Im Job gilt Hochsensibilität als schwierig. Mit diesen sechs Tipps von Ratgeberautorin Kathrin Sohst meistern sensible Menschen ihren Berufsalltag deutlich leichter.
Hochsensibel im Job – tägliche Hochleistung
Hochsensibilität führt zu einem ganz anderen Empfinden des Arbeitsalltags. Arbeit geht alle was an – ganz egal ob hart oder zart im Nehmen. Wir arbeiten heute nicht nur, weil wir unser Leben und das unserer Kinder finanzieren wollen oder müssen und irgendwann mal studiert oder einen Beruf gelernt haben, sondern auch um uns selbst zu verwirklichen und uns weiterzuentwickeln, weil wir nach dem Sinn des Lebens suchen oder weil wir nach Erfolg streben und Karriere machen wollen. Oder weil wir neue Ideen haben, innovativ und kreativ sind, etwas erfinden möchten, die Welt besser machen wollen oder Menschen glücklich und gesund. Wir machen uns jeden Tag auf den Weg, weil wir Geld verdienen wollen oder weil wir eine Message haben – oder beides. Und einige arbeiten auch, weil sie einfach nur die Welt retten wollen.
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Gründe gibt es genug. Und sie sind so unterschiedlich wie wir Menschen. Manche von uns sind sensibel, manche sogar hochsensibel. Hochsensible Menschen nehmen Reize intensiver wahr – dazu gehören Umweltreize, Sinneswahrnehmungen, körperliche Empfindungen und die emotionale Welt. Laut Forschung sind 15 bis 20 Prozent der Menschen hochsensibel. Sie erleben ihren Alltag intensiv und verarbeiten alles, was sie erleben, tiefer. Sie sind feinfühlig und geben unserer schnellen Welt Tiefgründigkeit. Aber die schnelle Welt fordert hochsensible Menschen oft mehr, als sie es sich wünschen und kann bei ihnen schneller für Überreizung sorgen als bei anderen.
6 Tipps, die dir bei Hochsensibilität helfen
Zunächst mal hilft schon das Wissen, dass du sensibler bist als andere Menschen und das nicht verkehrt, sondern sogar ganz richtig ist. Du bringst andere Impulse in die Welt und brauchst einen anderen Rhythmus, hast andere Bedürfnisse und gehst andere Wege als der Mainstream. Mach dir das bewusst und geh respektvoll mit deinen Bedürfnissen um, statt dir dauerhaft eine Lebensweise abzuverlangen, die nicht zu dir passt. Das ist auf Dauer sehr ungesund.
1. Morgenritual statt Morgenchaos
Ganz gleich, ob du vom Wecker geweckt wirst oder ausschlafen kannst: Schaffe dir ein Morgenritual nur für dich und ohne Smartphone. Atme dich in den Morgen, koche dir einen Tee, komm an und nimm dich und den neuen Tag wahr bevor du ins pralle Leben startest. Es kann sogar Sinn machen, den Wecker 15 - 30 Minuten früher zu stellen, um etwas Zeit zu haben, bevor du zum Beispiel die Kinder weckst und den Frühstückstisch deckst.
2. Achtsamkeit statt Reizüberflutung
In dem Moment, in dem du dich für die Welt und den Tag öffnest, kommst du mit vielen Menschen, Möglichkeiten und Reizen in Kontakt. Das Prinzip der Achtsamkeit geht davon aus, dass wir ruhiger und entspannter durch den Tag kommen, wenn wir uns darin üben, im Jetzt zu sein und stehen zu lassen was ist, ohne es zu bewerten. Versuche, Gedanken, Menschen und Reize an dir vorbeiziehen zu lassen, ohne alles interpretieren und einordnen zu wollen. Es ist okay, wenn du den Fokus nach innen richtest, bei dir bleibst und in Ruhe weiter atmest statt alles um dich herum wahrnehmen und auswerten zu müssen. Und keine Sorge: Sollte Gefahr drohen oder jemand Hilfe brauchen, wirst du es ohnehin sofort merken.
