Trotz Krisen und Skandalen scheint die Popularität der Königshäuser ungebrochen. Von Märchen, Monarchen und mentaler Gesundheit
Der Tod ihres Mannes Prinz Phillip im letzten Jahr, die Missbrauchsklage gegen Prinz Andrew die andauernden Spannungen mit Enkel Harry – die Queen hatte es zuletzt wahrlich nicht leicht. Wenigstens ihre Untertan:innen stehen auch in unruhigen Zeiten hinter ihr: So ist sie im Jahr ihres Platin-Thronjubiläums laut einer aktuellen Umfrage die Beliebteste unter den britischen Royals. Und obwohl #abolishthemonarchy (Monarchie abschaffen) gerade wieder auf Twitter trendet, können sich 46 Prozent der Brit:innen ihr Land nicht ohne Royals vorstellen, rund 60 Prozent sind weiterhin an News der königlichen Familie interessiert. Gerade hat der Palast gemeldet, dass die Queen Corona hat – zum Glück nur mit milden Symptomen, bless you. Und die Welt(presse) fiebert mit.
Königlich amüsieren
Ich gestehe: Ich auch! Mein Faible für Fürstliches führe ich zurück auf die „Königlichen Romanzen“ meiner Mutter: Die großformatigen Sammelhefte über Lieben und Leben der europäischen Aristokratie erschienen Anfang der 90er Jahre und waren optisch und inhaltlich ansprechend aufgemacht (bekommt man übrigens heute noch zuhauf bei Ebay). Schon nach Band 1, der Liebesgeschichte der legendären Grace Kelly (später Grazia Patrizia von Monaco) und Fürst Albert, war es um mich geschehen – begeistert blätterte ich mich durch Verlobungen und Zerwürfnisse, Hochzeiten und Todesfälle. Seitdem schwöre ich auf meine „daily dose of duchess“, die Kate, Meghan & Co. mittlerweile ganz volksnah auf Insta & Co. selbst vertreiben… äh, verbreiten. Klatsch auf Knopfdruck, der mich entspannt und zerstreut.
Royals & Resilienz
Und ja, mir – und allen, die neue Fotos von Archie & Lilibet oder die Pläne der Queen ein Hundeparfüm rauszubringen, feiern – ist dabei völlig klar: Der Hang zur Selbstvermarktung ist noch eine der eher verzeihbaren royalen Verfehlungen.
Nicht mehr zeitgemäß, reaktionär, repressiv, korrupt – tatsächlich haben die Skandale der letzten Jahre den europäischen Monarchien schwer zugesetzt. Dennoch ist das öffentliche Interesse an ihnen immer noch hoch. Unfehlbar sind sie nicht, aber resilient, das muss man ihnen lassen. Darf man sich also aus dem ganzen königlichen Chaos die Kronjuwelen kurzweiliger Unterhaltung rauspicken? Sich über Prinz Harrys Ambitionen als life coach amüsieren und sich mit Mette-Marit auf ihr erstes Enkelkind freuen?
Moderne Märchen – warum uns die Monarchie immer noch fasziniert
Vor einer Antwort darauf stellt sich mir erst noch die Frage: Warum interessieren sich denn überhaupt so viele dafür? Eine durchaus plausible Erklärung für das Phänomen liefert die Psychologie mit der Theorie der Archetypen, Urbildern, die tief im kollektiven Unterbewusstsein verankert sein sollen. Es sind Figuren wie Held:in, Herrscher:in oder Liebende:r, die uns in den Märchen und Geschichten unserer Kindheit berührt und geprägt haben – und die wir in den Royals wiederentdecken. Guter alter Eskapismus also: Wir träumen uns raus aus dem Alltag in eine „heile“ Märchenwelt. In Maßen durchaus förderlich für die mentale Gesundheit. Und ja, gerade in Pandemiezeiten völlig legitim, wie ich finde. Sogar noch viel besser als Serien zu streamen. Die Projektionsflächen sind nämlich echte Menschen, deren Schicksale und Erfolge wir seit Jahrzehnten begleiten und die uns näher sind als Khaleesi und Jon Snow es je sein könnten. Real Life Game of Thrones sozusagen! Gleichzeitig noch weit genug weg, damit wir kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir Schadenfreude empfinden angesichts royaler Patzer und uns bei groben Fehltritten ganz klar distanzieren können. Letztere gehören hoffentlich mit der neuen Generation der jungen, emanzipierten und engagierten Royals, die in den nächsten Jahren die Thronfolge antreten, bald der Vergangenheit an. Das wäre doch einfach märchenhaft! Change is coming.
Buchtipp:
Neugierig geworden? Dann einfach in den Sammelband "God save the Queen" zum 70. Thronjubiläum der Königin von England (Knaur, erscheint 1. März) reinlesen. Autoren und Prominente, wie Franziska Augstein und Gloria von Thurn und Taxis, erzählen hier von besonderen Erlebnisse und Anekdoten mit "her majesty".
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