Viele Unternehmen haben erkannt, dass Diversität unter Mitarbeitern ein Vorteil ist. Und trotzdem kommen Frauen oft nicht voran - eine Tatsache, die durch #MeToo sogar noch verschärft wurde.
Wenn Sheryl Sandberg etwas sagt, höre ich zu. Das war so bei "Lean In", 2017 bei ihren Buch "Option B", in dem sie über den Tod ihres Mannes und ihre Trauer schrieb und das ist auch jetzt so. Die Facebook-Managerin hat den Launch einer Kampagne bekannt gegeben: Mit #MentorHer will sie Männer in Top-Positionen dazu bewegen, Frauen zu fördern.
Hintergrund: Sandberg beobachtet, wie die MeToo-Bewegung negative Konsequenzen für Frauen im Job hat. Eine Studie im Auftrag ihrer NGO "Lean In" zeigt: Fast 50 Prozent der befragten Manager fühlen sich unwohl, wenn sie auf Frauen im Job-Umfeld treffen, z.B. wenn sie mit ihnen alleine sind.
Wie können wir Frauen unterstützen, trotzdem ihre Karriereziele zu erreichen? Damit beschäftigt sich auch Dr. Laura Wendt. Sie ist promovierte Neurowissenschaftlerin, Gender-Expertin, LGBTQI+-Aktivistin und globale Managerin für Diversity & Inclusion bei der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Sie coacht weltweit Unternehmen, Manager und Führungskräfte.
Wie können Firmen Diversität fördern?
Hier Laura Wendts wichtigste Erkenntnisse und Lösungen:
1. Frauen haben Schwierigkeiten in professionelle Netzwerke zu gelangen und Mentoren für sich zu gewinnen.
Die Ursache liegt in jahrzehntelangem unprofessionellem Verhalten am Arbeitsplatz. Wir arbeiten in einer Kultur, die sexuelle Witze und Kommentare über Körperformen lange akzeptiert und zelebriert hat, da diese zum gewünschten, lockeren Umgang gehörten und noch immer gehören. Alle wichtigen Entscheidungen bezüglich der eigenen Karriere werden aber getroffen, wenn man nicht im Raum ist. Wenn die Beförderung von Frauen hinter verschlossenen Türen diskutiert wird, brauchen sie einen Verbündeten aus der Führungsriege, der sich für sie einsetzt. Viele Männer sehen es jedoch als Risiko an, eine Frau zu unterstützen und somit ist es fast verständlich, dass sie lieber andere Männer sponsern.
Noch vor der #MeToo-Debatte hat eine Studie herausgefunden, dass 64 Prozent der Männer in Führungspositionen Einzelkontakte mit Frauen lieber vermeiden möchten. Sie fürchten um die Konsequenzen, wenn sie beispielsweise alleine mit einer Frau bei einem Abendessen gesehen werden. Geschäfte werden jedoch nicht während eines kurzen Mittagessens gemacht und die brillanten Ideen und Talente einer Frau werden kaum während eines wöchentlichen Steuerkreises bis zur Chefetage durchdringen.
Wer findet es nicht auch noch im Jahre 2018 seltsam, wenn eine männliche Führungsperson eine junge Frau zum Golfspiel oder in die Zigarrenlounge einlädt?! Dies macht es so schwer für Frauen zu netzwerken und einen Geschäftsdeal abzuschließen. Und wie wir alle wissen: Es kommt nicht darauf an, was man weiß, sondern wen man kennt, um es nach oben zu schaffen oder erst mal befördert zu werden.
Die Lösung:
Ganz im Sinne von Sheryl Sandbergs #MentorHer sollte daher jede Firma dieses Dilemma offen kommunizieren und jeder Frau einen Mentor, oder noch besser, einen Sponsor, zur Verfügung stellen. Mentoren sind wunderbare Berater und Zuhörer, aber wenn es darum geht, auf der Karriereleiter weiter nach oben zu kommen, benötigt man Sponsoren, da sie nicht nur kritisches Feedback geben, sondern auch Türen öffnen. In Kürze: Mentoren beraten, Sponsoren handeln. Sponsoren stellen uns wichtige Kontakte vor, bringen uns in Netzwerke und auf wichtige Projekte. In diesem offiziellen Rahmen haben Frauen dann die Chance, einen Verbündeten für sich zu gewinnen und ihre Ideen direkt zu kommunizieren. Ein Gewinn für die gesamte Firma. Daher bieten wir schon seit 2013 ein offizielles Sponsorship-Programm an, dadurch werden Frauen heute schneller befördert.
