Unsere Kolumnistin Franziska Rülke muss sich entscheiden. Auf welcher Welle des Lebens kann sie reiten, oder wäre es nicht bequemer dem Meer des Lebens vom Strand aus zuzusehen?
Ich habe einen Surfkurs gebucht und warte gerade auf meinen Surflehrer, der mir erklären soll, wie man auf dem Meer des Lebens richtig wellenreitet. Denn das Leben ist ein Ozean. Wir können darin untergehen. Oder wir können auf den Wellen tanzen. Aber wir müssen uns hineinstürzen.
Meine erste Begegnung mit dem Meer des Lebens
Ich denke zurück an meine erste Begegnung mit diesem Meer. Als Baby habe ich auf allen Vieren am sicheren Strand geplanscht, da war das Wasser noch türkis und kristallklar und die Wellen nur weicher Schaum. Das Schlimmste, was mir passieren konnte, war, dass meine Windel auch von außen nass wurde. Dann, als ich laufen konnte, habe ich wagemutig die ersten Schritte hinein ins Wasser getan und gejauchzt, als mir das Leben in kleinen Wellen an den Bauch klatschte. An den Tropfen, die mir ins Gesicht spritzten, merkte ich zum ersten Mal, dass dieses Wasser ziemlich salzig ist, aber es kümmerte mich nicht weiter. Vor den größeren Wellen bin ich fröhlich kreischend davongelaufen oder meine Eltern haben mich über sie hinweg fliegen lassen.
Je größer ich wurde, desto größer wurden auch die Wellen. Das Meer wurde unruhiger. Da bekam ich zum ersten Mal ein Brett unter den Bauch geklemmt und durfte unter Begleitschutz von Papa und Mama weiter hinein in die Fluten. Meine Eltern haben für mich die guten Wellen ausgesucht, sie haben mich im richtigen Moment angeschoben und dann bin ich stolz auf meinen ersten eigenen sanften Wellen dahingeglitten. So machte das Leben Spaß!
Ab jetzt entscheide ich, welche Welle ich nehme
Aber nun ist die Schonzeit vorbei. Das Wasser zeigt sich immer öfter aufgewühlt und undurchsichtig, es fordert mich heraus. Jetzt ist es an der Zeit, dass ich mich weiter hinaus traue. Hinaus zu den echten Wellen.
“Ab jetzt musst du allein entscheiden, welche Welle du nimmst.“ Mein Surflehrer steht plötzlich hinter mir und drückt mir ein solides Brett in die Hand (wobei ich ehrlichgesagt mehr an seinem Brett von Bauch interessiert bin). Dann erklärt er mir die Grundlagen, wie man sich auf dem Meer des Lebens richtig bewegt: “Du musst das Wasser immer im Blick haben, um deine Welle rechtzeitig zu erkennen. Und wenn du glaubst, eine gute Welle entdeckt zu haben, dann musst du anfangen zu paddeln, denn die Welle wartet nicht auf dich. Selbst wenn die Welle dich trägt und du in einem Hochgefühl auf ihr reitest, weißt du nie genau, wohin dich diese Welle bringen wird. Manche tragen dich sehr weit, manche sind nur kurz, andere zu hoch und einige schlagen über dir zusammen. Lass dich nicht entmutigen und paddel wieder hinaus, warte auf die nächste Welle und beginne von vorn. Aber warte nicht auf die perfekte Welle. Denn du weißt vorher nie, welche Welle sich zu einer perfekten Welle entwickeln wird. Nutze weniger gute Wellen einfach zum Üben. Jede Welle lehrt dich etwas und hilft dir, aus der nächsten noch mehr herauszuholen.“
Stell dich den Wellen! Und hör niemals auf zu paddeln!
Franziska RülkeTweet
Das klingt alles sehr anstrengend, denke ich. Als ob er meine Gedanken gelesen hat, fügt mein Surflehrer hinzu: “Natürlich kannst du dich auch ewig treiben lassen, das ist bequem und kostet dich keine Energie. Aber dann wirst du irgendwann stranden und musst umso mehr Kraft aufbringen, wieder hinaus zu paddeln.“ “Sehe ich das richtig, dass einfach am Strand sitzenzubleiben also keine Option ist?“, frage ich vorsichtig. “Doch, das ist die Option für Feiglinge, die nichts erleben wollen. Die, die sich mit Kleckerburgen zufrieden geben. Oder die, die starr eingebuddelt darauf warten, bis es vorbei ist.“ “Naja“, sage ich, “ein bisschen Abenteuer hätte ich schon gern.“ Mein Surflehrer fährt fort: “Es wird auch Zeiten geben, in denen lange keine Welle kommt und du auf deinem Brett scheinbar sinnlos vor dich hin dümpelst. Sei geduldig. Verliere nicht den Mut. Nutze die Zeit, um Kraft zu sammeln und dich zu orientieren. Denn es wird wieder eine Welle kommen. Und dann ist es besser du bist bereit zum Paddeln.“
Ich schaue auf das Meer vor mir und bin fest entschlossen, es zu zähmen. “Das Meer ist nicht dein Gegner“, bemerkt mein Lehrer in diesem Moment, “es ist dein Freund. Es kommt nur darauf an, dass ihr auf der gleichen Wellenlänge seid.“ Na gut. “Und jetzt rein mit dir ins Leben!“ Ich klemme mir mein Brett unter den Arm und marschiere geradewegs auf das Wasser zu. “Stell dich den Wellen! Und hör niemals auf zu paddeln!“
Noch mehr von unserer Kolumnistin Franziska Rülke gibt es auf ihrem Blog zu lesen. Der heißt "Kontrolliertes Chaos" und ist hier zu finden: kontrollierteschaos.com. Und Sie können jetzt auch Fan auf Facebook von ihr werden.