Wald, Wiesen, Seen spenden nicht nur Trost in unruhigen Zeiten - sie können auch Kraftorte für unsere Arbeit sein. SLOW-Mate Roland Rödermund, Journalist und Autor, erzählt, wie er beim Schreiben in der Natur Ruhe und neue Ideen fand.
Dieser Text ist Teil unserer Reihe SLOW-Mates. Verschiedene Blogger*innen, Influencer*innen und Coaches geben uns darin wertvolle Gedankenanstöße und Tipps zu Themen, die für ein gutes Leben wichtig sind. Wir freuen uns, dass Roland Rödermund bei unseren SLOW-Mates dabei ist!
Kraftort Wald: In Corona-Zeiten ein besonderer Rückzugsort
Sehe Rehe durchs Fernglas. Den Baum am Horizont hat die rote Sonne in Flammen gesetzt. Mücken fast im Kamikazeflug. Eine surrende Hummel pflügt sich durch den Schwarm, friedvoller Bomber. Eine Fledermaus eröffnet im Torkelwalzer vor meiner Kanzel die Jagd und den Abend. Dann rhythmisches Stampfen hinter mir. Zwei Rehe schlüpfen durch den Drahtzaun, ein bisschen wie Zombies aus dem Untergrund, aber bedachter. Stehen auf freier Fläche, direkt nebenan. Blinzeln. Als hätte man die Sonne gerade erst angeknipst. Riechen Sie mich? Check, Doublecheck - ohne uns! Beide verdünnisieren sich wieder ins Dickicht. Noch überall Zwitschern. Dann ernennt sich im Wald das Käuzchen mit seinem Ruf aber selbst zum Bürgermeister der Nacht ...
Ich könnte stundenlang so weiterschreiben, wenn ich im Wald sitze und einfach nur staune, was sich da alles so vor meiner Nase an Flora und Fauna tummelt. Und ein Ende finde ich wirklich meistens erst, wenn es dämmert und ich mit zugekniffenen Augen nichts mehr auf meinem Block erkennen kann. Anfang März, als in Hamburg der Lockdown drohte, verdünnisierte ich mich auch: Aufs Land, zu meinen Eltern. Sie brauchten meine Unterstützung in einer akuten Notsituation, aber ich half mir auch irgendwie selbst – denn die Zeit, die ich in den folgenden Wochen im riesigen Garten, dem Wald und auf den Feldern verbrachte, wirkte bei allen Ängsten, die ich als selbständiger Autor (und Sohn) hatte, wie ein großes grünes Trostpflaster.
"Im Wald lernte ich Geduld und irgendwie auch Demut."
Roland Rödermund, Autor und SLOW-MateTweet
Zeit in meiner alten Heimat lag mir zwar schon immer am Herzen (und nicht umsonst heißt mein Blog stadtlandflow.de), aber drei Monate am Stück zogen sich dann doch zwischendurch in die Länge. Alles in allem bin ich ja schon auch Stadtmensch. Hier, auf dem Dorf am Rande des Sauerlands, gab es ja nie viel Ablenkung oder Entertainment, jetzt war alles wie ausgestorben – also saß ich jeden Abend auf einem Hochsitz oder dem Waldboden, nahm meine Umgebung wahr und schrieb meine Gedanken auf. Ich lernte Geduld und irgendwie auch Demut – und ich erlebte hautnah, wie sich die Natur nahezu täglich veränderte. Alles wurde grüner und grüner – auf mich hatte das den Effekt totaler Beruhigung! Und Corona schien Lichtjahre entfernt …
Roland Rödermund (42) ist freier Autor, Journalist und Schreibcoach im naturnahen und autobiografischen Schreiben. Wer mehr über das Schreiben mit oder in der Natur erfahren möchte oder auf der Suche nach mehr Naturverbundenheit ist kann sich für einen Workshop anmelden, allein oder auch als Gruppe: www.stadtlandflow.de
Schreiben, in die Ferne schauen, Waldluft atmen – und endlich Zeit für den eigenen Roman
Einmal sah ich einen Dachs, ab und zu Füchse und eigentlich immer Rehe. Ich schrieb natürlich nicht nur über sie, sondern auch über mich – meine Kindheit am Waldrand, wer ich heute bin, was ich mir vom Leben wünsche. Ich fing auch endlich an, eine Romanidee ernsthaft aufzuschreiben. So, als hätte ich alle Zeit der Welt. Ein gutes Gefühl.
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Am Schreiben fasziniert mich, dass es so vielfältig ist, egal, ob man zuletzt als Teenie Tagebuch schrieb oder auch als Erwachsener privat oder beruflich regelmäßig zum Stift oder in die Tastatur greift. Man braucht nichts, außer Zettel und Stift und seine Schreibhand. Man kann über über Wünsche, Gedanken, Ängste und Träume schreiben. Aber natürlich auch Geschichten erfinden, die einen umgebende Natur beschreiben – oder konkrete Vorsätze festhalten. Es in freier Wildbahn zu tun, ist dabei noch einmal schöner, weil es man nicht durch vier Wände abgeschirmt ist, und sich, finde ich, tiefer mit der Natur verbindet.
Mit Workshops das Schreiben im Wald lernen
Die Stunden im Wald inspirierten mich auch, weiter an meinem Konzept zu basteln, Schreibwerkstätten zu leiten und Menschen das Schreiben in der Natur näherzubringen. Das mache ich jetzt tatsächlich, zusammen Lara Keuthen, zertifizierte Waldbaden-Seminarleiterin und enge Freundin, habe ich die ersten "Schreibwald"-Workshops angeleitet, in denen verbinden wir mit einer kleinen Gruppe das Waldbaden mit dem naturnahen Schreiben. Wie? Wir sitzen die meiste Zeit an einer Lichtung, nehmen durch gezielte Achtsamkeitsübungen, die sie als "Waldbademeisterin" anleitet, die Natur war, versuchen, mithilfe von simplen Schreibimpulsen Gefühle in Worte zu fassen und dadurch in einen kreativen Flow zu kommen. Man lernt also das naturnahe Schreiben und das Waldbaden kennen.
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Die besten Kraftorte finden wir in der Natur
Von Lara weiß ich, was ich schon immer ahnte: Waldluft macht nachweislich gesund. Und glücklich! Dass alle bisherigen Teilnehmenden nach vier Stunden Wald-Auszeit total beseelt und inspiriert waren, bestärkt mich – auch für mein eigenes Schreiben. Back to Nature – das hat sich nie wichtiger und richtiger angefühlt als in diesem Jahr.
Weiterlesen in der EMOTION SLOW und alle SLOW-Mates kennenlernen! Wir stellen euch die Heldinnen, Ideen und Projekte vor, die uns in eine gute Zukunft tragen – auf vollen 16 Seiten. Dazu gibt's leckere Herbstrezepte, 66 Geheimtipps zum Entschleunigen in der Nähe und endlich einen Upgrade-Vorschlag fürs Homeoffice. Bestellt eure Ausgabe versandkostenfrei direkt nach Hause – ab dem 17. Oktober.