Ann-Katrin Schmitz ist Expertin für Influencer-Marketing, Social-Media-Marketing und E-Branding. In ihrem Podcast “Baby got Business” teilt sie zweimal monatlich ihr Wissen rund um die Branche. Ein Gespräch über Social-Media-Trends, Prognosen und die Frage, wie sie ihre eigene Social-Media-Marke erfunden hat.
EMOTION: Welche sozialen Kanäle sollten Unternehmen und auch Personal Brands bedienen und geht es überhaupt noch ohne?
Ann-Katrin Schmitz: Es gibt wenig Möglichkeiten zur Vernetzung und Positionierung, die eine so geringe Eintrittsbarriere haben wie Social Media. Ein Account am Handy ist schnell eingerichtet. Für mich besteht deshalb gar keine Frage, ob wir soziale Netzwerke überhaupt bedienen sollten, egal ob als Personal Brand oder auch als große Marke oder Medienhaus. Das Thema hat für jeden eine große Relevanz und deswegen hören mir die Leute jetzt auch intensiver zu, als sie es 2014 gemacht haben, als ich in dem Business anfing.
Welche Plattform sollte unbedingt benutzt werden?
Aus Markenperspektive ist es ganz wichtig die Zielgruppe genau zu kennen, zu wissen, wo diese digital unterwegs ist: Welche Art von Medien konsumiert die Zielgruppe gerade gerne, wie informiert sie sich und welche Content-Formate schaut sich die entsprechende Altersgruppe gerade an? Ein Format, an dem wir alle nicht vorbeikommen, ist Bewegbild. Wir in unserer Social-Media-Marketing-Experten-Bubble sind uns einig, dass es in den nächsten zwei Jahren fast gar keinen statischen Content mehr geben wird. Aktuell sind es Short-Vertical-Video-Formate, die besonders gut funktionieren – TikTok, Instagram-Reels und YouTube-Shorts. Das wird wiederum auch mit Sichtbarkeit belohnt, man sollte man auf jeden Fall in den nächsten zwei Jahren lernen, wie man das gut nutzt. Es ist mittlerweile gar nicht mehr so einfach, Menschen 15 Sekunden lang zu fesseln. Wir sind einfach so abgelenkt, weil es so viel Content im Internet gibt, dass man sich wirklich absetzen muss, und das macht man durch Storytelling. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird man wahrscheinlich gar nicht mehr die Möglichkeit haben, ein schlichtes Foto hochzuladen, und drauf sollten sich alle schon einmal innerlich vorbereiten.
Was ist mit TikTok? Ich persönlich habe davor Respekt, dabei gehöre ich eigentlich zur Zielgruppe.
Das grundlegende Problem, das viele Ü25 mit der Plattform haben: Es herrscht die Annahme, dass man perfekte Videos liefern müsse. Das stimmt aber gar nicht. Die Dinge, die auf TikTok gut funktionieren, sind häufig die ganz echten, ungefilterten Inhalte, die Spaß machen. Das ist auch ein Kernpunkt: Du musst Spaß bei der Sache haben, sonst merken die Leute das - und das gilt für jede Plattform. Meine Empfehlung: einfach ausprobieren, was einem liegt. Ich habe mich kürzlich mit einer TikTok-Expertin getroffen und mir selbst noch einmal Tipps geholt. Sie hat ein paar epische Sätze gesagt, nämlich: Denk doch in Formaten. Es ist gar nicht so wichtig jeden Tag zu posten und dann am besten dreimal am Tag. Immer, wenn etwas Cooles bei dir passiert, zum Beispiel ein neuer Produkt-Launch, ein Rebranding oder ein Shooting ansteht, dann begleitest du das mit TikTok. Und das machst du dann intensiv für ein bis zwei Tage mit drei bis zehn Videos am Tag. Die restlichen Tage, an denen du nichts zu senden hast, lässt du es auch einfach mal sein. Das hat mich beruhigt, weil das entgegen der Instagram-Strategie läuft.
