SOS-Kinderdorfmütter und -väter leben mit Kindern zusammen, die nicht bei den eigenen Eltern aufwachsen können. Viele sind Quereinsteiger:innen – und haben in diesem Beruf ihre Leidenschaft gefunden.
Eine SOS-Kinderdorfmutter erzählt
Barbara Wegener war früher Fremdsprachenkorrespondentin – nun ist sie schon mehrere Jahre Kinderdorfmutter aus Leidenschaft. "Meine eigenen Kinder waren flügge, und ich hatte doch noch so viel Energie", sagt sie im Interview. Mit Ende 40 sei sie bereits "ein bisschen spät dran" gewesen, konnte aber trotzdem noch mit der von SOS-Kinderdorf angebotenen Ausbildung zur Heim- und Jugenderzieherin beginnen. Zuvor begleitete Wegener bereits Sommerfreizeiten von SOS-Kinderdorf. Während der Ausbildung arbeitete sie in einer Kinderdorffamilie mit, um praktische Erfahrungen zu sammeln, bevor sie schließlich ihre eigene Kinderdorffamilie gründete.
Quereinstieg als SOS-Kinderdorfmutter oder -vater: So gelingt's!
SOS-Kinderdorf: Ein schönes Haus mit Bäumen vor der Tür
"Wir wohnen alle zusammen in einem schönen Haus mit Bäumen vor der Tür. Barbara ist immer für uns da. Sie kann sehr gut trösten, knuddeln und kochen." So erklären Julia, Mona, Torben, Nils und Oskar das Prinzip SOS-Kinderdorf, in dem sie leben und aufwachsen. Die fünf Kinder zwischen sechs und neun Jahren gehören zu Wegeners Kinderdorffamilie, sie leben gemeinsam unter einem Dach und teilen ihren Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen.
Alltagsheldin und emotionale Bezugsperson
"Die ersten Jahre waren sportlich, ja", erzählt Wegener lachend. Als die leiblichen Geschwister Julia, Mona, Torben und Nils einzogen, waren sie gerade einmal zwischen 2 und 4 Jahren alt. Zwei Jahre später kam der kleine Oskar dazu. Allein ist man als Kinderdorfmutter aber nie, auch zwei pädagogische Fachkräfte und eine Haushaltshilfe gehören zur Kinderdorffamilie. "Eine Kinderdorfmutter allein würde das nicht schaffen, denn die Kinder brauchen zusätzlich zu der Fürsorge und Liebe, die jedes Kind braucht, ganz spezielle Unterstützung", erklärt Wegener. Sie sieht sich vor allem als emotionale Bezugsperson für die Kinder – schließlich ist sie vom Windeln wechseln bis zum ersten Liebeskummer dabei.
Gemeinsamer Alltag – wie in jeder anderen Familie
Vom gemeinsamen Mittagessen und Hilfe bei den Hausaufgaben bis zum Spielen, Musizieren und individueller Förderung – die Aufgaben als Kinderdorfmutter oder -vater sind vielfältig. Der Tag beginnt mit dem morgendlichen Wecken der Kinder und endet mit dem "Gute Nacht" sagen, wie in einer richtigen Familie eben. Dazu gehört auch, dass Partner:innen oder eigene Kinder von Kinderdorfmüttern oder -vätern Teil einer Kinderdorffamilie sein können. Einen Tag in der Woche hat Barbara Wegener frei. Zusätzlich zum regulären Urlaub. "Wenn sie mal nicht bei uns schläft, kommt jemand anders, den wir genauso gut kennen", erklärt der siebenjährige Nils.
Noch Fragen? Hier gibt es Antworten zur Arbeit als Kinderdorfmutter oder -vater
Anfangs war jedes Obst eine Banane
Alle fünf Kinder in Wegeners Kinderdorffamilie wurden in ihrer frühen Kindheit stark vernachlässigt oder haben belastende Erfahrungen gemacht. Das beeinträchtigt ihre geistige, motorische und emotionale Entwicklung bis heute. "Anfangs war jedes Obst eine Banane", erinnert sich die Kinderdorfmutter. Während andere Kinder im Vorschulalter beispielsweise Obstsorten oder Tiere recht sicher benennen können und die Jahreszeiten kennen, gibt es bei Wegeners Schützlingen noch etwas mehr zu lernen. Bei SOS-Kinderdorf ist in einem sicheren Umfeld der Raum dafür gegeben und die Kinder können ein neues Leben beginnen.
Alle 13 Minuten wir ein Kind zu seinem Schutz aus seiner Familie genommen.
Viele Kinder haben nicht das Glück, in einem geborgenen und sicheren Zuhause aufzuwachsen. In 2021 wurden 36.245 Kinder vom Staat in Obhut genommen.* Häufigste Ursache war eine akute oder andauernde Überforderung der Eltern (53%). Anzeichen der Vernachlässigung (26%), körperliche (18%) und psychische Misshandlungen (12%) spielen jedoch auch oftmals eine Rolle.
Empathie statt lückenlosem Lebenslauf
Als ihre wichtigste Aufgabe empfindet Wegener es, den Kindern zu vermitteln, dass sie gut und liebenswert sind, so wie sie sind: "Auch wenn die Kinder zum Beispiel keinen Schulabschluss schaffen oder sprachlich immer Probleme behalten werden. Sie sollen gestärkt und selbstbewusst ins Leben gehen können, wenn sie bei mir ausziehen." Auch als Kinderdorfmutter oder -vater ist der eigene Werdegang sehr vielfältig – Quereinsteiger:innen sind hier gern gesehen. Eine von SOS-Kinderdorf angebotene dreijährige Erzieher:innen-Ausbildung bereitet Kinderdorfmütter und -väter auf ihre zukünftigen Aufgaben vor.
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*Quelle: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/07/PD22_315_225.html
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