Den eigenen Job mit Freude und Begeisterung leben: Margit Dittrich (Business & Executive-Coach und Personalberaterin) macht vor, wie das geht. Sie verrät, wie man im eigenen Job wieder glücklich werden kann.
Selbst den größten Arbeitseuphoriker:innen geht gerade die Lust und die Luft aus, analysierte Noreen Malone kürzlich in einem großen Essay für die New York Times: "Ob remote oder in Präsenz, fast niemand, den ich kenne, arbeitet derzeit sehr gerne." Die emotionale Beziehung zu unserer Arbeit sei gestört. Wie können wir diese Beziehung heilen? Was macht uns eigentlich Freude an unseren Berufen? Working Women Chefredakteurin Julia Möhn hat über dieses Thema mit Margit Dittrich gesprochen. Sie ist ist Business & Executive-Coach und Personalberaterin. Zusammen mit Monika Dech hat sie 2015 das Netzwerk "Frauen verbinden" der Messe München gegründet, mit dem sie Frauen in Fach- und Führungspositionen vernetzen; seit 2018 führt sie außerdem das Hotel Le Cap Cassis in Südfrankreich. Ein volles, ambitioniertes, forderndes Arbeitsleben. Eines, in dem ich Margit oft voller Freude erlebe. Kann man sich das abschauen?
Julia Möhn: Ich habe bei dir immer den Eindruck, dir macht alles Freude, was du tust. Was ist der Zauber?
Margit Dittrich: Das freut mich, dass du diesen Eindruck hast. Aber ich darf dir hiermit feierlich verraten: Auch mir macht nicht alles Freude. Vielleicht bringt mir aber genau das den nötigen Kontrast zu dem, was wirklich toll an meiner Arbeit ist. Ich las neulich über den bekannten französischen Maler Pierre Soulages, dass er als Kind Schnee malen sollte. Und er malte einen Teil eines weißen Papiers schwarz. Daraufhin erschraken die Erwachsenen. Er aber wollte durch den Kontrast der Farbe Schwarz das Weiß des Papiers und damit den Schnee noch klarer machen. Was ich damit sagen will: Du kannst dich wirklich nur dann authentisch erfreuen, wenn du den Kontrast dazu kennst. Vielleicht ist das der Zauber: Erfreue Dich von Herzen in dem Wissen, dass es eben auch anders sein kann.
Wie muss Arbeit sein, damit sie dir Freude macht?
Ich sehe Arbeit zunächst einmal losgelöst von Zeit. Allein schon deshalb, weil mein Kopf quasi rund um die Uhr arbeitet. Doch das ist keine Last, sondern vielmehr eine große Lust auf Neues. Wenn ich mich dann noch mit Menschen umgeben darf, die quasi auf gleicher Wellenlänge sind, entsteht so oft so viel mehr als die Summe aller Teile. Das ist so ein schönes Erleben. Ich schätze dabei sehr den Austausch mit den unterschiedlichsten Typen von Menschen. Ja, ich glaube sogar, dass nur diese Vielfalt am Ende des bestmögliche Ergebnis hervorbringt.
Brauchen wir vielleicht unterschiedliche Rollen bei der Arbeit, damit sie uns Freude macht?
Ich bin davon überzeugt, dass wir die Rollen aufgrund unserer Talente und Veranlagungen alle von selbst mitbringen. Wir brauchen im Arbeitsleben vielmehr den Mut und auch die Freiräume, diese Rollen einbringen und ausleben zu dürfen. Das beginnt damit, dass sich Arbeit anders organisieren muss: aus der Präsenzkultur im Büro sollte eine Kompetenzkultur im Prozess entstehen. Doch es ist natürlich für viele einfacher, auf vorgefertigten Schienen zu rollen als neue Pfade zu erkunden. Da sind viele Organisationen noch arg schwerfällig.
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Die Burnout-Rate von Frauen in Führung liegt doppelt so hoch wie die von Männern in vergleichbaren Rollen, sagt eine aktuelle Studie von McKinsey. Beobachtest du das auch bei Frauen, mit denen du zusammenarbeitest? Wie schaffen wir es, diesen Gap zu schließen?
Burnout ist sicherlich ein Thema, nicht nur in Pandemie-Zeiten. Allein schon, weil viele Frauen auf so vielen Ebenen ihres Lebens nicht selten das Gefühl bekommen, 120 Prozent geben zu müssen, während sich manch Mann mit 80 Prozent oder weniger durchmogelt. Auch hier kommt es wie eben schon erwähnt darauf an, dass Organisationen darauf reagieren und z.B. Talente neu bewerten: Wenn Frauen nicht gesehen werden und Organisationen es nicht schaffen, eine optimale Plattform für sie zu bieten, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist, dann müssen wir uns über Burnout nicht wundern. Jeder Burnout – egal bei welchem Geschlecht – ist eigentlich ein faktisches Führungs- und Systemversagen.
Die Studie sagt auch, dass Frauen in Führung mehr für ihre Mitarbeitenden da sind als männliche Führungskräfte. Für andere da sein – das kann ja ganz viel Freude machen, aber auch viel Kraft kosten. Wie findest du die richtige Balance?
Ja, in der Tat: Empathie kann sogar sehr kräftezehrend sein. Umso wichtiger ist es, die Fähigkeit zu entwickeln, sich von dem Gedanken zu lösen, allen "helfen" zu wollen. So profan das klingen mag: Allein zu erkennen, dass man ein gewisses Helfersyndrom besitzt, und dies dann auch gegenüber Dritten zu benennen, ist der erste Schritt, sich davon situativ distanzieren zu können. Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich mich gut distanzieren kann, wenn ich merke, dass mich eine Situation mit einem Menschen zu viel Energie kostet. Zugleich weiß ich um den Energiegewinn, den es bedeuten kann, wenn man mit den richtigen Menschen zusammenarbeitet.
Wie verknüpft man denn Frauen so, dass sie Freude an dieser Verbindung haben?
Allein die Wertschätzung durch die Aufnahme in ein Netzwerk sowie das echte Interesse an der Person kann enormes Potential entfachen. Darüber hinaus macht Netzwerk dann Freude, wenn es nachhaltig trägt. Wenn du also wirklich erlebst, dass aus diesem "Mehr als die Summe aller Teile" der eigentliche Gewinn entsteht. Dieses Erlebnis darf nur nicht ungeduldig eingefordert werden. Netzwerken ist wie Tanzen auf glattem Parkett: Wenn du es zu schnell machst, wirkt es ungelenk und du gerätst ins Schlingern. Wenn du hingegen die Schrittfolge kennst und den Rhythmus verinnerlichst, kann daraus nicht nur eine Verbindung, sondern auch eine "Bewegung" entstehen.
Was macht dir am Netzwerken Freude?
Ganz klar: die Vielfalt. Ich habe durch meine Arbeit bei "Frauen-Verbinden" ein ungeahnt reiches Leben: reich an Einblicken, reich an Innovationen, reich an Begegnungen. Und gerade Begegnungen sind es doch, die Freude bereiten und unser Leben lebenswert machen. Das haben wir doch alle gespürt, als wir im Lockdown genau darin eingeschränkt wurden.
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