Wer betreut mein Kind? Damit Eltern an dieser Frage nicht verzweifeln, haben drei Schwestern eine App erfunden, die Familien vernetzt – zum gegenseitigen Babysitting.
Was ist Siteinander?
Ich hüte dein Kind, du hütest mein Kind – diese Idee steckt hinter Siteinander. Nutzer der App können sich mit anderen Nutzern verbinden, diese kennenlernen und dann gegenseitiges Babysitten organisieren. Man kann das nur mit Freunden machen oder über die App bislang unbekannte Eltern finden, die in der Nähe wohnen. Wer ins Netzwerk gelassen wird, entscheidet aber jeder Nutzer selbst.
Was im eigenen Bekanntenkreis oft nicht klappt, weil man befürchtet, die anderen zu belästigen, wird hier über ein Punktesystem gelöst – und wer keine Zeit hat, reagiert einfach nicht auf die Anfrage. Professionelle Babysitter sind vorerst nicht bei Siteinander zugelassen.
Aktuell ist die Gratis-App noch in der Beta-Version - über ein Crowdfunding haben die Gründerinnen Anna-Lena Gerber, Henrike-Marie Gerber und Ulrike-Marie Geber aber gerade erreicht, dass es bald auch eine iPhone-Variante gibt.
Wir haben mit Anna-Lena Gerber über die App und das Arbeiten unter Schwestern gesprochen.
EMOTION.de: Wie kommt man darauf, Kinderbetreuung über eine App zu lösen?
Anna-Lena Gerber: Das war ein Zusammenspiel zwischen mir und meinen Schwestern. Wir hatten alle Drei schon viel mit Kinderbetreuung zu tun. Ich durch meinen Beruf als Erzieherin, aber wir haben auch als Babysitter gearbeitet, mit meiner Zwillingsschwester habe ich Ferienfreizeiten für Kinder organisiert, und meine ältere Schwester ist dann selbst Mutter geworden und war lange alleinerziehend. Da hat sie festgestellt, wie schwierig es ist, auch mit einem großen Freundeskreis, die Betreuung ihrer Kinder zu organisieren. So kam uns die Idee, dass es eine soziale Plattform geben müsste, über die man potenzielle Babysitter erreichen kann.
Eine Idee, die so noch keiner hatte.
Genau. Wir haben im Netz recherchiert und nichts dergleichen gefunden. So dachten wir uns: Dann machen wir das eben selbst. Ich habe ja auch BWL studiert und wollte das gern unternehmerisch lösen. Wir haben unseren Business-Plan für die Siteinander-App bei einem Förderprogramm der Berliner Hochschulen eingereicht und ein Stipendium gewonnen. Das hat uns natürlich sehr bestätigt und nun konnten wir alle in Vollzeit daran arbeiten.
Dass der Bedarf für Kinderbetreuung da ist, wissen wir ja alle, aber wie konnten Sie sicher sein, dass Eltern dafür eine App nutzen würden?
Bevor wir in die Programmierung der App gestartet sind, haben wir ein Pilotprojekt gestartet und dafür über Flyer Familien gesucht, die Lust hatten, so etwas auszuprobieren. Zunächst haben wir das über Whatsapp-Gruppen organisiert und die geplanten Extra-Funktionen der App, zum Beispiel ein Punktesystem oder Notifications, haben wir händisch ausgeführt mit Listen etc.
Gab es viele Interessenten?
Oh ja, das Interesse war enorm. Wir haben uns dann aber nur auf Berlin konzentriert und rund 60 Familien dafür ausgewählt, die wir in sechs verschiedene Gruppen in sechs Bezirken aufgeteilt haben.
Warum reicht Whatsapp nicht?
Unsere App ist sehr viel übersichtlicher gestaltet. Wenn man eine Anfrage für Babysitting bekommt, dann sieht man sofort alle wichtigen Infos: Wann und wo ist der Termin, wer hat noch Zeit, und man kann ganz einfach darauf antworten, ohne sich durch lange Threads zu lesen. Eine weitere Funktion ist die Karte, über die man sehen kann, welche Familien in meiner Nähe die App auch nutzen und mit wem ich mich vernetzen kann.
