Wie viel Schlaf ist ausreichend, wann ist er erholsam und wie wachen wir am besten auf? Prof. Dr. Bamberger beantwortet Fragen zu Schlafstörungen.
Die erholsamsten Stunden sind die vor Mitternacht. Was ist an dieser so weit verbreiteten Behauptung überhaupt dran?
Wahr ist, dass die ersten drei Stunden des Schlafs die erholsamsten sind. In dieser Zeit ist der Anteil des für die Regeneration so wichtigen Tiefschlafs am höchsten. Ob diese Stunden vor Mitternacht liegen oder nicht, ist allerdings nicht entscheidend.
Woran kann es liegen, dass wir uns trotz ausreichend Schlaf müde fühlen?
Das ist immer ein klares Zeichen dafür, dass wir nicht genügend erholsamen Tiefschlaf bekommen. Das hat wiederum zwei Hauptgründe: Zum einen gibt es zahlreiche Substanzen, die unsere Schlafarchitektur stören. Alkohol ist die bekannteste von ihnen, aber auch viele Schlafmittel erzeugen einen flacheren, weniger erholsamen Schlaf. Hat man nichts dergleichen eingenommen und fühlt sich nach einer scheinbar guten Nacht trotzdem müde, sollte man auch an eine Schlafapnoe denken. Dabei setzt nachts die Atmung für mehrere Atemzüge aus und der Sauerstoffgehalt im Blut sinkt ab. Selbst wenn man das gar nicht mitbekommt, leidet die Qualität des Schlafs darunter erheblich. Eine solche Störung kann nur durch eine Schlaflabor-Untersuchung festgestellt werden, die heutzutage in vielen Fällen ambulant, also zuhause durchgeführt werden kann.
Ist unser Schlaf ohne Träume ein besserer als mit?
Ob es wirklich komplett traumlosen Schlaf gibt, ist nach wie vor umstritten. Der traumarme Tiefschlaf hat, wie gesagt, den größten Erholungswert. Aber auch der traumreiche REM-Schlaf (REM steht für rapid eye movement, also schnelle Augenbewegungen, die während dieser Schlafphase wahrnehmbar sind) ist wichtig, vor allem für unser psychisches Gleichgewicht.
Ihr Buch hat den Titel "Das Schlafwunder". Warum ausgerechnet das Wort Wunder im Zusammenhang mit Schlaf?
Guter Schlaf wird gerade von schlafgestörten Menschen wie ein Wunder wahrgenommen. Und darauf bezieht sich auch der Titel meines Buchs: auf das großartige Lebensgefühl, das sich einstellt, wenn man nach langer Zeit quälender Schlaflosigkeit endlich wieder richtig gut geschlafen hat. Der von mir vorgeschlagene Weg dorthin beruht auf wissenschaftlich belegten, handfesten Methoden.
Gibt es einen Richtwert, wie lange wir im optimalen Fall schlafen sollten? Es gibt ja die magischen sieben Stunden, von denen man überall liest. Eine solche Verallgemeinerung lässt aber außer Acht, dass das individuelle Schlafbedürfnis deutlich davon abweichen kann. Das ist unter anderem auch eine Frage des Alters: Im Laufe des Lebens nimmt das Schlafbedürfnis leicht ab. Jeder Mensch kann für sich ziemlich genau einschätzen, wie viel Schlaf er braucht. Stellen Sie sich einfach folgende Frage: Unterhalb welcher Schwelle fühle ich mich eindeutig unausgeschlafen, unerholt, müde und bin nicht "ich selbst"? So ergibt sich Ihr persönliches Schlafbedürfnis.
Im Laufe des Lebens nimmt das Schlafbedürfnis leicht ab.
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Es gibt ein Kapitel das heißt "Das nächtliche Gedankenkarussel stoppen". Geht das wirklich?
