Unternehmen überbieten sich aktuell geradezu dabei, auf die Anforderungen der Gen Z einzugehen. Stellenweise rumort es jetzt bei älteren Angestellten: Es sei unfair, dass den Wünschen einer einzigen Generation so viel Raum gegeben wird. Warum die Kritik zwar gerechtfertigt ist, aber trotzdem alle, insbesondere Frauen, von dieser Entwicklung profitieren – ein Kommentar.
Der Fachkräftemangel setzt der deutschen Wirtschaft immer mehr zu. Mehr als die Hälfte der Unternehmen hat Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzten, wie aus einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertag hervorgeht. Rund zwei Millionen Arbeitsplätze sind demnach unbesetzt. Das ist ein neuer Höchstwert. Die Unternehmen setzt das zunehmend unter Druck. Trotz schwieriger Wirtschaftslage wird also um jeden Angestellten und jede Angestellte gekämpft.
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"Diese Generation hat viel Macht"
Besonderes Augenmerk legen viele Unternehmen dabei auf die Jüngsten am Arbeitsmarkt, die Gen Z – also jene Arbeitnehmer:innen, die häufig gerade erst ins Berufsleben gestartet sind und höchstens Mitte 20 sind. Hadije Zeka beobachtet das ebenfalls. Sie ist Arbeitsvermittlerin bei der Agentur für Arbeit in Stuttgart und schreibt der Gen Z großen Einfluss am Arbeitsmarkt zu. "Diese Generation hat viel Macht", sagt sie der "Tagesschau". "Sie ändert die Spielregeln." Und viele Unternehmen spielen mit. Teils aus Überzeugung, teils aber wahrscheinlich aus Angst vor dem Fachkräftemangel, der sie zu überrollen droht. Aber was fordert die Gen Z überhaupt?
Die Wünsche und Anforderungen sind natürlich individuell, aber Expert:innen haben mittlerweile einen Konsens darüber erreicht, was viele Mitglieder der Gen Z motiviert: zeitliche und örtliche Flexibilität, die Möglichkeit, sich im Job zu verwirklichen und etwas Sinnstiftendes zu tun – und Geld. Das Gehalt ist mittlerweile mit 60 Prozent der größte Motivator für junge Menschen im Berufsleben. Das hat die Trendstudie "Jugend in Deutschland" herausgefunden. "Genug Geld ist für sich kein guter Motivator, doch es steht in Zeiten der Krisen für Sicherheit und stellt für viele die Grundvoraussetzung für Leistungsmotivation dar", erklärt Simon Schnetzer, einer der Studienautoren, den Befund.
Wie fair ist es, dass die Wünsche einer Generation so im Fokus stehen?
Dass die Gen Z eine anspruchsvolle und fordernde Generation ist, ist also nicht von der Hand weisen. Das sorgt bisweilen auch für Kritik. Nicht nur von der Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles ("Arbeit ist kein Ponyhof"), sondern teils auch von älteren Angestellten, die sich fragen, wie fair es ist, dass Arbeitgeber den Wünschen einer einzigen Generation so nachkommen und ihr so viel Raum geben.
Und trotzdem ist es verwunderlich, mit wie viel Überraschung und Skepsis häufig auf die Anforderungen der Gen Z an das Arbeitsleben reagiert wird. Denn der Wunsch von Arbeitnehmer:innen nach einem besseren Gehalt oder nach mehr Work-Life-Balance ist alles andere als revolutionär und schon gar keine Erfindung der Gen Z. Schon in den 90ern wurde intensiv über Lösungen für ein lebenswertes Gleichgewicht zwischen Beruf und Freizeit diskutiert, die Bertelsmann Stiftung definiert diesen Zeitraum als die Geburtsstunde des Begriffs "Work-Life-Balance". Neu ist also nicht die Forderung nach neuen Arbeitsrealitäten, sondern lediglich das Selbstbewusstsein trotz jungen Alters, mit dem die Gen Z diese durchsetzen will. Und fest steht: Die junge Generation hätte dieses Selbstbewusstsein nicht, wenn Generationen vor ihnen ihnen nicht den Weg geebnet hätten. Das Ziel ist also nicht nur kein neues, es ist auch ein gemeinsames und transgenerationales.
Die Kritik ist nachvollziehbar – und führt trotzdem nicht zum Ziel
Und obwohl es mehr als verständlich ist, dass ältere Angestellte sich vor den Kopf gestoßen fühlen, weil Anliegen, für die sie lange gekämpft haben, erst jetzt in Angriff genommen werden, wäre es der falsche Weg, diese Entwicklung jetzt zu einem Generationenkonflikt aufzublasen. Stattdessen wären Angestellte – egal wie alt sie sind – besser beraten, geschlossen für die eigenen Bedürfnisse einzutreten. Denn wie sich zeigt, überschneiden die sich in sehr vielen Bereichen. Junge Menschen und Frauen haben etwa viele ähnliche Anliegen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des HR-Software-Entwicklers "Hibob" hat herausgefunden, was die häufigsten Gründe für einen Jobwechsel von deutschen Arbeitnehmerinnen sind. Alle drei überschneiden sich mit den Forderungen der Gen Z: besseres Gehalt (42 Prozent), mehr Flexibilität (40 Prozent) und passendere Unternehmenswerte (30 Prozent).
Auch wenn die Einstellung und die Vorstellungen der Gen Z einigen also etwas zu forsch oder gar draufgängerisch erscheinen mögen – im Grunde sind ihre Forderungen dieselben wie die vor 30 Jahren. Dieselben wie die, die auch viele Angestellten, die älter als Mitte 20 sind, heute haben. Und dennoch ist das Durchsetzen dieser Forderungen etwas, das diese junge Generation, so selbstsicher sie auch sein mag, letztendlich nicht alleine bewerkstelligen kann. Dazu braucht es alle an Bord.
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