Über die Hälfte der Arbeitnehmer:innen in Deutschland denkt darüber nach, ihre Jobs 2022 zu kündigen. Aber ist das wirklich die Lösung?
Die Arbeits-Unzufriedenheit war noch nie so groß, sagen eine Linkedin-Studie und tägliche Beobachtungen. Aber könnte man auch einen anderen Weg wählen? Gibt es eine Art Reset-Taste für die Mensch-Jobbeziehung? Die Karriereberaterin Ragnhild Struss plädiert für solch ein Jobcrafting, also der Anpassung des aktuellen Jobs an die eigenen Bedürfnisse und Werte. Wie das geht, darüber hat sie mit meiner Kollegin Filiz Müller gesprochen. Das ganze Interview könnt ihr in der neuen EMOTION lesen, die am 6. April erscheint.
Ragnhild Struss gibt auf dem EMOTION WOMEN'S DAY am 8. Mai 2023 eine Masterclass. Unbedingt hin da!
Frau Struss, Sie beraten Berufsanfänger:innen und erfahrene Profis – müssten wir nicht irgendwann mal ankommen?
Man muss aber nicht gleich kündigen, um etwas zu verändern?
Einfach zu gehen ist selten sinnvoll. Man hat eine Menge Human- und Sozialkapital aufgebaut, sprich Expertise und Erfahrungen gewonnen sowie Beziehungen etabliert. Bevor man kündigt, sollte man prüfen, ob der aktuelle Job sich vielleicht verändern lässt und man da, wo man ist, glücklich werden kann.
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Wie denn?
Es geht darum zu überlegen, wie man die Passung zwischen Job und Persönlichkeit verbessern kann. Job Crafting bedeutet, den Arbeitsplatz gemäß der eigenen Persönlichkeit zu gestalten. Wenn ich weiß, wo meine Stärken liegen, kann ich eine Aufgabe so anpassen, dass diese Stärken zukünftig mehr einbezogen werden. Habe ich außerdem vielleicht Talente, die ich noch einbringen will? Gibt es bestimmte Konstellationen, die mich bremsen oder aber beflügeln? Sind meine Erwartungen an den Job realistisch oder muss ich an meinen negativen Glaubenssätzen arbeiten? Gibt es noch Spielraum bei Arbeitsstrukturen oder -methoden?
Das klingt nach Arbeit.
Ja, Persönlichkeitsentwicklung kostet Energie. Man braucht die Bereitschaft, Dinge zu verändern und muss auch Mut aufbringen. Zum Beispiel, um anschließend mit Vorgesetzten zu sprechen. Bevor man sich auf so einen Veränderungsprozess einlässt, sollte man sich in den richtigen Gemütszustand bringen: Wenn ich ein destruktives Mindset habe, kann ich nicht konstruktiv an meinem Job arbeiten. Die eigene positive Einstellung ist für den Erfolg maßgeblich.
Wie gehen Sie in der Beratung vor?
Wir schauen: Wo steht der Mensch in seinem Leben? Hat er genug Kraft für eine Veränderung oder ist die Erschöpfung zu groß und eine Pause angesagt? Nach einer fundierten Persönlichkeitsanalyse überlegen wir, wie der passende Job aussehen könnte. Dabei geht es nicht nur um die Arbeitsinhalte, sondern auch um Fragen nach den eigenen Werten, nach Arbeitszeitpräferenzen, Verantwortung, Beziehungen und Unternehmensformen.
Klingt traumhaft. Aber was hat das mit dem aktuellen Job zu tun?
Wir vergleichen die optimale Sollstelle mit der Ist-Situation: Wie kann die Klientin oder der Klient die bestehende Arbeit so gestalten, dass die Job-Person-Passung größer wird – das Soll liefert die Blaupause dafür. Nicht selten ist aber ein Jobwechsel angesagt. Doch auch, um den neuen Arbeitsplatz besser zu wählen, ist eine strukturierte Analyse sinnvoll.
Dieser Artikel erschien zuerst im Working Women Newsletter. Wenn du Lust auf Inspiration im Job hast, kannst du ihn hier abonnieren!
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