Dass Horoskope und Beschreibungen in Zeitungsartikeln so häufig auf uns zutreffen, liegt oft an einem psychologischen Phänomen namens Barnum-Effekt. Was hat es damit auf sich?
Barnum-Effekt: Je vager die Aussage, desto stärker beziehen wir sie auf uns
Zeit für ein kleines Experiment: Wie sehr spiegelt die folgende Beschreibung deinen Charakter auf einer Skala von 1 bis 5 wider?
"Du möchtest, dass andere dich mögen und schätzen und neigst dazu, kritisch mit dir selbst zu sein. Du hast einige charakterliche Schwächen, kannst die aber grundsätzlich mit deinen positiven Eigenschaften ausgleichen. In dir schlummert viel Potential, das du allerdings ungenutzt verstreichen lässt. Nach außen hin bist du diszipliniert und selbstbeherrscht, neigst aber dazu, dich innerlich ängstlich und unsicher zu fühlen. Du zweifelst öfter daran, ob dein Handeln und deine Entscheidungen richtig sind. Du magst Abwechslung und Veränderung und bist unzufrieden, wenn du von Verboten eingeengt wirst. Du bist stolz auf dein unabhängiges Denken und nimmst die Aussagen anderer Menschen nicht unkritisch hin. Außerdem findest du es unklug, sich anderen zu bereitwillig zu öffnen. Du bist manchmal extravertiert und aufgeschlossen, dann wieder skeptisch und zurückhaltend. Manche deiner Hoffnungen sind eher unrealistisch".
Vermutlich hast du eben eine ziemlich hohe Punktzahl vergeben. Das liegt aber nicht daran, dass der Text deinen Charakter so gut zusammenfasst, sondern daran, dass er sehr vage und allgemeingültig ist. Je unspezifischer und allgemeiner eine Beschreibung ist, desto eher erkennen wir uns in ihr wieder, wenn uns suggeriert wird, dass sie auf uns zutrifft. Dieses psychologische Phänomen wird auch Barnum-Effekt oder Forer-Effekt genannt. Benannt ist er unter anderem nach dem US-amerikanischen Psychologen Bertram R. Forer – der ließ seine Student:innen im Jahr 1948 im Rahmen eines Experiments einen Persönlichkeitstest ausfüllen. Am Ende bekam jede:r den oben stehenden Text als Ergebnis, unabhängig von den Antworten auf die Testfragen. Schließlich wollte Forer wissen, für wie zutreffend seine Student:innen das Ergebnis hielten. Durchschnittlich bewerteten sie die Beschreibung ihrer Persönlichkeit mit 4,26 von 5 Punkten – das ist ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass jede:r im Hörsaal demnach den gleichen Charakter hätte.
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Schuld an dieser Wahrnehmung sind Barnum-Aussagen
Warum sind wir so leichtgläubig, wenn es um Aussagen geht, die uns beschreiben sollen? Maßgeblich dafür verantwortlich sind die sogenannten Barnum-Aussagen. So werden Behauptungen und Beschreibungen genannt, die so ungenau sind, dass jede:r sich in ihnen wiederfinden kann. Barnum-Aussagen werden häufig in Horoskopen genutzt, damit sie von möglichst vielen Menschen als zutreffend wahrgenommen werden. Bei der Konstruktion von Barnum-Aussagen werden verschiedene Mittel genutzt:
- unscharfe Formulierungen: Aussagen wie "Du neigst zu Prokrastination" lassen sich viel schwerer widerlegen als spezifische Behauptungen wie "Du hast heute noch kein To-do abgehakt" – deshalb nehmen wir sie eher als zutreffend wahr
- wünschenswerte Beschreibungen: Die meisten von uns haben ein Idealbild, dem wir gerne entsprechen würden. Wenn uns suggeriert wird, dass wir dem bereits entsprechen und uns positive Eigenschaften zugeschrieben werden, nehmen wir das gerne für bare Münze (zum Beispiel "Du bist ein ehrlicher Mensch und zeigst anderen viel Empathie.")
- weit verbreitete Ängste und Wünsche: Wenn persönliche Wünsche oder Ängste, die die meisten Menschen teilen (zum Beispiel "Ich wünsche mir stabile Beziehungen in meinem Leben" oder "Ich habe Angst, zu scheitern") als individuelle Anliegen behandelt werden, wirkt es auf uns, als würden sie insbesondere auf uns zutreffen – dabei geht es den meisten anderen auch so.
- subjektive Aussagen: Formulierungen wie "Vor großen Risiken schreckst du oft zurück" stimmen meistens, weil wir den schwammigen Begriff "großes Risiko" automatisch als "für mich persönlich zu groß" interpretieren. Aus diesem Grund empfinden wir derart subjektive Ausdrücke als auf uns zutreffend.
So kannst du den Barnum-Effekt überwinden
Wenn man weiß, welche Tricks angewandt werden, um Barnum-Aussagen zu konstruieren, ist es bereits um einiges leichter, scheinbar individuelle Aussagen als vage und allgemeingültige Behauptung zu entlarven. Und auch eine skeptische Grundhaltung – die wir in Zeiten von Fake News und Infodemie sowieso alle haben sollten – hilft, um psychologischen Phänomenen wie dem Barnum-Effekt nicht auf den Leim zu gehen. Die Devise lautet: kritisch hinterfragen!
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