Dürfen Frauen und nicht-binäre Menschen bald auch "oben ohne" ins Schwimmbad? Das wird diesen Sommer heiß diskutiert. Grundsätzlich eine tolle Idee. Dass der Vorschlag bei Männern aber besser ankommt als bei Frauen wirft die Frage auf: Wem tun wir damit einen Gefallen?
Free the Boobs?
Ob bald auch Frauen und nicht-binäre Menschen mit nackter Brust ins Schwimmbad dürfen, wird diesen Sommer in einigen Bundesländern heiß diskutiert. In Hamburg-Eimsbüttel reichte die SPD kürzlich einen entsprechenden Antrag in der Bezirksversammlung ein und auch in Berlin steht das Thema auf der Agenda. In Göttingen läuft noch bis Ende August eine Testphase, in der alle Badegäst:innen am Wochenende "oben ohne" schwimmen dürfen.
Auslöser der Debatte war der Fall einer nicht-binären Person, die letzten Sommer in einem Göttinger Schwimmbad Hausverbot erhielt, nachdem sie dort mit nackter Brust schwamm. Die Verantwortlichen des Schwimmbades lasen die Person als Frau, diese wehrte sich dagegen.
Mehr als ein Drittel findet "oben ohne" für alle gut
Laut einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur würden es mehr Menschen in Deutschland positiv (37 %) als negativ (28 %) bewerten, wenn auch Frauen und nicht-binäre Menschen in Schwimmbädern ohne Oberbekleidung schwimmen dürften.
Vor allem Männer sind dafür
Allerdings zeigt sich hier ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern: Auf die Frage "Erste Bäder erlauben nackte weibliche Oberkörper zu bestimmten Zeiten – wie finden Sie das?" antworteten nur 28 Prozent der Frauen mit "sehr gut" oder "eher gut", bei den männlichen Befragten waren es 46 Prozent.
Ich erlaube mir hier mal zu unterstellen, dass die Zustimmung der Männer nicht allein durch ihren starken Gerechtigkeitssinn und ihren Einsatz für Gleichberechtigung motiviert ist – sondern viele von ihnen, pardon my french, auch einfach "Bock auf Titten" haben. Und genau da liegt das Problem. Grundsätzlich wäre es toll, wenn jede Person einfach selbst entscheiden könnte, was sie tragen möchte und was nicht. Und in einer idealen Welt wäre das auch möglich. Aber: Weibliche Brüste sind de facto sexualisiert und wer sich als Frau oder nicht-binäre Person "oben ohne" auf die Wiese legt, kann sich beinahe sicher sein, dass gaffende Blicke, Kommentare oder sogar heimliche Fotos nicht lange auf sich warten lassen. Daran sind aber nicht unsere Brüste schuld, sondern ihr Status in unserer Gesellschaft. Der Bart eines Mannes ist schließlich genauso ein sekundäres Geschlechtsmerkmal und muss trotzdem nicht bedeckt werden, um die "guten Sitten" zu wahren. Es scheint hier also nur einen Weg zu geben: Brüste normalisieren – so wie den Bartwuchs.
Brüste normalisieren – aber wie?
Um tatsächlich an einen Punkt zu kommen, an dem sich Menschen aller Gender gleichermaßen selbstverständlich ihrer Shirts entledigen können, wird es vor allem Zeit, Gewohnheit und viele nackte Oberkörper brauchen. Dafür ist "oben ohne" für alle ein richtiger und wichtiger Schritt und ich feiere jede Person, die hier als Vorreiter:in blankzieht. Ich persönlich werde mein Bikinioberteil wohl trotzdem erst einmal anbehalten – weil ich leider noch nicht soweit bin, dass ich die Gafferei einfach ignorieren könnte und sie mir nicht meine gute Zeit im Schwimmbad versaut. Die grundsätzliche Erlaubnis, oberkörperfrei das Schwimmbad zu besuchen, macht uns also noch nicht wirklich frei in unserer Entscheidung. Allem voran ist es an den Männern, uns einen sicheren Raum zu bieten, unser Oberteil auch mal wegzulassen. Und vielleicht können ja diejenigen, die das nicht schaffen und sich unangemessen verhalten, beim nächsten Mal Hausverbot im Schwimmbad bekommen – und nicht die Person, die mit freiem Oberkörper schwimmen geht.
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