Das Motto unserer Autorin lautet: Arbeit nervt – wenn man es damit übertreibt! Sie hat sich verabschiedet von Erfolgsdruck und Hustle-Culture. Hier berichtet sie über ihren neuen Lebensentwurf.
Mittagspause, ich liege in der Hängematte. Am Vormittag habe ich ein bisschen an einer neuen Romanidee herumgedoktert. Später will ich Themenvorschläge an Magazine schicken. Aber, puh, das Wetter ist so schön heute und nachher steigt auch noch dieser Rave im Dschungel. Ich werde es heute also nicht übertreiben mit der Arbeit.
Ich frag mich vor jedem Job: Wäre das notfalls auch an drei Tagen die Woche zu schaffen?
Seitdem ich Freelancerin bin, erscheint mir das Konzept der 40-Stunden-Wocherelativ absurd. Würde ich acht Stunden am Tag arbeiten, könnte ich mir bald einen Porsche leisten. Aber wozu der Stress? Eine schlaue Chefredakteurin hat mal zu mir gesagt: „Irgendwann bist du so gut, dass du es dir leisten kannst, nur noch an drei Tagen die Woche zu arbeiten.“ Das hat mich sofort überzeugt. Immer, wenn ein neuer Job zur Debatte steht, frage ich mich selbst: Schaffst du das, falls es hart auf hart kommt, auch an drei Tagen die Woche? Lautet die Antwort „Ja“, bin ich dabei. Frei und selbstbestimmt cooles Zeug austüfteln, mich selbst immer wieder herausfordern, lieber zu viele als zu wenig lange Pausen an traumhaften Orten einplanen, um danach
wieder voll durchzustarten – so möchte ich leben. Wissen ja alle: Arbeit nervt, wenn man es damit übertreibt.
Ein entspannter Lifestyle ist mir wichtiger als Statussymbole
Genau dieses Mindset treibt aber viele in meinem Umfeld in den Wahnsinn: „Willst du nicht bald mal wieder RICHTIG arbeiten?“, heißt es gerne mal. „Dir wieder was Festes suchen?!“ Allen voran mein Ex(!)-Steuerberater: „So häufig wie du in einem Jahr verreist, war ich mein ganzes Leben nicht unterwegs – da bleibt ja nichts mehr übrig!“ Jau. Aber dafür ist mein Herz randvoll mit kreativem Input für neue Projekte. Ich kann halt gut am Strand arbeiten, brauche nur meinen Laptop. Ein entspannter Lifestyle ist mir eben wichtiger als Statussymbole. Dafür brauche ich auch nicht 20 Achtsamkeits-Apps auf dem Smartphone. Bloß die mit meinen ETFs.
Mit ist klar, dass dieser Lebensentwurf ein Luxus ist
Versteht mich nicht falsch: Ich arbeite gerne hart und viel, Schreiben ist mein Lebenselixier, mein Hobby und ich tüftele ständig an neuen Ideen. Und natürlich ist mir bewusst, dass es viele Menschen gibt, vor allem Alleinerziehende, die in diesen unsicheren Zeiten froh sind, wenn sie überhaupt irgendwie über die Runden kommen. Es ist ein Luxus, sich den Joballtag so angenehm einzurichten, klar. Aber ich habe auch viel dafür gegeben, um hierhin kommen zu können. Als alle meine Freund*innen studieren gingen, wählte ich den Quereinstieg in die Medienbranche. In meinen Zwanzigern arbeitete ich mich beinahe kaputt: zuerst,
um Karriere zu machen, später nur noch, um irgendwie durchzuhalten. Ich war einem Burn-out nah. Auf einer Rucksackreise durch Indien erholte ich mich von dem toxischen Betriebsklima, in dem ich mich viel zu lange bewegt hatte – und schrieb unterwegs quasi aus Versehen einen Bestseller.
Vertrau deinem Instinkt
Dadurch dämmerte mir allmählich, worum es geht: Um gut und erfolgreich zu sein, musst du dich nicht abkämpfen. Alles, was du dafür brauchst, trägst du bereits in dir. Vertrau deinem Instinkt. Glaube an dich und deine Talente. Gib deiner Kreativität Raum, sich zu entfalten. Und: Genieß das Leben. Auf meinem Konto darf ruhig mal Ebbe herrschen. Beruflicher Erfolg ist für mich, wenn ich maximal vier Stunden täglich dafür aufwenden muss, meine Miete, gute Drinks, Netflix und ab
und zu eine schöne Reise bezahlen zu können. Mit Perfektionswahn halte ich mich nicht mehr auf. Manchmal gleicht mein Leben einer gigantischen Fuck-up-Night. So what?
Mehr Geld, aber wenig Zeit für die lustigen Dinge im Leben
Die Kunst liegt darin, Enttäuschungen in Gewinne zu verwandeln. Und bloß nicht alles so ernst zu nehmen. Es ist egal, was andere von dir denken. Tob dich aus! Ab Mitte 30 ist sowieso Erntezeit. Man hat sich mittlerweile etabliert, ist schnell, sicher und gut in dem, was man tut. Zeit, sich (unauffällig) zurückzulehnen – und entspannt abzusahnen. Viele machen einen Denkfehler: Sie wollen um jeden Preis die Karriereleiter emporklettern, ohne dass sie vorher über die möglichen negativen Folgen nachgedacht hätten. Wenn du erst mal der Big Boss bist, verdienst du zwar mehr Geld und genießt Ansehen, hast aber wahrscheinlich auch immer weniger Zeit für die richtig lustigen Dinge im Leben.
Mein Rat: Es bringt nichts, sich den Arsch für die Anerkennung der anderen aufzureißen, fremden Idealen hinterherzuhecheln und die Ansprüche, die man an sich selbst stellt, viel zu hoch zu hängen. Es sollte auch immer genügend Zeit und Power für einen Rave im Dschungel des Lebens übrig bleiben.
Dieser Artikel erschien zuerst in der EMOTION 4/23.
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