Darf man über Depressionen lachen? Unbedingt, sagt Autorin Ronja von Rönne. Sie kennt die Erkrankung selbst und findet: Humor hilft. Darum ist ihr neuer Roman "Ende in Sicht“ nicht nur berührend, sondern auch lustig.
EMOTION: Juli und Hella, die Protagonistinnen deines neuen Buches sind lebensmüde. Haben sie das mit dir gemeinsam?
Ronja von Rönne: Es wird oft gefragt, ob das Buch autobiografisch ist. Ich sage immer: alles erfunden, aber alles empfunden. Ich war auch schon an bestimmten Punkten, an denen Juli und Hella waren. Wobei die Lebensmüdigkeit der beiden sehr unterschiedlich ist. Während Juli tatsächlich depressiv veranlagt ist, ist es bei Hella vor allem viel Alterseinsamkeit, also eher den Umständen geschuldet.
Du machst keinen Hehl daraus, dass du selbst auch schon depressive Episoden hattest.
Bei mir ist es wie bei Juli eher genetisch. Ich hab nie auf einer Brücke gestanden, aber kenne solche Gedanken durchaus. Deshalb war es mir auch wichtig, abzubilden, dass die Depression jeden aus dem Nichts treffen kann, ob jung oder alt. Auch Leute, die eigentlich alles haben. Die Depression ist sehr wahllos.
Du hast 2019 auf Instagram öffentlich gemacht, dass du dich gerade wegen deiner Depression in einer Klinik behandeln lässt. Wie waren die Reaktionen darauf?
Es wäre deutlich anstrengender gewesen, das Ganze zu verstecken. Ich musste eine Lesereise absagen und hätte sagen können, es gäbe einen familiären Notfall. Aber der Notfall war ja ich! Schon nach meinem ersten Buch, in dem es um Panikattacken ging, habe ich gesagt, dass man zu diesen Dingen stehen sollte. Also habe ich gepostet, dass ich in eine Klinik gehe. Die Resonanz war überwältigend. Viele Teenager haben mir geschrieben, dass sie sich erst dadurch getraut haben, mit ihren Eltern zu reden. Das war das beste Feedback, das ich je bekommen habe, was ein bisschen unfair ist, weil ich dafür nicht mal ein Buch schreiben musste (lacht).
Glaubst du, es wird noch zu wenig über Mental Health gesprochen?
Auf Instagram sieht man das Thema überall. Das sollte einen aber nicht dazu verführen, zu glauben, dass Depression nun eine gesellschaftlich akzeptierte, „normale“ Krankheit ist. Wie alle anderen unsichtbaren Krankheiten wird sie das wohl auch nie sein. Es ist schwer, sie Menschen begreifbar zu machen, die das nicht kennen. Es schadet also auf jeden Fall nicht, mehr drüber zu reden.
Eigentlich wolltest du nicht mehr die Galionsfigur für Mental Health sein. Wieso hast du doch wieder darüber geschrieben?
Ich glaube, es fällt mir leichter, über Sachen zu schreiben, die ich nachvollziehen kann. Dieses Buch habe ich aber nicht wegen, sondern trotz der Depression geschrieben. Es ist nicht so, dass man abends beim Whisky übers Leben seufzt und dann hat man einen Bestseller. Meist macht die Depression arbeitsunfähig, weil man von Selbsthass geplagt nicht schlafen kann oder nicht aus dem Bett kommt. Aber wenn sie mir schon Wochen meines Lebens raubt, kann sie ja auch mal was für mich tun.
Hilft dir das Schreiben?
Nee, ich hasse schreiben! Etwas geschrieben zu haben ist aber super. Es gibt von 200 Seiten ungefähr zehn, bei denen die Arbeit richtig Spaß macht. Bei allen anderen muss ich mich erst mal aufraffen, die Küche aufräumen und den Mann anschnauzen, bevor ich mich an das Dokument setze. Ein Buch zu schreiben ist wirklich eine wahnsinnig bescheuerte Idee. Mach ich nie wieder!
Wirklich nicht?
Das Problem ist – es ist ein bisschen wie mit Geburtsamnesie: Man vergisst, wie schlimm die Schmerzen waren, und kriegt noch ein Kind. In dem Moment, wo ich das Buch in den Händen halte, denke ich: Hä, so schlimm war’s doch gar nicht. Also mal sehen, vielleicht schreib ich doch noch eins.
In deinem Roman wechseln sich Gefühle von Hoffnungslosigkeit mit albernen Situationen ab. Ist Humor eine Waffe gegen die Krankheit?
Ja, Humor ist ein Regenschirm, den man sich über all das Schlimme drüberspannen kann. Ich finde man sollte sich unbedingt über die Depression lächerlich machen! Nicht über Depressive und Erkrankte, aber über die Krankheit an sich. Denn sie ist ein albernes, ekelhaftes, blödes Biest. Die Realität, die sie uns vormachen möchte, ist so lächerlich und falsch. Ich äffe sie auch gern nach: „Alles ist so schlimm!“
In deinem Leben scheinen sich die Dinge aber zum Positiven gewendet zu haben. Wie ist dir das gelungen?
Ich hatte viel Glück, gute Menschen um mich herum zu haben. Ich weiß, wie schwer es ist, sich Hilfe zu holen. Aber man sollte nicht warten, bis es einem richtig schlecht geht, sondern zum Arzt gehen, wenn man jeden Morgen unglücklich aufwacht. Die Depression lügt ohne Ende, vor allem mit dem Satz: "Das bleibt jetzt für immer so." Dabei ist das Einzige, was im Leben verlässlich ist, dass nichts immer so bleibt.
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