Die Debatte, ob Celebrity-Nachwuchs es leichter hat, in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten, war im letzten Jahr besonders in den USA präsent. Jetzt kommt sie auch in Deutschland an. Ist die Schärfe der Diskussion angemessen oder doch eher überzogen? Zwei EMOTION-Redakteurinnen, zwei Meinungen.
Was sind Nepo Babys – und warum wird gerade so viel über sie gesprochen?
Es war eine der größeren popkulturellen Debatten des letzten Jahres: Werden die Kinder berühmter Schauspieler:innen, Models & Co. – sogenannte "Nepo Babys" – in der Branche bevorzugt behandelt, wenn sie in die Fußstapfen ihrer Eltern treten?
Ihren Namen haben die aufstrebenden Stars vom Wort "Nepotismus", der Vetternwirtschaft. Geführt wurde die Diskussion vor allem in den USA, wo sie auch entstand. Sie begann, als Lily-Rose Depp, die Tochter von Schauspieler Johnny Depp und Model Vanessa Paradis, in einem Interview all jene anprangerte, die ihr Vetternwirtschaft vorwerfen. Das italienische Model Vittoria Ceretti, das keine berühmten Eltern hat, kurbelte die Debatte schließlich mit einer Instagram Story an. "Du hast keine verdammte Vorstellung davon, wie hart man dafür arbeiten muss, dass die Leute einen respektieren. Es braucht Jahre. Du hast das gratis gekriegt – vom Tag deiner Geburt an", schreibt Ceretti dort. Obwohl sie Depps Namen nicht erwähnte, wird davon ausgegangen, dass sie mit ihren Worten direkt auf ihr Interview reagierte. Viele "Nepo Babys", unter anderem Gwyneth Paltrow, weisen die Kritik an ihnen vehement zurück.
Mittlerweile ist die Debatte auch in Deutschland angekommen. Als deutsche Nepo Babys gelten etwa Schauspieler Jimi Blue Ochsenknecht, Sohn von Natascha und Uwe Ochsenknecht, Model Leni Klum, Tochter von Supermodel Heidi Klum, und die Schauspielerin Lilly Krug, die die Tochter von Veronica Ferres ist.
Unsere beiden Redakteurinnen fragen sich: "Wie fair ist die ganze Debatte?"
"Lasst uns lieber das Business verteufeln, das es den Nepo Babys so leicht macht"
Zugegeben: Es ist gerade schwer, einen aufstrebenden Star zu finden, der keine Verwandten im Show-Business hat. Irgendwie aber auch logisch: Hollywoods Nepo Babys wachsen in einem kreativen Umfeld auf. Um sie herum tummeln sich Freigeister und Kunstschaffende, Filmemacher:innen und Entertainer:innen. Klar beeinflusst sie das in ihrer eigenen Karrierewahl. Vor allem, wenn ihnen vorgelebt wird, dass das mit dem großen Traum vom Starrummel auch tatsächlich funktionieren kann. Da liegt es nahe, dass sie ihr eigenes Glück versuchen wollen.
Dass sie dafür aber eben weniger Glück brauchen als andere, die im Show-Business durchstarten wollen, kann nicht bestritten werden. Ihre Vorfahren öffnen ihnen Türen, die für andere verschlossen bleiben. Doch sollte man ihnen deswegen ihr Talent absprechen? Denn das passiert unweigerlich, sobald man ein Nepo Baby darauf reduziert, ein Nepo Baby zu sein. Ihre Arbeit wird allein schon dadurch abgewertet, dass über ihre Vorfahren diskutiert wird und eben nicht über die Fähigkeiten in ihrem Job. Wir sind uns wohl alle einig, dass Vorurteile nie gut sind – und davon kleben mittlerweile mehr als genug an dem Begriff "Nepo Baby". Dabei sind viele von ihnen unglaublich gut in dem, was sie tun. Margaret Qualley (Tochter von Andie MacDowell und Paul Qualley), zum Beispiel. Oder Zoë Kravitz (Tochter von Lisa Bonet und Lenny Kravitz).
Ich finde total wichtig, dass über die Privilegien von Nepo Babys diskutiert wird, denn dadurch wird einem noch mal bewusster, wie unfair die Gesellschaft ist, in der wir leben. Was mir sauer aufstößt, ist die abwertende und generalisierende Art, wie viele den Begriff verwenden. Zumal es in anderen Branchen normal ist, denselben Beruf wie die Eltern zu erlernen. Da kräht kein Hahn nach (obwohl man das vielleicht auch mal ändern sollte…).
Ja, Nepo Babys haben schneller einen Fuß in der Tür. Aber ich glaube daran, dass sie sich in diesem Business auch nur halten können, wenn sie wirklich talentiert sind. Mal abgesehen davon, dass sich viele von ihnen – nicht alle, aber viele – ihrer Privilegien sehr bewusst sind. Und sowieso: Vielleicht sollte man eher das Business verteufeln, das es den Nepo Babys so leicht macht, und nicht die Nepo Babys an sich.
"Bei so vielen Annehmlichkeiten muss man sich diesen Vorwurf durchaus gefallen lassen"
In der Debatte – und so formuliert es auch Ceretti – geht es gar nicht darum, Menschen ihr Talent abzusprechen. Nur weil jemand, der beispielsweise im Model- oder Schauspiel-Business Fuß fasst, berühmte Eltern hat, heißt das noch lange nicht, dass dieser Jemand nicht begabt ist. Dass Nepo Babys es aber um ein Vielfaches leichter haben als viele andere, lässt sich nur schwer leugnen. Es wird gerne argumentiert, dass es das Eine ist, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Was danach kommt, sei, so sagen Nepo Babys es oft, sogar härtere Arbeit – eben weil sie ständig an ihren Eltern gemessen werden.
So kann man es natürlich auch sehen. Was bei dieser Argumentation allerdings außen vor gelassen wird, ist der Umstand, dass gerade der Anfang am schwersten ist. Besonders in einer knallharten Industrie wie der, in der die Celebrity-Sprösslinge meist landen. Es mag stimmen, dass berühmte Eltern nicht der Garant für Super-Erfolg sind. Aber im Gegensatz zu denen, die sie eben nicht haben, fallen Nepo Babys selbst dann weich, wenn ihnen der Durchbruch nicht gelingt. Sie fallen in ein Sicherheitsnetz aus Geld und Privilegien, von denen andere meist nur träumen können.
Das mag man jetzt als puren Neid abtun, aber es ist Realismus. Wie man sich bettet, so liegt man. Wer, wie Nepo Babys, seine Privilegien also in Anspruch nimmt (und daran ist grundsätzlich absolut nichts verwerflich), ist in gewisser Weise auch moralisch dazu verpflichtet, sie anzuerkennen. Wer das nicht schafft und dann trotzdem noch hofft, öffentlich bemitleidet zu werden, sollte sich vielleicht tatsächlich mal Gedanken machen, ob zu viele Annehmlichkeiten nicht doch den Blick auf die Realität trüben.
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