2. Frauen erhalten weniger beiläufiges, explizites "Mikro-Feedback" bei der Arbeit im Vergleich zu Männern.
So kleine Hinweise, wie "gut präsentiert, aber nimm' nächstes Mal die Hand aus der Jackettasche und fokussiere Dich auf den COO, Christian" oder "Sprich mit Klient X am besten über den Super Bowl, Stefan" sind Gold wert. Stattdessen erhalten Frauen eher implizites Feedback, wie von einem Projekt ausgeschlossen oder nicht in eine Abteilungsentscheidung einbezogen zu werden. Dadurch haben sie weniger umsetzbare Informationen, um sich positiv zu verändern oder zu wachsen. Viele Organisationen haben die Tendenz, Frauen übertrieben vorsichtig zu behandeln. Viele Männer sind nervös, wenn sie Frauen direktes Feedback geben sollen und sorgen sich um ihre Reaktion. Einer der Hauptgründe ist, dass sie vermuten, dass die Frau anfangen würde zu weinen.
Die Lösung:
Feedback ist ein Geschenk und sollte respektvoll und in einem passenden räumlichen und zeitlichen Rahmen gegeben werden. Wir alle sollten zudem lernen uns eine "Post-it-Feedback-Mentalität" zu eigen zu machen. Feedback sollte nicht als „großes Ereignis“ betrachtet werden, sondern als ein Mikrohinweis, der einem hilft, noch besser zu werden. Wir haben deswegen auch hier ein Training für alle Mitarbeiter im Angebot.
3. Frauen profitieren nicht von dem Effekt der Ähnlichkeiten.
Wir bevorzugen Menschen, die so sind wie wir. Dies sind unbewusste und automatisierte Prozesse. Deswegen ist uns auch nicht bewusst, dass wir den Kollegen helfen, die uns ähnlich sind. Im Büro und oft auch im privaten Leben führt dies außerdem dazu, dass unsere Netzwerke so aussehen wie wir. Deswegen finden wir die Kontakte darin auch so furchtbar sympathisch. Außerdem fördern und beraten wir lieber unsere Klone, denn sie erinnern uns an uns selbst. Es existieren viel mehr männliche Führungskräfte und man muss kein Mathegenie sein, um sich auszurechnen, was das für Frauen bedeutet… Wir nutzen sogar andere Teile unseres Gehirns, wenn wir über jemanden nachdenken, mit dem wir viele Gemeinsamkeiten haben. Wir sind uns weder bewusst noch können wir steuern, wie diese Hirnaktivitäten unsere Beurteilungen einer anderen Person beeinflussen.
Die Lösung:
Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Mich hat schon immer fasziniert, welche Automatismen das menschliche Verhalten beeinflussen und steuern. "Biases" (Voreingenommenheit und automatische Präferenzen) sind inzwischen in aller Munde und bedeuten nichts anderes, als dass zwei Gruppen von Menschen (beispielsweise Männer und Frauen) sich identisch verhalten und trotzdem unterschiedlich behandelt und beurteilt werden. Diese Unterschiede sind meist nicht auf das Verhalten von Frauen zurückzuführen, sondern darauf, wie dieses wahrgenommen wird. Daher hat unser Diversity- und Inclusion-Team ein neurowissenschaftlich inspiriertes Training entwickelt, um gemeinsam diese Biases zu verstehen und zu bezwingen.
Fazit:
Im Prinzip ist schon viel gewonnen, wenn wir uns bewusst Menschen zuwenden, mit denen uns auf den ersten Blick nichts verbindet und uns angewöhnen, geschlechtsunabhängig direkt und zwanglos zu kommunizieren. Dadurch entsteht eine neue Offenheit, Vielfalt und bessere Zusammenarbeit, von der die gesamte Arbeitskultur profitieren wird.