Ja, geht. Allerdings nicht, indem wir uns darauf konzentrieren, es stoppen zu wollen. Das menschliche Gehirn ist ja sehr eigensinnig und lässt sich nicht gerne von etwas abbringen. Der Philosoph Spinoza hat schon vor fast 400 Jahren erkannt, dass man unerwünschte Gedanken und Gefühle nicht abstellen, sondern nur durch andere, erwünschtere Gedanken ersetzen kann. Und so ist es auch mit dem nächtlichen Gedankenkarussel. Wir können es nicht abstellen, aber ersetzen, zum Beispiel durch eine Meditation, eine Geschichte, die wir uns in Gedanken (nach)erzählen oder ein Hörbuch, in dessen Gedankenwelt wir uns hineintragen lassen.
Verhindern Handy, Fernseher und andere elektrische Geräte wirklich einen guten Schlaf?
Oh ja, ganz eindeutig. Dabei ist umstritten, wie stark die davon ausgehenden elektromagnetischen Wellen oder das bläuliche Bildschirmlicht unseren Schlaf beeinträchtigen (sehr wahrscheinlich schon). Die schnell wechselnden Inhalte tun das aber auf jeden Fall. Ganz besonders perfide sind E-Mails und erst recht die sozialen Medien. Meint man dort irgendetwas Wichtiges nicht beantwortet oder geliked zu haben, erzeugt das Stress und Stress ist nun einmal der größte Feind des Schlafs. Deshalb brauchen wir eine abendliche Pufferzone vor dem Schlafengehen, in der wir E-Mail, Whatsapp, Facebook & Co bewusst nicht mehr checken.
Wie wachen wir in der Früh am besten und auf eine sanfte Art und Weise auf?
Idealerweise ohne Wecker. Wenn wir es ohne Wecker nicht schaffen, sollten wir aber auf jeden Fall ein entspanntes Morgenritual einschließlich eines guten Frühstücks einhalten. Das gehört genauso zu einer guten Schlafhygiene wie abendliche Einschlafrituale. Wenn wir nämlich schon im Vorhinein wissen, dass sofort nach dem Aufstehen der Stress einsetzen wird, schlafen wir schlechter.
Wir brauchen eine abendliche Pufferzone vor dem Schlafengehen, in der wir E-Mail, Whatsapp, Facebook & Co bewusst nicht mehr checken.
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Was halten Sie von Tageslichtweckern und Co?
Das eignet sich für Menschen, die speziell darunter leiden, wenn sie unsanft geweckt werden. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass sich Schlafstörungen dadurch bessern lassen.
Und was können Menschen nun tun, die wirklich schlecht schlafen? Haben Sie 3 effektive Tipps für unsere User?
Mein erster Rat: die Schlaflosigkeit erst einmal annehmen. Es entspannt einen schon, sich zu vergegenwärtigen, dass Schlaflosigkeit keine Katastrophe und nicht das Ende der Welt ist, selbst wenn es sich manchmal so anfühlt. Zweitens: die Schlafhygiene optimieren. Dazu gehört unter anderem kein Kaffee nach 15 Uhr. Drittens: Schlafrestriktion. Das bedeutet für einige Wochen eine konstante und etwas zu kurze Schlafzeit festlegen, beispielsweise von 0 bis 6 Uhr. Außerhalb dieser Zeiten nicht schlafen, auch nicht mittags. Diese Maßnahme ist ein wenig hart, erhöht aber den "Schlafdruck" ungemein und führt bei 90 Prozent der Menschen dazu, dass sie besser schlafen und das Intervall dann schrittweise wieder verlängern können.
Prof. Dr. med. Christoph Bamberger ist Internist und Hormonexperte, Leiter des Medizinischen PräventionsCentrums Hamburg (MPCH), Firmengründer, Buchautor, Wissenschaftler und Theaterproduzent. »Bei dieser Vielfalt an Aktivitäten ist es für mich von entscheidender Bedeutung, einen klaren Kopf zu behalten. In diesem Zusammen-
hang spielen die Regeneration und der erholsame Schlaf entschei- dende Rollen.« Bei TRIAS hat Prof. Bamberger bereits »Die 50 besten Vergesslichkeits-Killer« (2014) veröffentlicht sowie gemeinsam mit seiner Frau, Dr. habil. Ana-Maria Bamberger, »Die 50 besten Stress-Killer. Meine Work-Life-Balance finden« (2012) und »Die 50 besten Ärger-Killer« (2013).