Schonmal beim Schauen einer Insta-Story oder einer Serie das Gefühl gehabt, dass du mit dieser fremden Person einfach super gut auskommen würdest, gar Freund:innen werden könntest? Dann warst du möglicherweise auch schonmal in einer parasozialen Beziehung.
Die meisten Beziehungen, die wir in unserem Leben haben, verlaufen wechselseitig: Ob in Freundschaften, romantischen Beziehungen oder im Job – all unsere Kontakte leben vom gegenseitigen Austausch. Das ist wahrscheinlich so offensichtlich, dass sich die meisten Menschen darüber noch nie Gedanken gemacht haben. Es gibt aber auch Beziehungen, die sich eben nicht durch diese zweiseitige Kommunikation auszeichnen, sondern in denen eine enge Bindung ohne jeglichen persönlichen Kontakt besteht. In solchen Fällen spricht man von parasozialen Beziehungen – und die dürften viele von uns in ihrem Alltag schonmal geführt haben.
Wo begegnen uns parasoziale Beziehungen?
Parasoziale Beziehungen gewinnen vor allem im Social Media Kosmos an immer mehr Bedeutung. Insbesondere Instagram-Storys von Influencer:innen suggerieren uns eine gewisse Vertrautheit zwischen uns und den Absender:innen. Sie gewähren Follower:innen Einblicke in ihr Privatleben, die manche Menschen vielleicht höchstens mit ihren engsten, echten Freund:innen teilen würden: Man erfährt von Ernährungsunverträglichkeiten, weiß, welche Kosmetikprodukte diese fremde Person nutzt oder wie es gerade um ihr Liebesleben steht. Wer solche Instagram-Storys konsumiert, kann schnell den Eindruck gewinnen, diesen Menschen bestens zu kennen – obwohl man mit ihm nie persönlich in Kontakt stand. Höchstens durch Likes und Kommentare besteht die Möglichkeit, auf die Beiträge zu reagieren. Diese einseitige Kommunikation (wir wissen alles über eine fremde Person, sie aber nichts über uns) bezeichnet man als parasoziale Beziehung.
Das Konzept der parasozialen Beziehung wurde im Jahr 1956 von Donald Horton und R. Richard Wohl geprägt, um zu beschreiben, warum Massenmediennutzer:innen sich verhalten, als ob sie in einer sozialen Beziehung zu einer Medienfigur stehen würden. Das Phänomen wurde nämlich beobachtet, als das Fernsehen Mitte der 50er Jahre zum Alltagsobjekt wurde: Talkshowformate wurden zum Beispiel von Anfang an so konzipiert, dass die Zuschauer:innen sich als Teil der Sendung fühlten. Parasoziale Beziehungen treten also nicht nur im Kontext von sozialen Medien auf, sondern können auch in Film und Fernsehen aufgebaut werden. Verfolgen wir eine Serie etwa über mehrere Folgen oder Staffeln hinweg, dann können wir längerfristige gefühlsmäßige Bindungen zu den (fiktiven) Charakteren entwickeln.
Sind parasoziale Beziehungen unnormal?
Parasoziale Beziehungen sind an sich nichts Unnormales und können unserer mentalen Gesundheit sogar gut tun. Denn als Menschen sind wir dafür gemacht, soziale Verbindungen herzustellen – und selbst wenn wir jemanden nur über einen Bildschirm sehen, versuchen wir automatisch, eine Bindung zu ihm aufzubauen. Das bedeutet nicht, dass wir diese Interaktion als real wahrnehmen. Den Medienkonsument:innen ist bewusst, dass diese Beziehung eine Illusion ist, trotzdem reagieren sie auf die Situation aber so, als ob sie real wäre. Eine Studie der State University of New York konnte sogar zeigen, dass Menschen mit geringem Selbstwertgefühl aus parasozialen Beziehungen Vorteile ziehen können, die sie in normalen Beziehungen nicht erhalten. Denn da bei einseitigen Beziehungen ein geringes bis gar kein Risiko besteht, von einer anderen Person abgewiesen zu werden, bieten sie Menschen mit geringem Selbstwertgefühl die Möglichkeit, ihre Selbstzweifel zu reduzieren und sich ihrem idealen Selbst näher zu fühlen.
Wann können parasoziale Beziehungen problematisch werden?
Auch wenn wir uns bewusst sind, dass soziale Medien nicht die Realität abbilden und uns Influencer:innen häufig nur die "Highlights" aus ihrem Leben zeigen, so können wir doch meist nicht anders, als eine Bindung zu ihnen aufzubauen. Diese parasoziale Beziehung führen wir dann aber lediglich mit ihrem Online-Selbst, da uns andere Facetten ihrer Persönlichkeit oder ihres Lebens verborgen bleiben – schließlich sehen wir immer nur Ausschnitte davon. Es kann schwer fallen jemanden, mit dem man in einer parasozialen Beziehung steht, als komplexes Individuum zu betrachten, das ein Leben jenseits dessen führt, was auf Social Media präsentiert wird. Am Ende kann das zu ungesunden Vergleichen führen, weil die vermeintliche Perfektion des Anderen uns mit unseren eigenen "Makeln" konfrontiert.
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