Auf der Spur der "Coronials": Hat die Pandemie eine neue Generation hervorgebracht und wenn ja – was macht ein Jahr Lockdown mit dem Nachwuchs?
Wir erinnern uns: Im ersten Lockdown, der nun etwa ein Jahr her ist, da wurde spekuliert: Wenn Pärchen in der Quarantäne viel mehr gemeinsame Zeit in der Wohnung haben, dann muss man ja nur eins und eins zusammenzählen, womit sie diese wohl verbringen. Sogar Sexspielzeug wurde knapp, las man in diversen Schlagzeilen. Und neun Monate müsste es ja dann sicherlich den großen Corona-Baby-Boom geben. Nun sind mehr als zwölf Monate um. Wo ist er denn jetzt, der prognostizierte Sprung in der Geburtsstatistik?
Corona-Baby-Boom bleibt aus
Der kommt nicht, zeigen Deutschlands Geburtenzahlen. Zwischen Dezember 2020 und Februar 2021, also dem Zeitraum, in dem die im ersten Lockdown gezeugten Kinder zur Welt gekommen sind, wurden 182.000 Geburten gemeldet. Das ist im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr nur ein Anstieg von 0,8 % und diese Veränderung liegt "im Bereich der üblichen Schwankungen monatlicher Geburtenzahlen" heißt es vom Statistischen Bundesamt.
Weniger Geburten in Krisenzeiten
Woran liegt's? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Überraschend ist der ausbleibende Corona-Baby-Boom nicht. Denn es ist üblich, dass in Krisenzeiten weniger Kinder geboren werden, ähnlich war es bereits in der Finanzkrise. Je höher die Arbeitslosigkeit, desto geringer die Geburtenrate – dieser Zusammenhang wurde sogar in einer Studie nachgewiesen. Der Grund: Finanzielle Unsicherheiten und eine instabile Arbeitssituation können Gründe sein, weshalb Paare ihre Familienplanung auf später verschieben.
Also gibt’s keine "Coronials"?
Eine neue Generation im eigentlichen Sinne gibt es mit Blick auf die Statistik also nicht, trotzdem ist immer wieder die Rede von "Coronials". Darunter fallen im allgemeinen Sprachgebrauch meist Babys, die in der Pandemie gezeugt oder geboren wurden.
Fest steht zumindest: Diese Kinder wachsen unter ganz anderen Umständen als vorherige Generationen auf – nämlich zwischen Desinfektionsständern, maskentragenden Menschen und ganz ohne den Kontakt zu anderen Babys. Vielleicht haben sie sogar noch nie in ihrem Leben andere Menschen außer die eigenen Eltern gesehen. Oder sie kennen Menschen nur mit halben Gesichtern. Passend dazu: Das Video einer Mutter aus Texas, in dem die kleine Tochter durch die Gegend läuft und hinter allen möglichen Gegenständen einen Desinfektionsmittelständer vermutet.
Beeinflusst die Pandemie die Entwicklung von Babys?
Doch beeinflussen diese durch Social Distancing bedingten Umstände die Entwicklung der Kinder negativ? Der Deutschlandfunk befragte dazu eine Entwicklungspsychologin der Universität Heidelberg. Tatsächlich könnten Kinder über offene Gesichter das meiste über andere Personen ablesen und lernen, Emotionen zu erkennen, gibt die Expertin Auskunft. Eine Maske verhindert dies natürlich. Dass die Entwicklung von Kleinkindern und Babys aber langfristig Schäden trägt, ist unwahrscheinlich. Experimente haben gezeigt, dass dreijährige Kinder die Emotionen auch aus der Augenpartie von Menschen ablesen können. Schwierig könnte es beim Hörverständnis werden, da Kinder die Lippenbewegungen ihres Gegenübers durch die Maske nicht erkennen können und es dadurch schwerer wird, das Gesagte zu verstehen. Belegt sind diese Vermutungen bislang aber nicht.
Mangelnder Kontakt zu anderen Babys ein Problem?
Ein weiterer Punkt: Kinder, die bald ihren ersten Geburtstag feiern, haben womöglich noch nie Kontakt zu anderen Babys gehabt. Angebote wie Krabbelgruppen fallen aufgrund der Kontaktbeschränkungen weg. Da fragen sich vermutlich viele Eltern, ob das die späteren sozialen Fähigkeiten des eigenen Kinds ungünstig beeinflusst. Pädagog:innen geben in diesem Punkt aber Entwarnung: Für die kindliche Entwicklung sei der mangelnde Kontakt zu anderen Kindern kein größeres Problem. Im ersten Lebensjahr seien die Eltern sowieso die wichtigsten Bezugspersonen für die Babys.
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