Franziska Rülke erzählt uns ab sofort in ihrer Kolumne über das Leben einer 35-Jährigen. Im ersten Teil: ein Samstagnachmittag und eine Unterhaltung mit ihrem Leben.
An einem Samstagnachmittag saß es am Ende meiner Couch und sagte: Wir müssen reden. Es war klar, dass das kommen würde. Wir sind seit 35 Jahren zusammen. Es gibt nicht viele, die das schaffen. Albatrosse vielleicht, Gibbons und Die Flippers. Wir haben es also schon ganz schön lange miteinander ausgehalten, mein Leben und ich. Ich weiß nicht, ob es Liebe ist, wir sind nicht immer einer Meinung, hadern viel und wundern uns über den anderen. Aber ich will auch kein anderes. Ich brauche es. Es fordert mich. Und umgekehrt halte ich es auf Trab.
Ist das jetzt die Midlife-Crisis?
Manchmal stelle ich die Regeln auf, manchmal bestimmt mein Leben, wo es lang geht. Ich verstehe seine Entscheidungen nicht immer, aber ich weiß, es hat sich was dabei gedacht. So eine Beziehung ist harte Arbeit, das wissen wir beide. Und ich dachte eigentlich, wir reden schon viel miteinander, aber jetzt ist es offensichtlich mal wieder Zeit für ein Mitarbeitergespräch. Das letzte hatten wir mit 25. Da waren wir in der Quarterlife-Crisis und keiner von uns kannte den Weg. Deshalb sind wir einfach ohne Plan losgelaufen. Und nun, zehn Jahre später, stehen wir hier und stellen fest, der nicht vorhandene Plan ist nicht aufgegangen. Ist das dann jetzt schon die Midlife-Crisis? Vielleicht ist es gar keine Krise und wir machen einfach nur mal eine Bestandsaufnahme.
Das Leben kommt manchmal ganz anders
"Bist du glücklich? fragt mich das Leben. Och nö, jetzt fängt es gleich wieder mit so fundamentalen Fragen an. "Was heißt schon Glück. Das muss man erst mal definieren. "Naja, bist du da, wo du sein willst?" "Also wenn es nach mir gegangen wäre, dann wäre ich jetzt mit dem Mann meiner Träume verheiratet und hätte zwei süße Kinder. Zudem wäre ich erfolgreiche Autorin und würde viel reisen. "Tja", sagt mein Leben, "da es aber nach MIR ging, bist du ewiger Single und weder erfolgreich noch Autorin. Immerhin reist du viel. "Super" sage ich "wenigstens das. Mein Leben hat seinen ganz eigenen Kopf, es richtet sich nicht nach dem, was andere sagen, was man tun oder lassen sollte. Mein Leben möchte nicht konventionell sein, deshalb erlaube ich ihm manchmal, aus der Reihe zu tanzen. Dann machen wir ein paar unerwartete Schritte, einfach so, um uns von der Masse der Einheitstanzenden abzuheben. Lange reisen zum Beispiel. Oder kündigen. Oder etwas Verrücktes tun. Das ist es, was mein Leben ausmacht, es verhält sich nicht immer altersgerecht.
Wann ist man eigentlich erwachsen?
"Sind wir jetzt erwachsen?" Noch so eine Frage. "Naja" antworte ich, "nachdem wir kontinuierlich gesiezt werden, wenn uns jemand nach dem Weg oder der Uhrzeit fragt, werte ich das als Zeichen, dass wir zumindest äußerlich den Eindruck machen, erwachsen zu sein."Aber innerlich, also im Kopf drin, da haben wir uns doch nicht wirklich verändert, wir ticken doch noch genau wie früher" stellt mein Leben mit einem fragenden Unterton fest. "Ja, das Gefühl habe ich auch", sage ich.
"Aber äußerlich stimmt's schon" sagt das Leben beiläufig, "man sieht, dass du alt wirst."Wie bitte?" ich schaue mein Leben entgeistert an. "Ich habe Dich beobachtet, heute morgen, ich glaube, es ist ein Zeichen, dass man alt wird, wenn der Kajalstift die Haut vor sich her schiebt. Und auch sonst, deine Oberfläche zieht Falten. "Danke" sage ich. Wenn man sich so lange kennt, ist eine gewisse Ehrlichkeit unvermeidbar. "Aber ich mag dich auch so, es ist ja nur die Oberfläche" schiebt mein Leben hinterher. Ich mag dich auch, denke ich, und finde es gut, dass wir mal wieder reden.
Noch mehr von unserer neuen Kolumnistin Franziska Rülke gibt es auf ihrem Blog zu lesen. Der heißt kontrolliertes Chaos und ist hier zu finden: kontrollierteschaos.com
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