Die Urlaubssaison startet – aber das Gefühl von Leichtigkeit will sich einfach nicht einstellen? Kein Wunder, findet unsere Autorin: Was, bitte, soll die Aussicht auf eine Woche All-Inclu-Urlaub gegen Dauerstress ausrichten?
Für viele steht in diesem Sommer der erste richtige Urlaub seit Beginn der Pandemie an. Endlich wieder auf einem Liegestuhl faulenzen, lesen und den meditativen Geräuschen des Meeres lauschen. Es klingt so herrlich – zumindest in der Theorie.
In Wahrheit stresst mich der Gedanke an Urlaub gerade ziemlich, deshalb habe ich für dieses Jahr auch keinen gebucht. Denn eigentlich weiß ich ja: Richtig abschalten könnte ich nicht, auch nicht an der traumhaften französischen Küste mit einem Cocktail in der Hand. Meine Gedanken wären vermutlich trotzdem bei offenen beruflichen und privaten To-dos und der Frage, ob ich auch wirklich eine Abwesenheitsnotiz in meinem Mail-Programm eingestellt habe.
Kein Wunder, denn wie die meisten von uns habe ich die letzten beiden Jahre im Durchhaltemodus verbracht. Wie soll man sich da also jetzt, wo der Sommer da ist, auf Knopfdruck entspannen können?
Wir müssen uns nicht erst kaputt arbeiten, um Erholung zu verdienen
Wenn ich erzähle, dass ich in diesem Jahr auf Urlaub verzichte, ernte ich meist überraschte Blicke. Wirklich, gerade jetzt, wo Reisen wieder möglich ist und wir es uns nach zwei harten Jahren so sehr verdient haben, einfach mal die Seele baumeln zu lassen? Ich kann den Gedanken natürlich nachvollziehen, aber genau da liegt für mich der Denkfehler.
Denn wir müssen uns Ruhe und Entspannung nicht verdienen – sie sind kein extravaganter Luxus, den man erst nach harter Arbeit in Anspruch nehmen darf, sondern eine Notwendigkeit. Ich will mich nicht kaputt arbeiten, um es "verdient" zu haben, am Meer zu entspannen. Aber genau das ist die Message, die viele Urlauber:innen senden – zumindest in einer Welt, in der Stress und randvolle Terminkalender als Statussymbol gelten: "Seht her, ich habe mich ein weiteres Jahr an die Grenzen meiner Belastbarkeit gebracht, diese zwei Wochen auf Bali habe ich mir also verdient."
Bevor ich in den Urlaub fahre, müsste ich erst meine Erwartungen anpassen
Und am Ende hätte ich vermutlich sowieso viel zu hohe Erwartungen, nämlich dass ein All-Inclusive-Urlaub all die Sorgen und den Stress der letzten beiden Jahre einfach wegspült. Damit bin ich nicht alleine.
In einem Gastbeitrag für die "New York Times" lässt die Lifestyle-Autorin Jenni Avins aktuell ihren eigenen Urlaub Revue passieren und stellt fest: So toll war der gar nicht. Weil sie zu hohe Erwartungen hatte und am Ende gefrustet war, dass sie ihren Urlaub nicht so genießen konnte wie geplant. Vermutlich können im Urlaub nur diejenigen zur Ruhe kommen, die das auch im Alltag draufhaben, vermutet Avis. Stimmt, finde ich – denn eigentlich sollte die Auszeit am Meer ja auch nur eines von vielen Highlights im Jahr sein, nicht der einzige Lichtblick in einem Strudel aus Stress und Druck.
Wie können wir unseren Urlaub wieder genießen?
Die Frage ist natürlich: Wie kriegt man genau das hin – Erholung im Alltag zu integrieren, um nicht alle Hoffnungen auf eine Woche Strandurlaub zu setzen?
Die Psychologin und Autorin Ilona Bügel ist der Meinung, dass man sich im Urlaub am besten erholen kann, wenn man viel Abwechslung zum eigenen Alltag erlebt. Für alle, die ständig unter Strom stehen, heißt das also: nichts tun. Aber wie macht man das denn nochmal?
Für mich ist der erste Schritt, sich einzugestehen, wie wichtig es ist, öfter mal nichts zu tun. Und dass es keine Schande ist, regelmäßig auf der faulen Haut zu liegen. Ganz im Gegenteil: Genau das ist die Aufgabe – sich vom ständigen Druck, alles immer spektakulär und aufregend zu gestalten, auch zwischendurch immer wieder zu lösen.
Ich gebe zu: Das ist leichter gesagt als getan. Langeweile ist so unmodern. Doch ich habe mir für diesen Sommer fest vorgenommen, mich regelmäßig im Nichtstun zu üben. Handy weg, keine Pläne machen, einfach nur in der Sonne sitzen und das Leben auf mich zukommen lassen. Vielleicht wäre ein Sommerurlaub ja doch die perfekte Gelegenheit, um das auszuprobieren. Egal ob im Urlaub oder zu Hause im Garten oder auf dem Balkon: Ich wünsche euch viel Freude beim dolce far niente.
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