu. Für Anhänger des Neoschamanismus beides Hinweise dafür, dass es sich um mein persönliches Krafttier handeln könnte. Dann wäre mein spiritueller Wegbegleiter und Seelengefährte also ein emsiger Nager, der sich durch Fleiß und Beharrlichkeit seinen Weg bahnt, sich am liebsten in den Baumkronen versteckt und von dort aus das Geschehen beobachtet.
Das Leben bringt es aber mit sich, dass man da oben nicht immer bleiben kann, sondern dauernd runterklettern muss, raus aus der Komfortzone und mitten rein in alle erdenklichen, haarigen Situationen. Ich weiß nicht, ob mir das Eichhörnchen da so hilft.
Nicht nur Tiere können uns spirituell begleiten
Inspiriert von Olli Schulz, der lustigerweise Musiker Joey Kelly als sein Krafttier auserkoren hat, habe ich deshalb beschlossen, dass ich nicht in der heimischen Tierwelt, sondern in der internationalen Entertainmentbranche nach einem Spirit Animal für mich Ausschau halte. Eins mit ordentlich Schlagkraft, mit dem ich mich seelisch besonders verbunden fühle. Denn so ein Geistwesen, so heißt es, kann in schwierigen Situationen auftreten und seinen Schützling unterstützen und stärken.
Die Idee des Spirit Animals stammt ursprünglich von verschiedenen Naturvölkern, die moderne Esoterikszene hat sie dankbar übernommen. Und ich finde, dass sie sich bestens auf allerlei Prominenz übertragen lässt. Wenn es mal wieder dahin geht, wo ich mich unwohl fühle, nehme ich deshalb bewusst meine schwedische Freundin im Geiste mit: Maja Ivarsson.
"Sie sprang, rauchte, fluchte, schmiss Whiskey-Becher ins Publikum"
Fast 20 Jahre ist es her, als ich ihre Energie das erste Mal in mir spürte. Ich stand vor einer Bühne, auf der die Frontfrau von The Sounds wütete. Sie trug eine Hose, die so kurz war, dass sie vielleicht nicht mal mehr in die Kategorie Bekleidung fällt. Sie sprang, rauchte, fluchte, schmiss Whiskey-Becher ins Publikum. Ich liebte sie vom ersten Moment an – für alles, was sie war. Und was ich auch so gern sein würde: laut, mutig, sexy, unmöglich.
Die Freundschaft mit ihr bedeutet mir viel, auch wenn sie einseitig ist. Denn wenn Maja dabei ist, fühle ich mich viel stärker. Steht mal wieder irgendetwas an, vor dem ich mich fürchte, dann höre ich mir ihre Songs an und stelle mir vor, was sie an meiner Stelle tun würde: den Ärger runterschlucken oder die Konfrontation suchen? Die Chance ziehen lassen, weil man sich nicht traut, oder schnell zupacken? Habe ich mal zurückgepöbelt, einen Anwalt eingeschaltet oder aufgehört, in Zimmerlautstärke zu sprechen, dann hatte fast immer Maja etwas damit zu tun.
Channel Your Inner Oprah
Und so wie andere ihren "Channel Your Inner Oprah"-Slogan über der Brust tragen, um zu signalisieren, dass sie wie Talkshow-Queen Oprah Winfrey für sich einstehen, gehe ich vor besonders herausfordernden Tagen am liebsten in meinem verwaschenen The-Sounds-T-Shirt schlafen und hoffe, dass der wilde Spirit mich im Traum energetisiert. Ob dadurch etwas zum Vorschein kommt, das sowieso in mir schlummert, oder ob ich nur so tue als ob? Das weiß ich nicht so genau. Aber was ich aus jedem Ivarsson-Moment sicher mitnehme, sind Freude, Stolz und Lebendigkeit. Manchmal auch das Gefühl, etwas zu weit gegangen zu sein, aber auch das werte ich als Erfolg.
Gäbe es ein Lexikon der populären Power-Frauen, so wären Adele, Beyoncé und Michelle Obama natürlich vorn mit dabei, Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter bestimmt auch. Nicht immer aber sind die Superkräfte so offensichtlich, es geht nicht nur um Durchsetzungsstärke und Präsenz. Auch die Ruhe, Flexibilität oder Leichtigkeit eines anderen Wesens – sei es Tier oder Mensch – können uns stärken. Und so betrachtet, passt dann auch wieder das Eichhörnchen als Spirit Animal zu mir. Ist es doch in der Lage, seine Flugbahn noch in der Luft mit Drehungen zu justieren, um sein Ziel zu erreichen – Wonder Woman würde applaudieren!
Fake it till you make it – mit der Power Pose
Wer sich stark fühlen will wie die Superheldin, dem wird seit ein paar Jahren ihre Power Pose ans Herz gelegt: "Fake it till you make it", so der Slogan. Wissenschaftler:innen haben den positiven Effekt der Pose zwar inzwischen widerlegt, bestätigt hat sich aber, dass unser emotionales Gedächtnis und unsere Risikobereitschaft durch unser motorisches System beeinflusst werden. In schwierigen Situationen nicht zusammengesunken dazusitzen, sondern sich aufzurichten, sollte also reichen.
Darüber, dass ich die akrobatischen Sprünge meines Frontfrau-Krafttiers nicht nachahmen muss, um selbstsicher rüberzukommen, bin ich, ehrlich gesagt, ganz froh. Ich war länger nicht beim Sport und so könnte diese Erfahrung eben nicht beflügelnd, sondern ziemlich ernüchternd sein. Im Geiste zapfe ich trotzdem die Energie meines doppelten Spiritual Animals an: Maja gibt mir Mut, das Eichhörnchen Flexibilität und Weitsicht. Danke, dass ihr bei mir seid.
Mehr Themen: