Jäger oder Sammler? Wer unseren Kolumnisten kennt, weiß: die zweite Kategorie, aber so was von! Jetzt hat er sein Leben ausgemistet, weil etwas Neues Raum braucht, um zu wachsen. Er hatte zwei kluge Helferinnen: seine Töchter.
Die Mädchen sind sich einig. "Das", sagt Nummer Zwei und deutet mit zwei Armen einen Korridor an, "das kann alles raus." Der Korridor, den sie anzeigt, beschreibt ziemlich genau den Korridor unserer Wohnung. Wir haben die Zimmer von Nummer Eins und Nummer Zwei renoviert, es gibt jetzt keine Kinderzimmer mehr bei uns und eigentlich höchstens noch eins, das sich als Jugendzimmer beschreiben ließe, obwohl selbst da keine Poster mehr hängen. Wir haben gewechselt von "Harry Potter" zu den Aufklebern der lokalen Antifa. Aber die Zimmer der Mädchen waren nur der Anfang, es muss alles anders, denn es zieht wieder eine Frau ins Haus, und wir sind alle aufgeregt. Es wird alles neu.
Dreieinhalb Jahre haben wir das allein gemacht, seit der Explosion, und man könnte sagen, meine ureigene Kombination aus hauswirtschaftlicher Überforderung und der Tendenz, Dinge zu sammeln, gepaart mit dem für das ungeübte Auge wie Improvisation anmutenden Überspielen der Tatsache, dass die Mutter von Nummer Eins und Zwei mit einem guten Teil der Möbel ausgezogen ist, hat das hier alles ein bisschen ... wem mache ich etwas vor, in dieser Wohnung herrscht genau das Chaos, das in den vergangenen Jahren in mir selbst getobt hat. Es gibt schöne Ecken, aber insgesamt ist sie ein Spiegel meines Lebens, und jetzt gehört aufgeräumt und ausgemistet. Und die drei Frauen, die mein Leben regieren, haben sehr genaue Vorstellungen davon, wie es hinterher aussehen muss.
Ausmisten heißt auch, rückwärts durch sein Leben zu gehen, und das fühlt sich bei mir anders an als bei Marie Kondo auf Netflix. Da sitzen Paare und sagen, sie spielen gern Brettspiele, weshalb sie dafür einen Platz brauchen. Das ist händelbar. Ich hingegen mache alles gern. Ich fange alle zwei Jahre ein neues Hobby an und kaufe alles Equipment, was es gibt. Das ist nicht händelbar, was bedeutet, ich muss mir überlegen, welchen Teil meiner Vergangenheit und gleichzeitig Zukunft ich loswerden will. Denn wer weiß, was für ein Mann ich noch hätte werden können, wenn ich das dazugehörige Equipment nicht entsorgt hätte?
Aber das ist, was ich bin: Vater von zwei Töchtern, die toller nicht sein könnten, und offenbar jetzt der Mann einer Frau, die wegen mir das Land wechselt und "Ich heirate eine Familie" nachspielt. Mehr geht nicht. Was bedeutet, dass alles andere nicht so wichtig ist und rausfliegen kann – abgesehen davon, dass es ein echtes Geschenk ist, wenn Teenager plötzlich so tun, als wäre ihnen immer schon an zenmäßig klarem Minimalismus gelegen gewesen, und die Höhlen, in denen sie hausen, wenn man sie lässt, wären eigentlich irgendwie meine Schuld.
Aber dass die Mädchen sich einig sind, heißt vor allem, dass sie wollen: uns, das alles hier, mich ja auch, und eine Wohnung, die voll von diesem Wollen ist, kann für mich ansonsten leer sein wie der Kopf meiner Töchter bei einer Mathe-Klausur. Es ist alles da. Lasst uns anfangen.