Man kommt so also auch in Kontakt mit Familien, die man noch nicht kannte. Gibt es da keine Vorbehalte und Ängste?
Am Ende entscheidet jeder selbst, wen er in seine Sitter-Liste lässt. Es ist ja klar, dass man Kinderbetreuung nur mit vertrauten Personen organisieren möchte. Dafür gibt es in der App auch Tipps für die Mitglieder, worauf man achten sollte – und natürlich sollte man sich vorher immer erst persönlich gut kennenlernen.
Wie war das Feedback von den Testfamilien?
Das war sehr gut. Wir haben so auch herausgefunden, dass ein großer Teil der Teilnehmer die App gar nicht nur für ihren schon bestehenden Freundeskreis nutzen wollen, sondern dass viele gesagt haben: Mir fehlt dieses Netzwerk und ich würde es gern auf diesem Weg aufbauen – und zum Beispiel in Kontakt mit Nachbarn treten.
Für wen eignet sich die App besonders?
Für Alleinerziehende ist sie natürlich besonders toll – und zwar nicht nur, um das eigene Kind woanders unterzubringen. Viele sagten uns, dass sie auch gern selbst Betreuung übernehmen, weil dann das eigene Kind jemanden zum Spielen hat und man nicht der alleinige Unterhalter sein muss. Aber es sind auch viele berufstätige Paare dabei, die sich danach sehnen, mal wieder Zeit zu Zweit zu verbringen.
Und ich kann mir vorstellen, dass man sich über so eine App schneller "traut" andere Eltern um Unterstützung zu fragen.
Ja, genau. Es bekommt dadurch einen offizielleren Charakter. Man tut anderen keinen Gefallen, sondern es ist ein Austausch. Und wer keine Zeit oder keine Lust hat, reagiert einfach nicht auf die Anfrage. So entstehen weniger Missverständnisse.
Sehen Sie schon eine Tendenz beim Alter der Kinder? Wo ist die App da besonders gefragt?
Besonders groß ist die Nachfrage bei Kindergartenkindern, also im Alter von drei bis sechs Jahren. Vorher wollen viele Eltern das noch nicht, aber so ab drei ist doch der Wunsch da nach etwas mehr Flexibilität.
Nun sind Sie ja als Gründerinnen ein ganz besonderes Team – drei Schwestern. Hätten Sie vorher gedacht, dass sie mal zusammen ein Business aufbauen?
Nein, ehrlich gesagt überhaupt nicht. Wir hatten vorher auch gar nicht so viel miteinander zu tun, haben ganz unterschiedliche Freundeskreise und haben zeitweise weit entfernt voneinander gelebt.
Und wie klappt das so?
Es macht total Spaß und wir ergänzen uns auch sehr gut. Ich bin eher die Unternehmerin, die einen genauen Plan haben will. Ulrike ist die Mutter, die hier ihre Erfahrungen einbringen kann und Henrike ist die Kontakterin von uns, sie geht gern raus, quatscht mit Leuten und hilft so, das Ganze voranzubringen.
Gibt es auch Knackpunkte?
Man lässt Emotionen natürlich schneller raus gegenüber der Schwester als gegenüber einem anderen Kollegen. Aber wir haben da ein ganz gutes Miteinander gefunden. Wenn die Stimmung mal kippt, dann geht man raus und trifft sich in einer halben Stunde nochmal, um dann mit kühlem Kopf weiterzumachen.
Was haben Sie bislang über das Gründen gelernt?
Dass es sich immer lohnt, Hilfe zu holen. Es gibt so viele Netzwerke, von denen ich vorher auch noch nicht wusste, die uns richtig weitergeholfen haben, seien es Frauennetzwerke oder Netzwerke für Sozialunternehmer.
Mehr über Siteinander und das Crowdfunding erfahrt hier auf Siteinander.de