Other Nature in Berlin Kreuzberg ist kein klassischer Sexshop. Vielmehr ist er mit seinen Workshops, feministischen Pornos und veganen Sortiment etwas Besonderes – erzählt uns Mitarbeiterin Tamara Ries
EMOTION.DE: Was unterscheidet euch von gängigen Sexshops?
Tamara Ries: Auf den ersten Blick mit Sicherheit die offene, helle und einladende Atmosphäre. Außerdem legen wir großen Wert auf die Auswahl der Produkte. Alle sind aus veganen und, wenn möglich, ökologischen Materialien hergestellt und somit gesundheitlich absolut unbedenklich. Das schränkt die Auswahl tatsächlich sehr ein, denn bei Sextoys gibt es leider keine gesetzlich bindenden Regelungen, was die Verarbeitung und Inhaltsstoffe von Materialien angeht. Aus preislichen Gründen werden sehr viele Materialien gemischt und viele davon sind mehr als bedenklich. Produkte wie Softskin und Cyberskin zum Beispiel sind meist voller Weichmacher. Zudem legen wir Wert auf die Optik der Verpackung, so sind unsere Produkte nicht mit Abbildungen klassischer, meist sexistischer Stereotypen geschmückt, sondern optisch so neutral wie möglich. Und bei uns sind immer Muster ausgepackt, so dass die Toys angefasst und angestellt werden können.
Wen wollt ihr erreichen?
All diejenigen, die sich ein anderes Konzept als das der herkömmlichen Sexshops wünschen und sich von eben diesen nicht angesprochen oder falsch repräsentiert fühlen. Wir sind ein frauen-, queer- und transorientierter Sexshop, der ausdrücklich für alle offen ist. In vielen Sexshops sind queere und transidente Personen nicht repräsentiert, sondern die meisten sind sehr auf heterosexuelle Männer-Kundschaft und deren Vorlieben ausgerichtet. Deshalb wollen wir besonders für all diejenigen eine Anlaufstelle sein, die sich von den klassischen, meist sehr männerdominierten Hetero-Sexshops nicht angesprochen fühlen. Was natürlich alle anderen Kunden nicht ausschließen soll. Jeder soll sich bei uns wohl und aufgehoben fühlen und sich in Ruhe umschauen und orientieren können.
Welche Hemmungen und Ängste bringen die Kunden häufig mit?
Das ist sehr individuell. Einige sind ein bisschen nervös. Es kommt auch immer wieder vor, dass Kund*innen befürchten, eine dumme Frage zu stellen oder glauben, bestimmte Dinge schon wissen zu müssen. Aber natürlich wissen wir alle nicht alles. Also stellt bitte eure Fragen oder akklimatisiert euch erst einmal mit einem Tee in unserem Bücherzimmer und stöbert in Ruhe durch unser Sortiment.
Wie läuft ein Besuch bei euch ab?
Wir gehen auf jeden Kunden individuell ein – das ist uns sehr wichtig. Einige kommen zu uns und wissen genau, was sie suchen und fragen auch explizit danach. Andere wiederum wollen sich in Ruhe umschauen. Viele freuen sich, dass wir ihnen anfangs einzelne Produktkategorien vorstellen. Einige lassen sich erst inspirieren und kommen später wieder. Denn so etwas wie einen Kaufzwang gibt es bei uns nicht.
Ihr bietet auch Workshops an.
Genau. Viele davon finden recht regelmäßig direkt bei uns statt. Dazu gehört zum Beispiel ein Bondage-Workshop, in dem die Besucher verschiedene Fesseltechniken erlernen. Unser Blowjob-Workshop ist immer innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Da scheint ein großes Interesse zu bestehen. Beim Dirty-Talk geht es neben der Vermittlung von Techniken viel um die zwischenmenschliche Kommunikation. Wie geht man mit Berührungsängsten um oder damit, wenn man etwas wirklich nicht machen möchte. Und wir hinterfragen: Wo fängt Sexualität überhaupt an? Auch wenn die Gesellschaft ein klares Bild davon vermittelt, was Sex ist, kann jede Person eine ganz andere Definition von Sex oder einem Blowjob haben. Mit unseren Workshops wollen wir also aufklären und für das Thema Sexualität sensibilisieren.
Wo herrscht die größte Unwissenheit?
Ganz klar: Anatomie. Das große Mysterium G-Punkt, Klitoris, Prostata. Was genau passiert im Körper, wenn er einen Orgasmus hat? Einige Menschen glauben zu wissen, dass etwas mit ihrem Körper nicht stimmt oder einfach nicht richtig funktioniert. In den meisten Fällen ist es aber eher die Unwissenheit über die Funktionen des Körpers und die eigene Anatomie. Wir müssen uns von der Idee befreien, dass wir in einem Schema F funktionieren. Wir sind alle unterschiedlich und so auch unsere Sexualität und das ist wunderbar.
Inzwischen gibt es viele Werbespots für Online-Sexshops. Kommt das Thema Sex langsam aus der Schmuddelecke heraus?
In den letzten Jahren hat sich viel verändert. Zu lange ging es in Bezug auf Sex nicht um die Lust, das Erleben und die Neugier. Sicherlich sind die Medien viel an dem neu entdeckten Wissensdurst der Menschen beteiligt, indem sie uns einen neuen, positiven Zugang zu dem Thema Sex und Lust ermöglichen.
Der feministische Porno hat die große Chance genutzt, uns auch realen Sex zu zeigen...
Tamara Ries, Mitarbeiterin bei Other NatureTweet
Ihr verkauft neben Sextoys auch vieles andere: Filme, Bücher, Pornos. Was hat man sich unter dem Label "feministischer Porno" vorzustellen?
Im Gegensatz zum Mainstream-Porno, in dem vieles immer wieder nach demselben Schema abläuft, sind diese Produktionen unglaublich vielseitig und authentisch. Man kann den Darsteller*innen ihre Lust ansehen, die Rollenbilder sind nicht festgeschrieben und das Format spiegelt wider, wie vielfältig Körper und Sexualität sein können. Hier ist alles erlaubt was den Beteiligten gefällt. Der feministische Porno hat die große Chance genutzt, uns auch realen Sex zu zeigen. Das alles finden wir klasse und wollen es deshalb mit unserem Ladenkonzept unterstützen.