Wenn innerhalb einer Familie einer dem anderen misstraut, können wichtige Dinge auf der Strecke bleiben. Doch Vertrauen lässt sich auch nicht erzwingen. Was also tun?
Cornelia, 55: Mein verwitweter, vermögender Vater, 87, vertraut keinem seiner Kinder. Wir haben keinerlei Einblick in seine Angelegenheiten. Wie gelingt es mir, mit ihm so wichtige Dinge wie Patientenverfügung, Erbe und anderes zu klären?
Berit Brockhausen: Lassen Sie mich zusammenfassen: 1. Ihr Vater ist vermögend. Das heißt, er denkt geschäftlich, und dafür muss er die eigenen Interessen und die seines Gegenübers im Blick behalten 2. Ihr Vater ist misstrauisch. Damit ist er bislang offenbar gut gefahren. 3. Ihr Vater ist 87 und legt großen Wert auf seine Unabhängigkeit und seine Entscheidungsfreiheit.
Jetzt wollen Sie etwas von ihm, nämlich Klärung und Einblick in seine Verhältnisse. Warum sollte er darauf eingehen? Dass Sie aus liebevoller Fürsorge handeln, nimmt er Ihnen nicht ab. Zwingen lässt er sich nicht. Wenn Sie das Vertrauen dieses misstrauischen Menschen gewinnen wollen, müssen Sie sich in ihn hineinversetzen und deutlich machen, was Sie anbieten. Und was Sie dafür im Gegenzug erwarten. Denn er rechnet damit, dass Sie etwas von ihm wollen, und er wird Sie nicht ernst nehmen, solange Sie nur darum bitten.
"Vater, es ist deine Entscheidung, mich aus deinen Angelegenheiten rauszuhalten. Ich werde das respektieren. Aber bitte sei dir im Klaren, dass ich im Notfall nichts regeln kann, wenn wir Fragen wie Patientenverfügung und anderes nicht klären. Bitte versteh, dass ich für Notfälle nicht zur Verfügung stehen kann, wenn du so deutlich machst, dass du mich nicht einbeziehen willst."
Ich weiß, das ist sehr schwer. Möglicherweise wird Ihr Vater wütend. Oder ignoriert Sie. Rechnen Sie damit, dass er im Extremfall versuchen wird, Ihren "Preis zu drücken". Oder wenigstens testet, ob Sie das ernst meinen. Wie kann er sonst wissen, ob Sie vertrauenswürdig sind? Wenn Sie auf Zuruf trotzdem für ihn da sind, sind Sie keine ernst zu nehmende Geschäftspartnerin. Bleiben Sie konsequent. Genau das wird Sie für diesen misstrauischen Menschen vertrauenswürdig machen. Auch wenn es Ihnen das Herz zerreißt, weil Sie sich eine andere Beziehung zu Ihrem Vater wünschen.
Berit Brockhausen ist eine der führenden Psychologinnen Deutschlands, Expertin für Beziehungen und Buchautorin. Egal ob Sie Fragen zu Liebe, Familie, Freunden oder Nachbarn haben – hier bekommen Sie eine Antwort.