Michael Stuhlmiller erklärt, was wir von Clowns lernen können und welche einfachen Übungen in schwierigen Situationen helfen.
Was tun Sie, wenn Sie der Termindruck überrollt, der Chef oder die Kollegen nerven und die ganz alltäglichen Probleme einem mal wieder über den Kopf wachsen? Statt verkrampft nach Lösungen zu suchen und den Druck zu verstärken, ist es sinnvoll, die Vorkommnisse nicht so ernst zu nehmen. Ganz genau, Humor ist gefragt. Als Clown und Direktor einer Berufsfachschule für Clowns weiß ich, wie sich Probleme mit spielerischer Leichtigkeit lösen lassen, denn Clowns sind regelrechte Scheiter-Künstler. Es geht sogar noch weiter, denn: Ein Clown ohne ein Problem, hat ein Problem.
Humor ist nicht jedem gegeben? Falsch. Jeder kann Humor, Sie müssen es nur üben. Dazu müssen Sie sich allerdings auf eine bewusste Körper- und Emotionserfahrung verlassen können. Humor ist nicht zu verwechseln mit Spaß oder Witz. Gerade, wenn etwas nicht witzig ist, brauchen wir Humor. Er ist übrigens auch keine Geisteshaltung, wie oft behauptet wird. Der Geist steigt sogar als erstes aus, wenn Druck, Probleme und Konflikte eskalieren. Jeder schaltet sozusagen auf Autopilot – das Hirn setzt aus. Wenn nun „allen der Hut hochgeht“, brauchen wir ein stabiles Selbstbewusstsein, um die Probleme nicht persönlich zu nehmen und humorvoll mit einem Augenzwinkern anzugehen. Ich habe ein paar Tipps für Sie, wie Sie mit einfachen Atem- und Körperübungen äußeren Druck, Stress und Konflikte auffangen und humorvoll umleiten.
Ein Clown ohne ein Problem, hat ein Problem.
Michael Stuhlmiller, Clown und Direktor einer Berufsfachschule für ClownsTweet
1. Sie sind ein Mensch, keine Maschine!
Wir stehen ständig unter Strom und haben oft das Gefühl, den Dingen hinterherzulaufen. So vieles muss noch erledigt werden. Wie soll ich all die Termine unter einen Hut kriegen? Wo sind die Lust und Freude am Tun geblieben? Sind wir nur zum Funktionieren da? Eben nicht! Ich empfehle Ihnen: Egal, was Sie tun, packen Sie es spielerisch an.
Eine Übung dazu: Suchen Sie sich einen kleinen Ball oder einen Stein, der genau in Ihre Hand passt. Machen Sie ihn zu Ihrem kleinen persönlichen Spielball, den Sie eine Weile mit sich herumtragen. Er ist ständig dabei – in der Tasche, in der Hand, bei der Arbeit, beim Feierabendprogramm. Platzieren Sie ihn so, dass Sie ihn immer wieder zufällig berühren. Tun Sie damit, was Ihnen Spaß macht: Werfen Sie ihn hoch, lassen Sie ihn hin und her rollen. Finden Sie heraus, wie es sich anfühlt, einer Aufgabe zu folgen, ohne dass der Ablauf bestimmt ist. Vielleicht erfinden Sie sogar Tricks. Aber setzen Sie sich nicht unter Druck – es kommt nicht auf die Artistik an. Entscheidend ist, dass es Ihre Tricks sind. Übertragen Sie dieses Prinzip auf alles, was Sie tun. Denken Sie nicht immer sofort an das Ergebnis. Lassen Sie sich Zeit. Erkunden Sie die Aufgaben und lassen Sie die Inspiration kommen. Machen Sie sich bewusst: Wenn Sie immer gleich funktionieren, passiert nie was Neues.
2. Aller Anfang liegt im Staunen
Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Alles ein alter Hut. Das Leben auf Repeat. Hab ich schon gesehen, gehört, erlebt – kein Wunder, dass Sie denken, das Leben sei langweilig und bestehe aus einer einzigen Wiederholung. Haben Sie schon einmal versucht, die Welt wieder mit der Naivität eines Kindes zu betrachten? Durch die Augen eines Clowns? Entdecken Sie für sich das Staunen wieder. Mit dem Staunen wächst die Wertschätzung des Augenblicks. Es macht Freude und Lust auf Neues. Schauen Sie Altbekanntes aus einem neuen Blickwinkel an und entdecken Sie die Vielfalt um Sie herum. Auf dem Weg durch Ihren Wohnort etwa kommen Sie sich so fast wie ein Tourist vor. Sie entdecken Details, die Sie bisher übersehen haben. Vielleicht spüren Sie dann einmal wieder die Spannung, die Sie als Kind erlebt haben, als alles noch aufregend war und einem Abenteuerroman glich.
