Anfang des Jahres bekam unser Kolumnist eine Nachricht aus der Vergangenheit. Und plötzlich war alles wieder da, die Unsicherheit und Peinlichkeiten der Jugend ...
Der Name sagte mir nichts, und ich musste erst ein paar Zeilen der E-Mail lesen, bis es mich traf. "Ich habe dich im Internet gefunden", schrieb der Geist aus der Vergangenheit, "erinnerst du dich an mich?" Und natürlich erinnerte ich mich. Sie war meine erste echte Freundin. Wir waren mehr als drei Jahre zusammen, seit wir 15 waren.
Das ist lange her. Sie ist seit vielen Jahren verheiratet, Mutter von drei Kindern und lebt am anderen Ende der Welt, an einem Ort, an dem immer die Sonne scheint. "Natürlich erinnere ich mich", schreibe ich ihr, "und in meiner Erinnerung ist jeder Moment warm und wild und aufregend".
Und das ist die Wahrheit. Vielleicht hat das Vierteljahrhundert dazwischen einen leichten Filter über die Bilder in meinem Kopf gelegt, aber was auf ihnen zu sehen ist, das ist trotzdem passiert. "Es ist lustig, dass du das sagst", kommt zurück, "denn in meiner Erinnerung war ich unsicher und furchtbar und bin mir bis heute peinlich. Ich weiß nicht, wie du mich ausgehalten hast." – "Oh", antworte ich, "das stimmt alles. Bis auf ein Detail: Du verwechselst uns. Das war ich."
Und auf einmal sind sie da. Die ganzen Peinlichkeiten. "Weißt du noch", schreibt sie, "unsere Fahrt in die Schweiz? Ich kam mir so erwachsen vor. Es war so lächerlich." Wir waren mit Freunden in die Berge gefahren. Die Eltern des einen hatten dort ein Chalet, im Schatten der Jungfrau, was ein Berg ist und gleichzeitig eine Metapher.
Beim Frühstück wurden Witze darüber gemacht, wie laut wir nachts im Bett waren, und bei aller grinsender, rotwangiger Scham kamen wir uns so groß vor, weil wir so selbstverständlich Sex hatten und alle es wussten. Wir fühlten uns gemeinsam nach großer weiter Welt. Aber jeder für sich – das wird mir erst heute klar – doch eher verunsichert. Wenn ich daran denke, was und wer ich damals war, will ich mich am liebsten bei allen Frauen entschuldigen, die mir erlaubt haben, ihnen nah zu sein – aber vor allem bei ihr, dieser einen.
In meiner Erinnerung war ich ein wollüstiger Nerd, dessen Bild vom Körper einer Frau vor allem von den Fotos nackter Frauen in den zerfledderten Ausgaben des "Playboy" geprägt war, die wir auf Klassenreisen herumgegeben haben. Das war zu einer Zeit, als das Intimste auf den Bildern noch war, wenn ihr Schamhaar zu sehen war, und wie wahrscheinlich alle Jungs meiner Generation war ich konditioniert auf diese Haare, sodass wir wahrscheinlich alle vier Zentimeter zu weit oben mit der zittrigen Suche begannen, wenn wir – endlich – eine Frau berühren durften. Ich zumindest. Es tut mir so leid, dass sie das ertragen musste. "Du warst nicht lächerlich", schrieb ich ihr zurück, "du warst zauberhaft und sexy." Was ich nicht geschrieben habe, obwohl ich es hätte tun sollen, war: "Und ich danke dem Universum, dass es dich gab."
Sie hat nicht mehr geantwortet. Vielleicht war es das, was sie hören wollte. Ich wäre froh, wenn es so wäre. Endlich etwas Sicherheit. Denn damals fing das Leben mit seinen großen Missverständnissen für uns beide ja erst an.
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