Kinder mit einem guten Körpergefühl gehen gestärkt durchs ganze Leben. Pädagogin Susanne Mierau gibt Tipps, wie Eltern das Körpergefühl von Kindern positiv beeinflussen können.
EMOTION: Frau Mierau, Kinder entwickeln ab einem bestimmten Alter ein gewisses Bild von sich (z. B. "Ich bin hübsch" oder "Ich kann das sowieso nicht“). Wie können Eltern dieses Bild beeinflussen?
Susanne Mierau: Mit unserer Art des Umgangs mit Kindern bestimmen wir bereits sehr viel von dem, wie sich unsere Kinder selbst wahrnehmen. Das zeigt sich oft in Alltagssituationen: Sage ich dem Kind immer wieder "Nein, mach das nicht, du könntest Dich verletzten!" oder "Das kannst Du nicht, lass das lieber" vermitteln wir eine generell skeptische Haltung und ein Gefühl davon, dass der Alltag gefährlich ist und das Kind nicht kompetent genug ist.
Was kann man tun, um das Kind positiv zu beeinflussen?
Gut ist es, Kinder selbst wirksam sein zu lassen. Das bedeutet, dass sie eigene Erfahrungen machen können, selbst aktiv sind und sehen, dass sie Probleme selbständig lösen können. Natürlich machen sie dabei auch Fehler - aus denen sie wieder neu lernen. Als Eltern können wir das Kind und seine Gefühle liebevoll begleiten und erklären, dass auch mal etwas nicht klappt, was aber nicht schlimm ist.
Kinder müssen eigene Erfahrungen machen und sehen, dass sie Probleme selbstständig lösen können.
Susanne Mierau, Pädagogin und AutorinTweet
Und speziell auf den Körper bezogen?
Geben wir ihnen mit unseren Aussagen, Blicken und Kommentaren das Gefühl, dass alles in Ordnung ist oder drängen wir das Kind in eine Richtung? Auch die beständige Betonung "Du bist ja so hübsch!" kann für ein Kind zum Druck werden. Daher ist es gut, einfach ein neutrales Wohlbefinden mit sich selbst als Ziel zu haben. Unsere Worte formen dabei wesentlich mit, welche Bilder unsere Kinder von sich haben.
Lies auch:
- Body Acceptance statt Body Positivity: 5 Tipps für mehr Körper-Akzeptanz
- Einseitiger Kinderwunsch – Eine Prüfung für die Liebe
Was muss ich konkret beachten, wenn ich mit meinem Kind kommuniziere?
Es ist gut, wenn wir versuchen, die Gefühle unserer Kinder wirklich zu verstehen. Dazu gehört erst einmal, dass wir uns in sie hineinversetzen. In einer schwierigen Situation können wir die Gefühle des Kindes in Worte fassen: "Du bist jetzt ganz schön traurig/wütend, weil.., oder?". So lernen Kinder, die Gefühle einzuordnen und wir selbst haben die Möglichkeit, nachzuprüfen, ob unsere Wahrnehmung mit dem Gefühl übereinstimmt. Wenn das Kind uns erklärt "Ich kann das sowieso nicht!" können wir nachfragen: "Warum denkst Du das?" und so vielleicht gemeinsam eine Lösung finden. Wichtig ist auch, in schwierigen Situationen nicht anzuklagen im Sinne von: "Ich hab dir doch gleich gesagt, dass das nicht geht!", sondern das Kind aufzufangen und zu bestärken "Diesmal hast Du es noch nicht geschafft, auf den Turm zu klettern. Morgen ist ein neuer Tag."
Wir sollten versuchen, die Gefühle unserer Kinder wirklich zu verstehen.
Susanne Mierau, Pädagogin und AutorinTweet
Was muss ich bei meinem eigenen Verhalten beachten?