3. Wissen macht dumm
Clowns halten es wie Sokrates: Sie wissen, dass sie nichts wissen. Denn: Wer nichts weiß, darf Fragen stellen. Wenn Sie glauben, alles wissen zu müssen, wiederholen Sie jedoch lediglich Ihre Vorurteile. Denn manchmal glauben wir, Dinge zu kennen, die wir in Wahrheit noch nie gesehen oder ausprobiert haben. Die Devise lautet daher: Fragen stellen – wie ein Clown. Aber fragen Sie nicht andere Menschen, sonst bekommen Sie nur deren Vorurteile zu hören. Fragen Sie Ereignisse, Situationen in Ihrem Leben. Mit anderen Worten: Horchen Sie in sich hinein. Was fühlen Sie? Wie geht es Ihnen? Wie sehen Ihre Sinneseindrücke aus? Was riechen, was ertasten und was hören, sehen, schmecken Sie? Solche sinnlichen Eindrücke inspirieren und schaffen neue Perspektiven.
Clowns halten es wie Sokrates: Sie wissen, dass sie nichts wissen.
Michael Stuhlmiller, ClownTweet
4. Drücken Sie mal auf Pause
Während Sie noch mit Ihrem Kollegen reden, gehen Sie schon ans Telefon, dabei wird noch schnell etwas getippt, der nächste Kollege ruft von hinten. Zuhause geht es weiter: Kinder, Partner, Freunde, Familie buhlen um Ihre Aufmerksamkeit und halten wichtige Nachrichten und Aufgaben bereit, während Sie die Bügelwäsche in der einen Hand balancieren und den Kochtopf in der anderen.
Multitasking? Keineswegs! Ich nenne das Überforderung. Dass wir tatsächlich überfordert sind, merken wir, wenn wir den Hörer genervt auflegen, vergessen, was wir eigentlich tun wollten, der Kaffee über den Schreibtisch läuft und wir aus heiterem Himmel im Clinch mit Kollegen, Kind oder Ehemann liegen. Spätestens dann wird es Zeit, eine Pause einzulegen.
Egal, was Sie tun, halten Sie an, schauen Sie genau hin. Atmen Sie durch und bewegen Sie sich erst dann. Ein Beispiel: Sie möchten einen Anruf entgegennehmen. Schauen Sie das Telefon an, lassen Sie es einmal länger klingeln, nähern Sie sich langsam mit der Hand, ergreifen Sie den Hörer ganz bewusst und heben Sie ab. Genießen Sie es für einen Moment, ganz in Ruhe ans Telefon gegangen zu sein. Vielleicht ernten Sie verwirrte oder merkwürdige Blicke: Ignorieren Sie sie. Seien Sie zwischendurch ein bisschen Clown und genießen Sie Ihre Mikropause.
5. Sich selbst beim Sprechen zuhören
Kennen Sie diese Situation: Sie unterhalten sich mit jemandem. Dabei bekommen Sie langsam aber sicher das beklemmende Gefühl, Ihr Gegenüber sitzt Ihnen im übertragenen Sinne fast auf dem Schoß? Je mehr sich der andere beim Sprechen nach vorne neigt, umso mehr weichen Sie zurück. Sie haben den Eindruck, regelrecht überrumpelt oder belagert zu werden.
Das geht auch Kindern häufig so. Während Sie versuchen, Ihrem Kleinen etwas zu erklären, macht er dicht und zieht sich zurück. Keine angenehme Erfahrung – für beide Seiten. Versuchen Sie einmal, sich selbst zuzuhören. Geben Sie alles zur Hälfte nach innen. Der Effekt: Ihr Gegenüber wird Ihnen viel aufmerksamer zuhören und Sie werden sich bei dem Gespräch weniger verausgaben müssen.
Michael Stuhlmiller studierte Jura in Heidelberg, Musik und Kunst in Kassel und zählt heute mit seiner staatlich anerkannten Berufsfachschule für Clowns, Komik und Comedy zu den international renommiertesten Ausbildern für Clownschauspieler und Komiker. Stuhlmiller ist erfolgreicher Theaterunternehmer, Eventmanager und in der Kulturpolitik zu Hause – diese Erfahrungen kombiniert mit seinen Erkenntnissen vom Clown-Sein überträgt er unterhaltsam und zugleich profund auf konkrete Situationen aus dem Alltags- und Berufsleben; als Redner, Universitätsdozent und Schreiber. Sein aktuelles Buch: „Die Kunst des spielerischen Scheiterns – Wahres Selbstvertrauen gewinnen mit der Clownmethode“ ist im Kailash Verlag erschienen.