Wie eine junge Frau den Hamburgern nach dem G20-Gipfel das Vertrauen in die Gemeinschaft zurückgab
Die Hamburgerin Rebecca Lunderup hatte nach den Krawallen des G20-Wochenendes über Facebook zu einer gemeinschaftlichen Putzaktion aufgerufen: "Hamburg räumt auf". Die 22-Jährige wollte ein Zeichen gegen Gewalt und Zerstörung setzen. Daraufhin strömten rund 10.000 Menschen mit Eimern, Putzmitteln und Besen in die verwüsteten Gebiete zwischen Eimsbüttel, St. Pauli und Altona, um die Straßen von Ruß und Schutt zu befreien. Diese Aktion hat das "Wir-Gefühl" in der Hansestadt gestärkt. Rebecca Lunderup erzählt uns, warum es so guttut, die Initiative zu ergreifen.
EMOTION: Beim G20-Gipfel hast du die Polizei kontaktiert, wie du helfen kannst, war die Antwort: zu Hause bleiben. Du hast das Gegenteil getan: die Menschen aufgerufen aus ihren verbarrikadierten Häusern zu kommen und sich gemeinsam für ihre Stadt starkzumachen. Wann wusstest du: Ich muss etwas tun?
Rebecca Lunderup: Ich bin tatsächlich Freitag und Samstag zu Haus geblieben, aber mich hat der Gedanke nicht losgelassen, dass es irgendeinen Weg geben muss zu helfen. Als ich dann das Chaos gesehen habe, ist mir die Idee gekommen, eine gemeinsame Aufräum-Aktion zu organisieren.
Mit was für einer Reaktion hast du gerechnet, nachdem du die Facebook-Gruppe gegründet hattest?
Ich weiß nicht wie viele Kommentare ich bei Facebook gelesen habe: "Das ist alles so schrecklich! Wie können wir bloß helfen?" Ich habe eine Möglichkeit gesucht, etwas zu tun und nicht tatenlos zusehen zu müssen, was da mit unserer wunderschönen Stadt passiert. Mein Plan war, Freunde und Familie dazuzuholen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass tatsächlich 10.000 Menschen kommen.
Wie hat sich diese Gruppendynamik angefühlt, die du da losgetreten hast?
Wenn ich an den Moment zurückdenke, als ich mitten in der Schanze stand und ich all diese Menschen um mich herum gesehen habe, dann bekomme ich immer noch Gänsehaut. Es war fast wie ein Fest. Überall Familien mit kleinen Kindern, ältere Leute, aber auch ganz viele junge, Leute vom Islamischen Zentrum – eine total bunte Mischung. Ein Vater hat mir später erzählt, er hätte nach den Krawallen nicht mehr in die Schanze gehen wollen, aber nachdem er von der Aktion gelesen hatte, hätte das Gemeinschaftsgefühl ihn und seine Familie mitgerissen. Alle haben sich fröhlich unterhalten, es wurde Musik gemacht, gegessen und dabei aufgeräumt. Man hatte das Gefühl, man putzt einfach alles weg, was die letzten Tage passiert war – all die Anspannung und die Hilflosigkeit. Endlich konnten wir zeigen: So ist Hamburg wirklich!
Was hat dir den Mut gegeben, die Initiative zu ergreifen?
Viele schimpfen auf die Politiker und sagen: Damit sind wir unzufrieden. Aber ich denke, sich nur zu beschweren bringt nichts. Man muss etwas tun, damit sich etwas ändert!
Hat sich etwas für dich verändert, wenn du heute durch die Straßen von Hamburg läufst?
Ich fühle mich tatsächlich noch verbundener mit meiner Heimatstadt. Und auch wenn ich vorher schon politisch interessiert war, haben die Gespräche mit den Politikern, die ich im Anschluss führen konnte, dazu beigetragen, dass ich mich nun noch mehr dafür interessiere, was man tun kann, um etwas zur Gemeinschaft beizutragen.
Was würdest du Menschen raten, die in Zukunft etwas bewegen wollen?
Ich habe auf mein Bauchgefühl gehört. Nachdem so viel passiert war, in so unmittelbarer Nähe, habe ich gemerkt, dass ich etwas tun muss. Wenn man so empfindet, sollte man anfangen, mit Freunden und Familie zu reden. Sich die Menschen, die einem nahestehen, ins Boot holen. Darüber sprechen, was passiert ist, wie es einem geht und dann versuchen einen Lösungsweg zu finden. Und ich glaube, man sollte so etwas nicht versuchen allein anzugehen. Gemeinsam ist es leichter sich gegenseitig Mut zu machen und dann auch wirklich anzupacken.
Du hast unter deinen Post bei Facebook ausdrücklich geschrieben: Das ist keine politische Veranstaltung. Warum war dir das wichtig?
Weil es nicht um Politik ging. Es war jeder herzlich eingeladen. Ganz egal welcher Herkunft, welchen Alters, welcher politischen Einstellung, einfach jeder, der etwas beitragen wollte. Und so haben sogar Leute aus Bremen und anderen Städten Fahrgemeinschaften gegründet und sind angereist, um zu helfen. Unglaublich toll!
Würdest du solch eine Aktion wieder organisieren?
Meine Hemmschwelle, die Initiative zu ergreifen, ist auf jeden Fall gesunken. Und auch, wenn ich glaube, dass es schwierig wird, noch einmal so eine großartige Aktion zu starten, habe ich damit eine Community von Menschen gegründet, von denen ich weiß, dass sie bereit sind zu helfen. Das ist ganz viel wert. Nicht nur für mich, sondern für alle, die in Zukunft nicht mehr tatenlos zusehen wollen. So ein Erlebnis verbindet ungemein und zeigt, was in so einer bedrohlichen Situation wirklich von Bedeutung ist: der Zusammenhalt.