Die deutliche Mehrheit der Wahlberechtigten in Deutschland nimmt unsere Gesellschaft laut einer ARD-Umfrage als zerrissen wahr. Wie kam es dazu? Die wichtigsten Erkenntnisse der Umfrage geben Antworten.
Eine neue repräsentative Infratest-Umfrage für die ARD offenbart: Knapp zwei Drittel der Wahlberechtigten in Deutschland (64 Prozent) nehmen unsere Gesellschaft als gespalten wahr. 48 Prozent der Befragten bewerteten den gesellschaftlichen Zusammenhalt als "eher schlecht", während 16 Prozent ihn als "sehr schlecht" einschätzten. 32 Prozent der Befragten halten den gesellschaftlichen Status Quo in Sachen Zusammenhalt für "eher gut", nur ein einziges Prozent für "sehr gut".
Die größten gesellschaftlichen Probleme und Reibungspunkte sahen die Befragten in der Schere zwischen Armen und Reichen (76 Prozent), Konflikten zwischen Befürworter:innen und Gegner:innen von Corona-Maßnahmen (72 Prozent) und dem Konfliktfeld Migration (62 Prozent).
Viele haben ähnliche Probleme
In krisenhaften Zeiten ist gesellschaftlicher Zusammenhalt umso wichtiger. Die Umfrage zeigt auch auf: Eigentlich haben die meisten Menschen in Krisen viele Ähnlichkeiten – zum Beispiel ihre größten Sorgen. 66 Prozent der Befragten sorgen sich aktuell am meisten darüber, wie sie ihre Rechnungen angesichts der Inflation und der hohen Energiepreise bezahlen sollen.
Diese Ähnlichkeiten könnten zu mehr Solidarität untereinander führen, könnte man jetzt meinen – tatsächlich ist das oft aber nur ein temporärer Effekt, zeigen Erfahrungswerte. Mit der Zeit werden die meisten Menschen krisenmüde. Das konnte man sowohl in der Pandemie als auch beim Ukraine-Krieg beobachten. Anfangs sind Hilfsbereitschaft und Solidarität noch sehr groß, nehmen aber mit Dauer der Krise ab.
Menschen in Ostdeutschland und Jüngere am pessimistischsten
Unterschiede in der Art und Weise, wie die Befragten den gesellschaftlichen Zusammenhalt bewerten, sind vor allem an Herkunft und Alter festzumachen. Im Osten Deutschlands beobachten Menschen viele Entwicklungen mit einer negativeren Grundhaltung als im Westen – auch das wurde anhand der Studie festgestellt. Dasselbe gilt für Jüngere.
Während im gesamtdeutschen Durchschnitt 64 Prozent den Zusammenhalt der Gesellschaft als schlecht oder sehr schlecht ansehen, sind es in Ostdeutschland 74 Prozent, bei Menschen im Alter zwischen 18 und 34 Jahren sind es 73 Prozent.
Wie steht es um unsere Debattenkultur?
Besonders in Krisen ist eine gesunde Debattenkultur wichtig – auch, wenn sie in angespannten Verhältnissen um ein Vielfaches schwieriger zu erreichen ist. Auch das bestätigt die Umfrage: Viele sind unzufrieden mit der aktuellen Debattenkultur. 73 Prozent sind der Ansicht, dass es in Diskursen hierzulande mehr um persönliche Selbstdarstellung als um Inhalte gehe.
Viele sind der Meinung, dass Social Media diesen Umstand befeuert und Konflikte noch mehr zuspitzt: 69 Prozent der Befragten sagten, dass soziale Medien den gesellschaftlichen Zusammenhalt ihrer Einschätzung nach eher schwächen.
Der private Raum als Lichtblick
Soweit zur Einschätzung zur gesamtgesellschaftlichen Situation – aber wie sieht es im Privaten aus? Die meisten bewerten den Zusammenhalt im persönlichen Umfeld weitaus positiver als den der Gesellschaft. Neun von zehn der befragten Menschen gaben an, dass der Gemeinschaftsgeist in ihrer Familie und in ihrem Freundeskreis intakt sei.
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