3. Nichtraucherpause statt Vormittagssprint
Du musst kein:e Raucher:in sein, um dir zwischendurch eine Pause zu gönnen. Suche dir ein ruhiges Plätzchen – wo auch immer du das in deiner Arbeitsumgebung findest und sei es die Toilette. Nimm dir Zeit, dich zu spüren, öffne ein Fenster, atme tief durch, trinke Wasser oder Tee. Du wirst spüren, dass die kurzen Auszeiten einen hohen Entspannungswert haben. Fünf bis zehn Minuten Pause statt Dauersprint werden dir gut tun, auch wenn du die Arbeitszeit hinten anhängen musst. Vielleicht ist ja auch eine geringe Reduzierung deiner Arbeitszeit möglich, damit du nachmittags und am Abend mehr Zeit für Familie, Freunde und vor allem auch für dich hast.
4. Bedürfnisse wahrnehmen statt Stress in der Mittagspause
In der Mittagspause brauchst du zum einen Nahrung, die gut für dich ist, damit du am Nachmittag ausreichend Energie zur Verfügung hast. Darüber hinaus sind frische Luft und Bewegung eine sehr gute Idee, denn beides baut Stress ab. Darauf sollte dein Fokus liegen. Natürlich ist es auch wichtig, mit Kollegen Essen zu gehen und das Netzwerk zu pflegen. Überlege, wie du diese Dinge für dich verbinden kannst. Vielleicht verabredest du dich ab und an nur mit einer Person in der Mittagspause oder gehst nicht jeden Tag mit den Kolleg:innen essen.
5. Fokussieren statt Perfektionismus und Zucker
Statt von dir überirdische Leistungen zu erwarten, solltest du auf dem Boden der Tatsachen ankommen und den Perfektionismus auch mal links liegen lassen. Fokussiere dich auf das, was heute möglich ist. Wenn du müde wirst, mache eine Pause statt Süßes zu essen und mache danach in Ruhe weiter. Besser als Industriezucker sind Obst, Nüsse oder Saaten. Wenn dein Arbeitstag zu Ende geht, nutze die letzten 15 Minuten am besten dafür, zu fixieren, was du geschafft hast und wo du am nächsten Tag weitermachen willst. So ist der Einstieg am nächsten Tag klar und es kommt keine Panik auf, wenn zusätzliche Aufgaben auf dich zukommen.
6. Entschleunigung statt Feierabend
Wenn es möglich ist, gehe nach der Arbeit in den Park oder in die Natur. Gestalte die Arbeitswege so, dass du irgendwo anhalten oder aussteigen und zumindest grüne Energie tanken kannst. Wenn du gerade mitten im Leben stehst mit Job und Familie dann bedenke, dass weniger definitiv mehr sein kann. Du brauchst die Verarbeitungszeit und Räume für Rückzug und Entspannung. Und deine Kinder wahrscheinlich auch, denn Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass hohe Sensibilität erblich ist.
Nimm dir Zeit für dich und deine Familie. Und nimm dir Zeit in der Natur. Das ist die beste Voraussetzung dafür, um das Leben auf deine Weise zu feiern!
Kathrin Sohst ist Expertin für Hochsensibilität und unterstützt hochsensible Menschen dabei, ihre Potenziale zu entdecken und ein zartstarkes Leben zu führen. Sie bietet Info- und Netzwerk-Veranstaltungen zum Thema an, leitet Seminare und Workshops und hält Vorträge. Parallel dazu setzt sie sich für psychische Gesundheit in der Arbeitswelt ein, textet für Wirtschaft und Magazine und arbeitet als Fotografin. Die Diplom-Dokumentarin und geprüfte PR-Beraterin ist verheiratet und Mutter von zwei Töchtern.
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