Als Single muss sich unsere Autorin ständig anhören, sie solle es mit der Partnersuche doch einfach im Netz probieren. Doch das kommt für sie nicht infrage, und zwar aus guten Gründen.
"Meld dich doch mal bei Tinder an!" Nein. "Na, dann halt bei so was wie friendscout24!" Nie im Leben. "Da muss man sich doch heute nicht mehr schämen. Machen alle!" Ja, sicher richtig. Nur ich eben nicht. Wenn alle von der Klippe springen, muss ich doch auch nicht hinterherspringen, oder?
Okay, der Spruch ist doof. Trotzdem stoßen meine Freunde bei mir auf taube Ohren: Ich date nicht online. Online-Dating-Profile erinnern mich an Bewerbungsschreiben. Sie drehen sich um unbeantwortbare Fragen wie: "Wer bist du?", und wenn wir ehrlich sind auch um: "Wie müsstest du sein, um bei XY gut anzukommen?" Es beginnt schon mit der Frage: Welche Bilder lade ich hoch? Auf Tinder – Überraschung! – läuft alles über die Optik. Doch auch auf den anderen Portalen ist das Aussehen der Frau (vermutlich auch das des Mannes) Auswahlkriterium Nummer 1.
Welche Botschaft würde ich ins Netz der Liebeswilligen senden? Ich sitze nicht auf Klippen und starre in die Ferne. Ich spiele nicht mit meinen Haaren und schürze meine Lippen. Ich mache die schlechtesten Selfies der Welt. Welche Fotos könnten ausdrücken: Ich bin zwar sportlich, aber auch faul. Ich bin schnell zu begeistern, aber schwer zu beeindrucken. Ich lache gern, bin aber trotzdem oft tierisch genervt? Online- Profile nötigen einen, sich im besten Licht darzustellen: seine Stärken herauszuarbeiten, seine Schwächen zu verheimlichen. Daraus folgt aber die permanente Angst, als Hochstaplerin enttarnt zu werden. Optisch wie inhaltlich. Was passiert, wenn ein Match mich das erste Mal ohne Instagram-Filter sieht? Wie lange kann ich die Scharade einer weichgespülten Persönlichkeit aufrechterhalten, bevor ich wegen Vortäuschung falscher Tatsachen auffliege? Beim bloßen Gedanken fühle ich mich schon unter Druck gesetzt.
Und dann die ja auch nicht unerhebliche Frage: Wonach suche ich eigentlich? Eröffne ich ein Profil bei ElitePartner, signalisiere ich damit: Ich suche den Mann fürs Leben. Und zwar einen mit Niveau! In meinem Kopf oute ich mich damit als "Suchende" – und das sogar gegen Gebühr. Nö. Wo bleibt denn da die Romantik? Der Zufall? Schließlich findet man das perfekte Paar Schuhe doch auch immer dann, wenn man nicht danach sucht, oder?
Onlinedating ist Konsumgesellschaft pur. Jede Menge flirt- und liebeswillige Menschen werfen sich auf den Markt, und ich kann mir aus diesem Angebot meinen Wunschpartner herausfischen – wie bei Zalando. Statt "schwarz, Echtleder, Größe 36" gebe ich einfach "blond, mindestens 1,70 Meter groß, im Umkreis von 5 km" ein.
Wissen Leute wirklich, dass ihr Glück in einem großen Mann oder einer südländischen Frau liegt? Wenn ich an "meine Männer" denke, hat keiner von ihnen meinem "Typ" entsprochen. Hätte ich nach meinen persönlichen Vorlieben gefiltert, hätte ich nie mit Wolfgang hinter der Bühne geknutscht, wäre nicht tagelang mit Ben auf seinem Roller durch Thailand gefahren – und hätte nie mit Martin die Weihnachtsfeier verlassen. Für mich stimmt hier die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht. Wie viele Nieten muss ich mühsam aussortieren, während ich Gefahr laufe, einen tollen Mann aufgrund seiner weggefilterten Körpergröße nie kennenzulernen?
Keine Frage, Onlinedating ist bequem, schnell und geschieht erst mal aus ziemlich sicherer Distanz. Aber genau darin liegt ein weiteres Manko: Ich traue da niemandem. Laut einer Studie sind 42 Prozent aller Tinder-Nutzer bereits liiert. Wer beim Beziehungsstatus lügt, sagt sicher auch bei Alter, Beruf und Vorlieben nicht die ganze Wahrheit. Frei nach Cyrano de Bergerac könnten die lustigen Nachrichten von Chris doch genauso gut von Peter geschrieben worden sein. Oder von seiner besten Freundin. Ich male den Teufel an die Wand? Glaub ich nicht. Schließlich durfte ich schon bei mehreren Freundinnen mal "swipen".
Nein, ich bleibe lieber bei meinen analogen Begegnungen. Sie sind genauso anstrengend und aufregend, aber so viel echter.
Wem es doch schwieriger fällt auf direktem Wege neue Leute kennenzulernen – für den haben wir in der aktuellen Ausgabe der EMOTION hilfreiche Apps und Websites zum vernetzen.