Ewig lange auf eine feste Beziehung warten, und wenn sie dann plötzlich vor der Tür steht, Angst sie reinzulassen? So geht es auch unserer Kolumnistin Franziska Rülke
"Da steht eine Beziehung vor der Tür", sagte mein Leben nüchtern kurz nachdem es geklingelt hatte. “Sie will zu dir." "Zu mir?", ich schluckte. "Soll ich sie reinlassen?", fragte mein Leben, als es meinen ungläubigen Gesichtsausdruck sah. “Was will sie denn?", fragte ich skeptisch. “Naja, sie hat Gepäck dabei, sagt sie möchte länger bleiben. Ich glaube, sie meint es ernst." Ich blieb regungslos sitzen und starrte mein Leben an. "Eine echte Beziehung?", meine Stimme klang brüchig. "Jaaaa?!", sagte mein Leben langgezogen, als verstehe es die Frage nicht, "Du tust ja gerade so als würde der Papst vor der Tür stehen." "Das wäre mir lieber", sagte ich und meinte es so.
“Äh, Moment mal“, mein Leben hakte nach, "jahrelang hoffst du darauf, dass auch zu dir mal eine Beziehung kommt, verfluchst die Affären dafür, dass sie nie lange bleiben und malst dir aus, wie schön es wäre, eine dauerhafte Beziehung im Haus zu haben. Nun steht eine vor der Tür und da willst du sie nicht reinlassen? Muss ich das verstehen?" "Naja, nicht reinlassen, so würd' ich das jetzt nicht sagen." "Soll sie im Hausflur übernachten, oder wie?" "Nein, aber das kommt jetzt schon sehr plötzlich.“ “Ach, sie hätte erst um eine Audienz bitten müssen! Um frühzeitige Anmeldung wird gebeten." "Nein, also...“, ich druckste herum. "Wo ist dann bitte das Problem?", fragte mein Leben verständnislos. “Na man weiß doch nicht, was man sich da so ins Haus holt“, versuchte ich zu erklären und legte meine Stirn in Falten, “Ich meine, vielleicht verwüstet sie ja nach kurzer Zeit die Wohnung, klaut etwas und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Und hinterlässt dann nichts als ihre dreckigen Fußspuren auf meinem Teppich.“ “Ja“, bestätigte mein Leben, “oder sie sorgt für einen Tapetenwechsel, stellt einen Strauß Blumen hin und bringt endlich frischen Wind in die Bude.“ “Aber das kann mir ja keiner garantieren“, gab ich zu Bedenken. “Nun, vielleicht solltest du vorher ein polizeiliches Führungszeugnis einholen und, um ganz sicher zu gehen, eine Wahrsagerin befragen.“ Ich wich dem süffisanten Blick aus, den mein Leben mir zuwarf.
Die Angst vor dem Beziehungs-Aus
“Es muss nicht immer alles in Katastrophen enden, weißt du“, schob mein Leben nun etwas sanfter hinterher, “es könnte durchaus sein, dass es gut geht.“ "Aber das ist selten.“, sagte ich, “Schau dich doch um, überall Trennungen, Scheidungen, Kriege.“ Die Sorgenfalte auf meiner Stirn nahm beachtliche Ausmaße an, “selbst Brangelina sind nicht mehr zusammen.“ "Aber Tim und Struppi sind es noch“, konterte mein Leben, “und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass diese Beziehung nicht stubenrein ist, kannst du sie immernoch vor die Tür setzen.“ “Aber genau das will ich ja vermeiden“, rief ich, “ich will nicht scheitern!“ Mein Leben sah mich ernst an: “Du willst es also gar nicht erst probieren, nur, um nicht zu versagen? Interessante Einstellung. Aber dann heul nicht rum, wenn du das nächste Mal in der Bahn ein knutschendes Pärchen siehst.“ Wir schwiegen. Aus dem merkwürdigen Gefühl heraus, mich irgendwie rechtfertigen zu müssen, schob ich ein weiteres Argument hinterher: “Außerdem habe ich doch sowieso keine Zeit für eine Beziehung, wo soll ich die denn noch unterbringen?“ “Nee, verstehe“, sagte mein Leben und zeigte auf die Tür, “dann schick ich sie jetzt also wieder weg?“ Ich nickte unmerklich. Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem leicht enttäuschten 'Na gut, du wirst schon wissen, was du tust' im Blick dreht sich mein Leben um.