Unsere Kinder lernen jeden Tag sehr viel von uns über das Leben, über Rollen in der Gesellschaft und Verhalten. Auch hier sind es wieder kleine Momente, die Einfluss nehmen und über die wir nachdenken sollten: Erkläre ich dem Kind morgens, dass ich mich erst einmal "schön machen" muss? Merke ich kritisch an, dass ich "ein paar Pfunde zu viel" habe oder urteile ich andere Menschen ab, indem ich beispielsweise auf der Straße Sätze sage wie "Hast Du gesehen, wie DIE ausgesehen hat?" Ganz besonders wichtig ist es aber natürlich, wie ich mit dem Kind und über das Kind spreche. Im Beisein des Kindes darüber zu reden, was für ein Angsthase/Heulsuse/Moppelchen das Kind ist, ist unangebracht - und auch dann, wenn das Kind nicht dabei ist, denn wir schaffen mit unseren Worten und Beschreibungen auch bei anderen eine Vorstellung über unser Kind, die dann den Umgang mit dem Kind mitbestimmen.
Stark beinflusst werden Kinder durch das, was sie in den Medien und der Werbung sehen. Ein „Medienverbot" ist sicherlich nicht die richtige Lösung, oder?
Nein, Verbote sind generell schwierig im Familienleben. Als Eltern ist es wichtig, dass wir mit unseren Kindern im Austausch sind über das, was in ihrer Umgebung vor sich geht. Es ist gut, wenn Kinder durch Medien mit schwierigen Körperbildern und Erwartungen in Kontakt kommen und wir das gemeinsam mit den Kindern durch Gespräche aufarbeiten können, indem wir dann bewusst andere Bilder und Geschichten entgegensetzen. Denn: Unsere Kinder werden mit diesen Inhalten in Kontakt kommen und es ist gut, wenn wir ihnen schon früh Alternativen aufgezeigt haben und einen kritischen Umgang damit implementiert haben. Ein schönes Beispiels dafür sind beispielsweise die Bücher "Stories for Kids who Dare to be different" und "Good night stories for rebel girls".
Susanne Mierau studierte Kleinkindpädagogik in Berlin und arbeitete anschließend in der Forschung und Lehre. Seit 2012 schreibt sie für ihren Blog "Geborgen Wachsen" zum Thema Erziehung. 2016 kam das Buch "Geborgen wachsen. Wie Kinder glücklich groß werden" heraus, in dem sie einen zeitgemäßen und bedürfnisorientierten Erziehungsstil beschreibt. Mierau arbeitet außerdem als Familienbegleiterin.
Was kann man tun, wenn man als Elternteil selbst kein gutes Körpergefühl hat und unsicher ist, wie man seinem Kind das vermitteln soll?
Viele Erwachsene haben Probleme mit ihrem Körpergefühl, weil es in ihrer Kindheit so war, dass sich die eigenen Gefühle denen der damaligen Bezugspersonen unterordnen mussten: Babys wurden weinen gelassen, Kinder mussten gleichzeitig aufs Töpfchen, Belohnung wurde über Essen vermittelt oder Kinder wurden zum Aufessen gezwungen. Auch herrschten (wie auch heute noch viel) starre Rollenbilder vor, die Frauen und Männern bestimmte Eigenschaften im Aussehen und Wesen zuschrieben. All diese Vorgehensweisen von Erziehung haben Einfluss genommen darauf, wie wir uns als Erwachsene fühlen und verhalten.
Wie ist der richtige Weg, wenn man selbst Probleme damit hat?
Größeren Kindern gegenüber können wir ehrlich sein und erklären, dass uns bestimmte Dinge schwer fallen, auch aufgrund eigener Erfahrungen. Wir können Schwächen zugeben und darüber reden. Im Begleiten der kleineren Kinder ist es wichtig, dass wir uns erst einmal dessen bewusst werden, was uns leitet und welche Einflüsse es eigentlich sind, die uns dazu antreiben, dass wir dieses oder jenes wollen. Wenn wir uns dessen klar sind, können wir versuchen, uns selbst zu lösen von diesen Vorstellungen und das Körpergefühl aufzuarbeiten. Manchmal braucht das auch therapeutische Unterstützung. Selbst wenn wir es nicht schaffen, unseren Körper zu lieben und das zu zeigen, können wir aber darauf achten, unsere Kinder nicht zu beschämen oder in die ein oder andere Richtung zu drängen. Wir alle sind unterschiedlich, haben unterschiedliche Temperamente und auch ein unterschiedliches Aussehen. Das ist okay und unsere Kinder sind eben genau so, wie sie sind.
Mehr Themen: