Nicole Wehn ist Personal Branding Expertin und will jetzt vor allem eins: dass Frauen nicht hinter dem Herd verschwinden sondern selbstbewusster denn je auftreten!
Nicole Wehn ist Personal Branding Expertin und hilft Unternehmerinnen und Selbstständigen sich glasklar als Personenmarke zu positionieren, um so online sichtbar zu werden und Kunden zu gewinnen. Heute unterstützt die 43-Jährige erfolgreiche Offline-Unternehmerinnen dabei, auch online nachhaltig durchzustarten. Ihr Wissen gibt sie in Coachings, Workshops & Online-Kursen weiter. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren 2 Kindern in Hannover. Mehr zu Nicole Wehn auf solou.de.
EMOTION: Corona hat Frauen zurück in die Fünfziger katapultiert und angeblich Jahrzehnte der hart erkämpften Emanzipation einfach ausgelöscht. Wie sehen Sie das?
Ich sehe das nicht so schwarz und weiß. Diese Krise hat ja ein noch nie da gewesenes Ausmaß und ist eine Situation, die so noch niemand erlebt hat. Wir wissen nicht, wie lange die Krise anhält und was uns noch erwartet. Frauen wie Männer müssen sich erst einmal an ein neues Normal gewöhnen.
Für mich sind die Frauen immer noch da, wo sie vor der Krise waren.
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Nur weil viele Frauen jetzt auch zuhause sind und sich um die Kinder kümmern, heißt das noch lange nicht, dass sie in die Nachkriegszeit zurückfallen. Viele arbeiten ja weiterhin, nur halt anders! Ich sehe diese Situation eher als Chance, dass wir unsere Partner mehr in die Pflicht nehmen. Denn es stimmt schon, dass in vielen Haushalten viele Aufgaben nach wie vor von den Frauen erledigt werden. Mein Mann und ich sind zum Beispiel ein gutes Team, sowohl als Eltern, als auch als Paar. Dennoch übernehme ich viele Themen, die mit den Kindern zu tun haben. Das war auch schon vor Corona so und ist in vielen Familien der Fall. Genau wie jetzt auch. Wir müssen uns ja grundsätzlich die Frage stellen, warum das so ist. Wir Frauen sind gehaltlich leider nach wie vor noch weit hinter unseren männlichen Kollegen und der Mann verdient einfach oft mehr. Auch sind wir Frauen diejenigen, die oft nur Teilzeit arbeiten, da der Mann eh mehr verdient. Und so ist es auch jetzt kein Wunder, dass wir Frauen wieder zurückstecken. Das muss sich grundsätzlich in unserer Gesellschaft ändern. Aber das ist eine Diskussion, die auch ohne Krise weitergeführt werden muss. Damit wir in der aktuellen Situation beide von zuhause gut arbeiten können, mussten wir entschleunigen, weil wir durch die Kinderbetreuung eine neue Situation hatten. Wir haben unsere Prioritäten anders gesetzt, indem wir uns beispielsweise so absprechen, dass jeder seine Arbeitszeiten hat und die Termine koordiniert hat. Klar war das ziemlich holprig anfangs, aber es ist eine noch nie dagewesene Situation, da gibt es keine Anleitung.
Vielleicht sollten wir Frauen auch einfach ein bisschen netter zu uns sein und nicht immer alles perfekt machen wollen. 80% reichen meistens auch.
Wieso fällt es Frauen so schwer, für ihre Bedürfnisse und Rechte einzustehen?
Was meine Generation angeht, so glaube ich, dass sie es einfach nicht anders gelernt hat. Wir sind mit Cinderella und Jasmin von Aladdin groß geworden: auch starke Frauen, die aber alle das Ziel hatten, ihren Traummann zu heiraten und dann bis an ihr Lebensende mit ihm glücklich zu sein. Das hat sich heute doch stark geändert. Meine Tochter, die jetzt 10 Jahre alt ist, wird später noch mehr Möglichkeiten haben als wir und unsere Mütter. Sie wird mit Vorbildern groß, die für ihre Erfolge gefeiert werden und alles erreichen können. Beispielsweise mit Kylie Jenner und Selena Gomez. Aber auch ich versuche meiner Tochter als gutes Beispiel voran zu gehen, und ihr beizubringen, dass wir Frauen alles erreichen können. Solch erlernte Prägungen ändert niemand über Nacht. Ich merke das in meinen Coachings, wo viele gestandene 40-jährige Angst vor der Meinung anderer haben, nicht auffallen wollen und geradezu harmoniesüchtig sind.
Männer hauen ihre Preise raus, Frauen verkaufen sich oft unter Wert, denken, dass es sich in einer Krise ‘nicht gehört’, Geld zu nehmen.
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Das ist heute bei der Instagram und TikTok Generation anders: diese Frauen haben keine Angst, sich zu zeigen und klar für ihre Meinung einzustehen. Dafür muss man dann auch mal Kritik einstecken können. Das kostet viele ältere Frauen eine unglaubliche Überwindung. Es werden aber immer mehr, die sich zeigen und ihrer Stimme Gehör verschaffen wollen. Da haben die sozialen Medien sicherlich auch einen Schneeball-Effekt.
Was raten Sie Frauen aktuell, wenn sie sich zwischen Job und Familie zerreißen und mehr Überstunden denn je machen?
Halten Sie durch! Aber vergessen Sie sich dabei selbst nicht! Frauen opfern sich gerne auf, obwohl das gar nicht notwendig ist. Trauen Sie Ihrer Familie auch etwas zu und lassen Sie sie an den täglichen Aufgaben teilhaben. Da müssen viele Frauen noch an ihrem Mindset arbeiten und die Familie als Team sehen. Wir müssen alle mit unserer Energie und unseren Kräften haushalten und sollten einfach viel öfter um Hilfe bitten. Oder wenn es sein muss, auch mal mit der Faust auf den Tisch schlagen.
Chefs plädieren jetzt häufig an den Sozialinstinkt von Frauen: der Firma geht es schlecht, man ist auf noch mehr Arbeitsleistung angewiesen. Was können Frauen machen?
Frauen sollten sich darauf besinnen, was sie in so einem Fall vor der Krise getan hätten und vor allem lernen, auch mal nein zu sagen. Da können wir uns von den Männern eine gehörige Scheibe abschneiden: Wenn es nicht geht, geht es nicht und jeder Mensch, jede Frau ist die oberste Priorität. Klar ist es wichtig, auch den Arbeitgeber zu unterstützen, aber nicht um jeden Preis. Suchen Sie auf jeden Fall das Gespräch mit dem Chef und beantworten Sie vorher diese Fragen:
- Was wird von mir erwartet?
- Was kann ich momentan leisten?
- Was ist Teil meiner Aufgaben und wo liegen die Prioritäten?
Wichtig ist jetzt, einen klaren Vorschlag zu entwickeln, wie die nächsten Wochen aussehen können. Dabei ist es sehr wichtig, sachlich zu bewerten und es auch im Gespräch zu bleiben. Wir sitzen gerade alle im gleichen Boot. Unterstützung, da wo es geht ist wichtig, aber auch der Chef sollte verstehen, dass alles seine Grenzen hat.
Wie können Frauen während der Coronakrise selbstbewusst auftreten?
Genauso wie vor der Krise.
Nur weil wir eine Pandemie haben, ist unsere Leistung, unser Wissen, unsere Arbeitskraft nicht weniger wert.
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Klar, die Situation ist neu, aber dennoch hat der Mensch denselben Wert. Um das Selbstbewusstsein zu stärken, hilft es, alle seine Stärken und Werte aufzuschreiben. Fragen Sie dazu gerne auch Freunde und Verwandte. Da kommen oft überraschende Antworten, die dem Selbstwertgefühl guttun, womit man den Auftritt gegenüber anderen stärkt. Auch ist es wichtig, sich Unterstützung zu suchen. Einen Kollegen, eine Freundin, den eigenen Mann. Gemeinsam können Sie dann Lösungsansätze entwickeln, die für alle Beteiligten umsetzbar und machbar sind.
Wie könnte sogar eine Gehaltsverhandlung gelingen?
Wenn Sie bei einem Arbeitgeber angestellt sind, der nun mehr Umsatz macht als vorher oder den gleichen, weil er sein Business entsprechend gedreht hat oder etwas anbietet, was nach wie vor hohen Absatz hat, dann hat sich an den Umständen wenig geändert und die Gehaltsverhandlung kann ganz normal ablaufen. Sammeln Sie dafür Argumente, listen Sie Ihre Leistungen und Ergebnissen der vergangenen Zeit konkret auf und stellen Sie einen Plan für die Zukunft vor. Stimmen die Argumente, gibt es keinen Grund, nicht zu verhandeln oder nach einer Gehaltserhöhung zu fragen. Denken Sie auch an die Einsprüche Ihres Chefs. Was könnte er Ihrer Forderung entgegenhalten? Schreiben Sie dann auf, was diese Einsprüche entkräftet. Schlimmstenfalls sagt er nein. Aber dann haben Sie wertvolle Erkenntnisse für die nächste Gehaltsverhandlung gewonnen. Aber wenn Ihr Arbeitgeber gerade wegen der Krise in Schwierigkeiten steckt, sollte man die Gehaltsverhandlung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Wie kann ein Jobwechsel gelingen?
Gerade in dieser Zeit gibt es sehr viele Bereiche, die absolut boomen. Wer beispielsweise im digitalen Bereich tätig ist oder im Online-Marketing, hat jetzt gerade Hochkonjunktur. Da ist es natürlich ein Leichtes, den Job zu wechseln. Wie bei der Gehaltsverhandlung hilft es auch hier, sich seine Stärken aufzuschreiben, und zu schauen, ob es woanders besser passen könnte. Allerdings macht es immer Sinn, zuerst zu prüfen, ob es denn unbedingt ein Jobwechsel sein muss oder ob Sie nicht gerade in dieser Zeit etwas für die Verbesserung der Lage beim Arbeitgeber tun können. Können Sie zum Beispiel neue kreative Ansätze und Lösungen entwickeln, um Ihren Job wieder aufregender und erfüllender zu gestalten?
Jetzt sollten Frauen lernen…
Frauen sollten jetzt lernen, diese Krise als große und einmalige Chance zu sehen. Eine Chance, in sich zu gehen, innezuhalten und sich auf die eigenen Werte und Stärken zu besinnen, um dann zuversichtlich und selbstbewusst in die Zukunft zu schauen. Jede Frau kann jetzt mit dem richtigen Mindset noch mehr durchstarten als vorher. Wenn Sie Lücken erkennen, dann schließen Sie diese anhand von Online-Kursen oder Fortbildungen. Gerade jetzt ist auch sehr viel kostenfreier Content online verfügbar. Vielleicht hilft das ja schon, neue Impulse zu gewinnen und die Krise auch als Chance wahrzunehmen.
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