Die Gehaltscoachin Anne-Kathrin Gerstlauer möchte uns helfen, das zu verdienen, was wir verdienen. Sie erklärt, welche Argumente wir vorbringen sollten – und wann es besser ist zu schweigen.
Frau Gerstlauer, Sie verlassen in Gehaltsverhandlungen notfalls auch mal den Tisch, wenn Sie nicht das bekommen, was Sie sich wünschen. Sehr mutig!
Dazu muss man ehrlich sagen: Das kann ich jetzt natürlich viel einfacher tun als am Anfang von meiner Karriere. Ich bin in einer Position, in der ich weiß: Wenn ich das hier nicht mache, kann ich auch was anderes machen. Ich habe immer meine Untergrenze und meine Zielgrenze im Kopf, und genau das würde ich allen empfehlen. Die wenigsten Leute sind ja bereit, die Verhandlungen abzubrechen, das merkt das Gegenüber natürlich. Dann hat man überhaupt kein Gleichgewicht mehr, sondern eine Person weiß, dass die andere den Job eh machen will. Das gilt gerade bei Berufseinsteiger:innen.
Sie sagen, Vorbereitung ist das A und O für Gehaltsgespräche. Welche drei Dinge sollte man parat haben?
Zuerst sollte man wissen, was man gerade verdient. Ich kenne ganz viele Leute, die wissen das gar nicht so genau und werden von der Frage überrumpelt. Und zwar: Was verdient man im Jahr, nicht nur im Monat: Kriegt man 12, 13 Gehälter oder 13,5? Sonst verhandelt man etwas und bekommt am Ende nicht sehr viel mehr raus. Zweitens sollte man sich informieren: Was verdienen meine Kolleg:innen, was verdienen Leute in der Branche? Und sich fragen: Wie viel bin ich mir selbst wert? Ab welcher Summe wäre ich nicht mehr zufrieden? Und an dritter Stelle: bitte eine Liste erstellen mit den Dingen, die man im vergangenen Jahr geleistet hat. Was sind die Erfolge, die ich gefeiert habe? Habe ich neue Verantwortlichkeiten übernommen? Im Gespräch sollte man diese Erfolge selbstbewusst zum Thema machen. Dann merkt die andere Person, dass man es wirklich ernst meint.
Anne-Kathrin Gerstlauer ist Journalistin, Dozentin und Beraterin. Sie war Vize-Chefin des Online-Magazins "Watson". Heute berät sie Medienunternehmen, gibt Seminare und Workshops für Journalist:innen und bietet Gehaltscoachings an. Hier geht es zu ihrer Webseite.
Wie sinnvoll ist es ein Jobangebot von einem/r anderen Arbeitgeber/in mit in die Gehaltsverhandlung zu nehmen?
Ich bin auf jeden Fall dafür das transparent zu kommunizieren, aber nie zu aggressiv. Niemals nach dem Motto: Wenn ihr mir nicht mehr Geld bezahlt, dann verlasse ich den Job. Manche Vorgesetzte haben nämlich die Eigenschaft dann zu sagen: Wer gehen will, soll gehen. Es funktioniert viel besser, wenn man sagt: Ich bin total gerne hier, aber ich habe ein Angebot von einer Firma, das deutlich über meinem Gehalt hier liegt. Ich würde dabei immer sehr freundlich bleiben, damit lässt man sich erst gar nicht aus der Reserve locken. Man hat die eigenen Argumente und das, was man geleistet hat. Die andere Person soll dann mal schauen, dass sie ein bisschen mehr Geld auf den Tisch legt. Und wenn der Arbeitgeber:in einen halten will, ist das auch der Moment, in dem ein professionelles Unternehmen mehr Geld auf den Tisch legen wird.
Haben Sie noch einen Geheimtipp parat, wenn all das nicht zieht?
Schweigen. Und damit meine ich: nicht auf ausweichende Aussagen der Vorgesetzten reagieren. "Das Jahr ist nicht gut gelaufen", "So viel können wir nicht zahlen" – wenn man darauf eingeht, verhält man sich so, also wären das valide Argumente. Sind es aber nicht. Wer sich dann für seine Forderung rechtfertigt, begibt sich in eine schwächere Verhandlungsposition. Das Schweigen kann man zu Hause mit einem Gegenüber trainieren: einfach hinsetzen, Punkte vortragen und den Aussagen des anderen standhalten.
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