Als Romantiker ist er höchst ergriffen, wenn Freunde so richtig klebrig-süß glücklich miteinander sind. Für die eigene Liebeszukunft steckt ihm immer noch Skepsis in den Knochen. Aber man kann doch dazulernen. Oder?
Ali grinst. "Es ist toll", sagt sie, "und zwar so toll, dass man es gar nicht erzählen mag. Ich stecke in einer klebrigen Soße aus Harmonie." Ihre Augen werden ganz klein, so sehr muss sie grinsen. Sie sieht höchstens halb so alt aus, wie sie ist, wenn sie das macht – und ich kenne sie jetzt mehr als mein halbes Leben, aber ich habe sie noch nie so gesehen. "Wir sind so süß, dass man Karies kriegt, wenn man uns anguckt." Es geht erst seit ein paar Monaten, aber sie und ihr neuer Freund suchen schon gemeinsam nach einem Haus. Es ist eine Freude. Zumindest sollte es das sein.
Irgendwann wird anstrengend - bei allen
Ich weiß nicht, was es ist, dass immer dann hochkommt, wenn ich solche Paare sehe. Ich freue mich für Ali, von Herzen, und ich beneide sie, aber gleichzeitig kann ich nie den Impuls kontrollieren, der mich warnt, dass es nicht für immer harmonisch und klebrig bleiben kann. So, als wäre das ein Naturgesetz: Irgendwann wird es anstrengend. Es ist schließlich bei allen anstrengend. Und dann kommen Arbeit und Schmerzen und Streit. So war es immer. Warum sollte es je anders sein?
Das Merkwürdige an diesem Gedanken ist: Dass alles immer wieder gleich passiert, setzt voraus, dass wir alle nichts lernen in unserem Leben. Die ersten Gleitflüge von Otto Lilienthal gingen 25 Meter weit. Wenn der so gedacht hätte wie ich, müsste man auf dem Weg von Hamburg nach München heute 30.000 Mal zwischenlanden. Stattdessen ist man von Hamburg schneller am Münchner Flughafen als von München aus. Das nennt man Fortschritt. Und heißt das nicht auch, die zweite, dritte, vierte große Liebe müsste besser sein als die davor? Weil ich gelernt habe?
Willy und Hummel stehen hinter der Tür, als ich nach zwei Flaschen Wein und klebriger Harmonie zu Hause ankomme. Ich weiß nicht, woran sie hören, dass ich es bin, der in den Hausflur kommt, aber sie warten direkt hinter der Tür. "Na, Katzenkinder", sage ich, und es wird mir schmerzhaft bewusst, wie sehr ich es vermisse, dass jemand da ist, wenn ich nach Hause komme. Oder später zu mir ins Bett kriecht und sich an mich schmiegt. Ich wünsche mir klebrige Harmonie. Und die Arbeit. Sogar den Streit, aber am meisten wünsche ich mir diese Momente, in denen ich an einem Geräusch mitbekomme, dass da dieser jemand irgendwo in der Wohnung irgendwie seins macht, während ich hier sitze und irgendwie meins mache. Die Vertrautheit in Jogginghosen. Die viel schönere Harmonie, die nach der klebrigen kommt.
Als ich im Bett liege, kommt Willy und legt sich quer über meine Beine, was ziemlich unbequem ist. "Könntest du dich an mich schmiegen?", frage ich und zapple ein bisschen, was ihn dazu bringt, sich genervt anders zu drapieren, aber es ist genauso unbequem und schon nach zwei Minuten viel zu warm, mit dem dicken Kater auf mir. "Alter", sage ich, "wir kennen uns schon so lange. Wann lernst du es endlich?" Ungerührt sieht er mich an, und jetzt grinse ich.
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