Alle reden über Integration – Kerstin Platsch tut etwas. Jede Woche kocht sie mit drei jungen Syrern. In ihrem neuen Buch hat sie darüber geschrieben.
EMOTION.DE: Frau Platsch, Ihr Buch "Drei Syrer an meinem Esstisch" ist entstanden, weil Sie sich regelmäßig mit drei jungen syrischen Männern zum Kochen getroffen haben. Wie kam es dazu?
Kerstin Platsch: Als im September 2015 die Flüchtlingswelle aufkam, wollte ich unbedingt helfen. Also bin ich damals zum Frankfurter Hauptbahnhof gefahren, um ankommende Flüchtlinge willkommen zu heißen. Aber das reichte mir nicht und deshalb habe ich als Ehrenamtliche in einer Erstaufnahmeeinrichtung angefangen. Beim Basketball spielen habe ich Ammar, Yassin und Issam kennengelernt. Nach Ende des Spiels sind wir zu mir gegangen, um etwas Arabisches zu kochen. Das hat sich dann etabliert, so dass wir seitdem jeden Samstag bei mir kochen.
Im Buch erzählen Sie die persönlichen Geschichten der drei Männer.
Genau. Während des Kochens haben sie immer mehr erzählt, weil sie sich in meiner Küche wohl ganz sicher gefühlt und wir uns angefreundet haben. Irgendwann dachte ich dann, dass wir das doch aufzeichnen könnten. Das lief so ab, dass der eine auf Arabisch erzählt, einer der anderen auf Englisch übersetzt hat und ich habe alles aufgeschrieben.
Weshalb haben Sie auch Rezepte mit aufgenommen?
Die Sachen, die wir gekocht haben, waren total lecker und außerdem fand ich, dass es wunderbar zur Auflockerung beiträgt. Die persönlichen Erzählungen nehmen den Leser emotional sehr mit und die Kochrezepte sind ein guter Gegensatz dazu.
Was haben die drei Männer auf ihrer Flucht erlebt?
Yassin und Ammar sind Cousins aus Damaskus, Issam kommt aus Aleppo. Sie sind unabhängig voneinander in die Türkei gegangen und anschließend nach Izmir, um mit Hilfe von Schleppern nach Griechenland zu kommen. Sie mussten viele Hürden überwinden und wurden immer wieder zurückgeworfen. Schließlich sind sie mühsam über Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland geflohen, zum Teil zu Fuß.
Flüchtlingen gleich nach der Ankunft das Kopftuch abreißen zu wollen, funktioniert nicht.
Kerstin Platsch, Autorin und Redakteurin über IntegrationTweet
Sie haben Ammar, Yassin und Issam auch sonst geholfen. Was haben Sie im Zusammenhang mit deutschen Behörden erlebt?
Das Schlimmste ist, dass man das Gefühl bekommt, dass sie nicht helfen wollen. Und einen Brief vom Amt versteht man erst mal überhaupt nicht. Telefonnummern werden gar nicht mehr herausgegeben, so dass man kaum eine Chance hat, die Behörde zu erreichen. Natürlich ist klar, dass sie bei der Menge der Anträge nicht jeden einzeln noch mal umdrehen können. Trotzdem ist dieser Zustand wirklich zum Verzweifeln.
Integration ist im Hinblick auf geflüchtete Menschen wichtig. Wie kann es überhaupt klappen mit der Integration?
Es ist nicht einfach, sich zu integrieren. Du brauchst im Grunde jemanden, der dir hilft und dich an die Hand nimmt, quasi eine 1-zu-1-Betreuung, nur dann kann es funktionieren. Was relativ problematisch ist, wenn man Flüchtlingen gleich bei der Ankunft das Kopftuch abreißen möchte – das funktioniert einfach nicht.
Wieso haben so viele Menschen Angst vor Flüchtlingen?
Diese Angst vor dem Unbekannten haben Menschen nun mal. Am besten hilft, sich damit zu konfrontieren. Man sollte am besten einfach mal hingehen und klingeln, die Menschen ansprechen, damit das Unbekannte verschwindet. Außerdem verstehen die meisten nicht, wie wenige Flüchtlinge tatsächlich hergekommen sind und es nur deshalb so viel erscheint, weil das Thema so aufgebauscht wurde.
Treffen Sie Ammar, Yassin und Issam immer noch jeden Samstag zum kochen?
Ja, wir treffen uns bis heute. Allerdings habe ich neulich mit ihnen gemeckert, weil sie mich etwas vernachlässigen. Das liegt aber daran, dass Ammars Familie gerade nachgekommen ist. Darauf hat er sehr lange warten müssen. Das verstehe ich natürlich.
Vielen Dank für das Gespräch!
Kerstin Platsch, geb. 1977 in Berlin, alleinerziehende Mutter zweier Kinder in Frankfurt am Main. Seit zehn Jahren Redakteurin und Reporterin beim Radio (Hessischer Rundfunk, hr3). Mit 15 Jahren hatte sie Leukämie und dadurch am eigenen Leib erfahren, dass jeder immer und überall vom Schicksal getroffen werden kann und wie wichtig es ist, dass es Menschen gibt, die in einer schwierigen Phase im Leben zu einem halten.