Franziska Rülke ist 35, Single und kinderlos. Eigentlich war das mal anders geplant. Aber ist der Zug wirklich schon abgefahren, was Kinderkriegen angeht?
"Dieser gutaussehende Mann da mit dem Kind auf dem Arm, der so lässig den Kinderwagen schiebt, das könnte meiner sein." "Isser aber nicht" gibt mein Leben flapsig zurück. Wir stehen am Bahnhof des Lebens, weil ich mich mal nach den Reisemöglichkeiten mit der Destination Kinder erkundigen will. Ich habe nämlich das Gefühl, der Zug ist schon abgefahren. "Da kommt schon noch einer" sagt mein Leben, "dein Zug hat einfach Verspätung." "Aber was ist, wenn er erst in 5 Jahren kommt? Will ich dann noch mitfahren? Mit 40? Und wer weiß, ob dann mein Ticket überhaupt noch gilt." Darauf kann ich mich also nicht verlassen. Außerdem fehlt mir ja sowieso noch die passende Reisebegleitung. Ich schaue mein Leben an: "Das war eigentlich deine Aufgabe, sich darum zu kümmern." Mein Leben weicht aus "Ich hatte halt einfach so viel anderes zu tun. Aber wir können ja mal in der Bahnhofshalle schauen, vielleicht wartet da auch jemand auf seinen Zug."
Auf der Suche nach der passenden Reisebegleitung
Super, mein Leben stellt sich das immer alles so einfach vor. Ich frage mich, ob ich jetzt alle meine Energien in das Auftreiben einer passablen Reisebegleitung stecken soll, inklusive Annoncen in Zeitschriften und Internet, bloß weil ich unbedingt diesen einen Zug nehmen will. Und selbst wenn ich eine Reisebegleitung finde, dann will ich doch erst noch eine Weile mit ihr, also ihm, am Gleis stehen und rumknutschen und ein bisschen Backpacking machen, um zu testen, ob wir für eine solche lange Zugfahrt überhaupt geeignet sind. Nur, wie soll man das in Ruhe genießen, wenn hinter einem dieser Zug steht und aus den Lautsprechern eine warnende Stimme ruft: Achtung, Türen schließen!
Alternative Reisemöglichkeiten: Singlereisen
Aber eigentlich muss ich mir darum gar keine Gedanken machen, denn wie ich das einschätze, hat mein Leben den Punkt "Finden einer Reisebegleitung" nicht auf der Prioritätenliste. Also muss ich mich nach alternativen Reisemöglichkeiten umschauen, Singlereisen sozusagen. Die Dame an der Auskunft muss gar nicht lange suchen. Offensichtlich bin ich nicht die erste Alleinreisende mit diesem Reiseziel. "Der schnellste und unkomplizierteste Weg wäre über die Samenbank" sagt sie routiniert. "Jetzt bleib aber mal sachlich!" platzt mein Leben heraus. "Wieso, das ist doch naheliegend" gebe ich zurück, aber mein Leben sieht das anders. "Dann können wir ja gleich per Anhalter fahren. Da weißt du auch nicht, wer anhält." "Naja, bei der Samenbank kann ich ja schon gewisse Wünsche zum Fahrzeug äußern" sage ich. "Prima" sagt mein Leben, "Dann kriegst du vielleicht einen vollgetankten Wagen in Rot, aber wer weiß, was der für Leichen im Kofferraum hat. Und außerdem sind wir für die ganze Reise auf uns allein gestellt. Keiner da, mit dem man sich beim Fahren abwechseln kann." Hm, stimmt. Klingt nicht so prickelnd.
Sonderzug: Adoption
"Wie wäre es mit Adoption?" frage ich die Dame am Schalter. Doch die schüttelt den Kopf "Tut mir leid. Das ist ein Sonderzug, da dürfen nur Ehepaare mitfahren. Als Single haben Sie da keinen Zutritt. Und selbst wenn sie noch einen Partner finden, die Wartezeit für solche Tickets ist sehr lang." "Kannste streichen" sagt mein Leben.
Pflegekinder auch als Single
"Es gäbe noch die Möglichkeit eines Leihwagens" schiebt die Dame hinterher, "ein Pflegekind bekommen Sie auch als Single. Dafür brauchen Sie nur eine extra Portion Engagement und Nerven." Wir überlegen. Leihwagen haben ja oft schon ein paar Macken. Und eigentlich muss man sie irgendwann wieder abgeben. Das müsste man sich nochmal genau überlegen.
Ich sehe schon, die Reise "Eigene Kinder" wird wegen zu geringer Teilnehmerzahl abgesagt und die Alternativangebote sprechen mich nicht wirklich an. Bleibt also nur: weiterhin alleine verreisen und schlimmstenfalls als schrullige Alte zu enden, die sich über die zu lauten Blagen im Abteil aufregt. "Soweit darf es nicht kommen" bitte ich mein Leben und denke darüber nach, wie es ist, alle Freiheiten zu haben, aber eben auch niemanden, der einen an Weihnachten besucht, wenn man alt ist. "Kinder zu haben heißt nicht, dass sie einen an Weihnachten besuchen" wendet mein Leben ein. Da hat es recht.
Oder doch eine Fahrgemeinschaft?
"Ich hätte da noch ein Sonderangebot", unterbricht die Dame unsere Gedanken, "das Freunde-Ticket. Da können Sie mitnehmen, wen sie wollen. Eine Art Fahrgemeinschaft. Das ist gerade sehr beliebt bei Alleinstehenden mit demselben Reiseziel." Klingt interessant. "Und Sie haben nicht den Druck, auf den perfekten Reisepartner zu warten, der sich auf halber Strecke dann doch als suboptimal herausstellt." Vielleicht ist es tatsächlich einfacher, ein Kind zu erziehen, wenn man sich nicht gleichzeitig noch darum kümmern muss, die große Liebe aufrecht zu erhalten. Aber bei Fahrgemeinschaften weiß man auch nicht, ob nicht einer zwischendurch aussteigt oder die Richtung ändert.
"Also mich überzeugt das alles nicht" sagt mein Leben schließlich und fragt "Müssen wir das jetzt entscheiden?" "Naja, wie du siehst sind alle Angebote nur eine bestimmte Zeit gültig. Also entweder wir steigen irgendwo ein oder wir bleiben hier" antworte ich. "Hm. Du scheinst mir aber jetzt auch nicht um jeden Preis diese Reise antreten zu wollen" liest mein Leben aus mir heraus. Völlig richtig. "Also warum lassen wir den Dingen nicht ihren Lauf und schauen uns schon mal nach Reisezielen um, bei denen "Windeln wechseln" und "Spielplatz" nicht auf dem Programm stehen, die aber vielleicht auch ganz nett sind." "Hilft ja nix" sage ich, "ich wollte ja auch nur mal sichergehen, dass ich alle Reisemöglichkeiten bedacht habe. Aber erzwingen will ich auch nichts." "Es wird trotzdem lustig. Wir haben ja uns. Lass mich nur mal kurz einen Blick in die Bahnhofshalle werfen."
Noch mehr von unserer neuen Kolumnistin Franziska Rülke gibt es auf ihrem Blog zu lesen. Der heißt kontrolliertes Chaos und ist hier zu finden: kontrollierteschaos.com