"Warte!", irgendein innerer Impuls ließ mich aufspringen. "Ich weiß doch gar nicht, wie ich sie empfangen soll“, stotterte ich. “Wie wär's mit einem Glas Wasser und was zum Knabbern“, schlug mein Leben vor, "der Rest ergibt sich. Vertrau mir.“ “Lieber Wein“, sagte ich und lief hektisch zum Kühlschrank. Mit einer Pulle Weißwein bewaffnet stand ich im Raum, strich mir kurz durchs Haar, richtete meine Kleidung und atmete tief durch: "Na gut, dann mal los.“ “Das wird schon“, beruhigte mein Leben mich, "aber tu mir bitte einen Gefallen, gib ihr eine Chance und verprell' sie nicht gleich, ok?“ Ich zog einen Mundwinkel nach oben um zu signalisieren, dass ich für nichts garantieren konnte. Dann öffnete mein Leben die Tür.
Wie sie da so stand, diese Beziehung, sah sie immerhin recht vielversprechend aus. Ja sogar ansprechend. Sie war ordentlich gekleidet und roch gut. Und Manieren hatte sie auch. “Ich will mich gar nicht aufdrängen", sagte sie gleich als erstes, "ich meine, ich bin auch nicht perfekt und habe sicher einige Macken, aber ich würde es gerne mal probieren.“ Das beruhigte meine flatternden Nerven schon etwas. "Ja dann komm doch erstmal rein", sagte ich höflich und tat das Undenkbare: Ich ließ eine Beziehung zur Tür herein.
Die anfängliche Achterbahn der Gefühle
Und damit auch das Chaos. Plötzlich saß ich ganz vorne in der Emotions-Achterbahn und schlitterte von Hochgefühlen direkt in panische Abgründe und wieder zurück. Bauchkribbeln und Magenkrämpfe waren nicht mehr auseinanderzuhalten. Nachts lag ich hellwach, der ganze Körper in Alarmbereitschaft, und das nur, weil plötzlich jemand neben mir schlief, der vorhatte zu bleiben. Tagsüber erwischte ich mich dabei, wie ich die Beziehung nach Anzeichen für Fehlerhaftigkeit scannte: die falschen Schuhe, eine unpassende Geste, eine komische Bemerkung. “Siehst du, das passt nicht“, sagte ich dann zu meinem Leben und listete die Dinge auf, die nicht mit meiner Anforderungsliste übereinstimmten. Mein Leben lachte spöttisch und zog aus seinem Ärmel eine Schriftrolle, die sich bis auf den Boden entrollte. “Siehst du, das passt“, grinste es mich an, während ich die Aufzählung all der Punkte las, die sehr wohl in meiner Anforderungsliste standen. Plus unzähliger positiver Add-ons. “Vielleicht solltest du deinen Fokus mal etwas anders setzen“, sagte mein Leben, “jedenfalls reicht deine lächerliche Liste nicht für eine Verbannung dieser Beziehung. Ich sehe keine 'unüberbrückbaren Differenzen'. Du solltest lieber zusehen, dass du dich mit ihr arrangierst, ich glaub' nämlich, die hat's echt drauf.“ Mit diesen Worten drückte mir mein Leben die Schriftrolle in die Hand und empfahl sich.
Eingeschüchtert schielte ich auf das seidenmatte Papier. Jeder der schnörkellos geschriebenen Punkte schien mir mit Unschuldsmiene zu sagen: 'Dagegen ist tatsächlich nichts einzuwenden'. Ich blickte auf die erbärmliche Liste in meiner anderen Hand. Und zerknüllte sie.
"Ähm, da steht schon wieder diese Beziehung vor der Tür", sagte mein Leben vorsichtig, "ich nehme an, ich soll sie nicht reinlassen?" "Nein", antwortete ich ernst und fügte grinsend hinzu: "sie hat einen Schlüssel."
Noch mehr von unserer Kolumnistin Franziska Rülke gibt es auf ihrem Blog zu lesen. Der heißt "Kontrolliertes Chaos" und ist hier zu finden: kontrollierteschaos.com. Und Sie können jetzt auch Fan auf Facebook von ihr werden.