In Deutschland leiden circa zehn bis 15 Prozent an einer Form der Angststörung. Frauen sind doppelt so häufig betroffen. Damit zählen Angststörungen zu den häufigsten seelischen Erkrankungen.
Wir haben mit Dr. Markus J. Pausch, ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Sven J. Matten, Coach und Leiter der Filmproduktionsunternehmen Paradigma Entertainment in München, über das Thema Angststörung gesprochen. Wann leidet jemand unter Angststörungen, was kann man tun und wann sollte man sich professionelle Hilfe suchen – alle diese Fragen haben uns die beiden Experten beantwortet.
EMOTION.DE: Warum haben wir Menschen überhaupt Angst? Ist Angst per se etwas Negatives?
Angst gehört zur menschlichen Existenz, gehört zum Leben und jeder kennt dieses Gefühl. Und erstmal ist Angst ein ganz wichtiges, ja sogar überlebenswichtiges Gefühl. Sie hilft uns, Gefahren zu erkennen, sie hilft uns dabei, uns weiterzuentwickeln. Evolutionsbiologisch waren die Menschen, die Angst empfinden konnten klar im Vorteil, denn sie konnten zum Teil lebensgefährlichen Gefahren aus dem Weg gehen, bzw. besser mit ihnen umgehen. Diese Signalfunktion hat die Angst bis heute.
Gibt es auch positive Aspekte der Angst? Und wie viel Angst ist "normal"?
Wenn Sie beispielsweise mit dem Auto unterwegs sind und es ist viel Verkehr, fahren Sie deshalb langsamer und vorsichtiger, gerade weil Sie Angst haben, es könnte ein Unfall passieren. Hätten Sie in dieser Situation keine Angst, würden Sie sich evtl. in Lebensgefahr begeben.
Erst wenn die Angst unangemessen auftritt, also zu stark und zu häufig, der Situation nicht angemessen, wird sie zu etwas Negativem, wird sie zu einer Angststörung.
Wie wird eine Angststörung eigentlich definiert?
Es wird zunächst zwischen situationsabhängigen und situationsunabhängigen Angststörungen unterschieden.
Die situationsabhängigen Angststörungen werden auch phobische Angststörungen genannt und zu ihnen zählt die Agoraphobie ("Platzangst"), die soziale Phobie und die isolierten Phobien, also Ängste vor ganz bestimmten Gegenständen oder Situationen, z.B. Spinnenphobie. Zu den situationsunabhängigen Angststörungen gehören die Panikstörung und die generalisierte Angststörung. Panikattacken selbst, also anfallsartige Angstzustände mit Herzrasen, Schwitzen, Todesangst, können sowohl isoliert als Panikstörung auftreten, als auch als Symptom, bei allen anderen Angststörungen.
Wie viele Menschen mit Angststörungen gibt es in Deutschland?
Aktuell muss man davon ausgehen, dass in Deutschland ca. zehn bis 15 Prozent an einer Form der Angststörung leiden. Frauen sind circa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Damit zählen die Angststörungen zu den häufigsten seelischen Erkrankungen.
Gibt es bestimmte Risikofaktoren, die dazu führen, dass man eine Angststörung erleidet?
Es gibt mehrere Faktoren, die eine Angststörung begünstigen. Einige davon sind zum Beispiel Erziehung, Umgang der Eltern oder Bezugspersonen mit Angst, traumatische Erfahrungen, aber auch Umwelteinflüsse, (psychische) Krankheiten und die Gene. In Zwillingsstudien zeigte sich, dass Angststörungen zu 30 bis 70 Prozent vererbt sind.
Ist Angst, bzw. eine Angststörung heute immer noch ein Tabuthema?
Leider ja. Angst und ganz besonders die Angststörungen haben keinen sehr guten Ruf. Insbesondere für Personen in gesellschaftlich wie öffentlich exponierten Stellungen kann das sehr schwierig sein, zu handhaben. Ein Thema, auf das wir ganz speziell in unserem Ratgeber eingehen.
Kann man seine Angst überwinden, bzw. sie steuern? Kann man sogar angstfrei werden?
Ein Leben ganz ohne Angst ist nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Man kann aber lernen mit seiner Angst besser umzugehen und sie besser zu steuern. Und manchmal wird man eine bestimmte Angst auch ganz los, das gelingt beispielsweise bei der Behandlung von isolierten Phobien.
Wann sollte man sich professionelle Hilfe holen?
Immer dann, wenn man sich in seiner individuellen Handlungsfähigkeit eingeschränkt fühlt durch die Angst, sie also zu einem Leidensdruck wird. Professionelle Hilfe bedeutet aber nicht gleichzeitig, eine Therapie zu machen.
Wie gut sind die Chancen auf Heilung?
Der Erfolg einer Behandlung ist abhängig von der jeweiligen Angststörung. Bei einer guten Behandlung – häufig ist das eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung – können bei ungefähr 75 Prozent aller Angstpatienten die Symptome wesentlich verbessert werden. Auch im Rahmen unserer eigenen Plattform "phocamento" (www.phocamento.com), mit der wir uns insbesondere auf das Coaching von betroffenen Personen in Management und Öffentlichkeit fokussieren, haben wir zudem auch immer wieder Klienten, die nach entsprechender professioneller Begleitung mittelfristig völlig frei von Symptomen sind.
Was ist der erste Rat, den Sie jemandem mit einer Angststörung geben?
Hören Sie auf, sich zu schämen. Packen Sie es an! Lassen Sie Ihr Leben insbesondere nicht von der Angst vor der Angst bestimmen.
Dr. Markus J. Pausch, ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und als Dozent am Traumatherapiezentrum des kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost tätig.
Sven J. Matten, leitet das Filmproduktionsunternehmen Paradigma Entertainment in München sowie den Energieversorger Ventusolar Inc. in Kanada und coacht zusammen mit Dr. Markus J. Pausch im Rahmen der Plattform "phocamento" Persönlichkeiten im internationalen Management mit Schwerpunkt auf Medien und Öffentlichkeit an den Standorten München und Toronto.