Du musst deiner Marke oder deinem Produkt ein Gesicht geben
In deinem Podcast "Baby got Business" sprichst du in einer Folge über die Social-Media-Trends 2022. Darin forderst du, Content müsse persönlicher werden – zum Beispiel, in dem sich mehr Menschen vor der Kamera zeigen. Warum?
Instagram und Co. wurden nicht für Marken gemacht und auch eigentlich nicht für Influencer, sondern für Menschen. Das funktioniert ja alles nur, weil wir alle Lust haben, uns den Content anzuschauen. Mindestens 20 bis 25 Prozent des Angebots sollte ein persönlicher Einblick in deinen Arbeitsalltag sein. Es muss einen Persönlichkeitsaspekt geben, damit man den Charakter der Person, die hinter einem Account steht, auch erkennen kann. Du musst deiner Marke oder deinem Produkt ein Gesicht geben. Das klappt aber auch, indem man nicht da eigene Gesicht jeden Tag in die Kamera hält. Deswegen funktionieren gerade Plattformen wie LinkedIn so gut, weil Menschen nicht mehr für Marken arbeiten wollen, weil die ein cooles Image haben, sondern für die Personen dahinter.
Was erwartet uns im Jahr 2023 in den sozialen Medien?
Mehr digitale Influencer und digitale Charaktere. Das ist meine Zukunftsprognose für die nächsten vier Jahre. Die rein digitalen Persönlichkeiten sehen noch nicht ganz fotorealistisch aus, das wird sich allerdings in den nächsten Jahren ändern. Das sehen wir auch in der ganzen Deep-Fake-Entwicklung, es ist inzwischen möglich, digital jedes Gesicht auf jeden Körper zu setzen. Das bringt natürlich auch viele Probleme mit sich, aber grundsätzlich ist es eigentlich eine tolle Technologie, in der viel Potenzial für die Marketingbranche steckt. Und womit die meisten Unternehmen, Marken und auch Personal Brands struggeln, ist ja der Umstand, dass viele Menschen eben doch nicht bereit sind, ihr Gesicht fortwährend für ihre eigene Marke oder auch für das Unternehmen, in dem sie arbeiten, in die Kamera zu halten. Ein Beispiel ist Olaplex, einer Haarcompany in den USA: Die haben vor kurzem einen digitalen Corporate Influencer eingeführt, die sieht wirklich echt aus. Sie wechselt immer ihre Haarfarbe, das passt natürlich super zum Produkt, und sie gibt jetzt der Marke ihr Gesicht.
Was würdest du den Leser:innen zum Schluss gerne mitgeben, die überlegen, mit Personal Branding auf Social Media durchzustarten?
Ich kann nur jede:m mitgeben: Findet das Format, das für euch die geringste Eintrittsschwelle hat. Man kann da einfach ein bisschen herumprobieren und sich im zweiten Schritt wirklich überlegen: Wer möchte ich im Internet sein. Für mich persönlich ist es so: Jedes Mal, wenn ich mir eine Kamera vors Gesicht halten muss oder einen Podcast aufnehme, dann schlüpfe ich ein bisschen in die Rolle der "Baby Got Business"-Ann-Katrin. Das heißt nicht, dass ich privat ganz anders bin, aber das hilft, um eine gewisse Distanz zur Social-Media-Präsenz zu bewahren und mich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Das kann ich nur jede:m mitgeben. Habt Spaß dabei, macht's einfach und macht's authentisch. So, wie ihr es für richtig haltet.
Ann-Katrin Schmitz nimmt ihre Follower auf Instagram mit durch ihr Leben, in ihrem Podcast Baby got Business spricht sie zwei Mal im Monat über aktuelle Themen der Social-Media- und Influencer-Marketing-Szene.
Das Interview ist im Rahmen des EMOTION Women's Day 2022 entstanden. Der EMOTION Women's Day ist die jährliche Frauen-Jobkonferenz von EMOTION. Abonniere hier den Newsletter, um keine Infos zum EMOTION Women's Day 2023 zu verpassen.
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