Investoren, die Geschäftsmodelle von Frauen "nett" finden, Zickenkriege befürchten und am liebsten unter Männern sind? Gibt’s wirklich. Naomi Ryland von tbd* über die schwierige Suche nach Kapitalgebern
Einer der Investoren sagte, wir seien naiv, an unser Geschäftsmodell zu glauben. Das mag natürlich sein, die Meinung steht ihm zu. Das Problem war vielmehr, dass derselbe Investor unser Geschäftsmodell als "nett" bezeichnete und meinte, wir hätten es so "charmant" präsentiert. Das ging uns häufig so auf den Pitch-Veranstaltungen: Während bei männlichen Bewerbern die Inhalte bewertet wurden, standen bei uns offenbar nur unsere Eigenschaften zur Debatte. "Total süß, was ihr da macht, nettes Projekt." Projekt! Da werde ich wahnsinnig. Niemand von den Typen dort hätte je sein eigenes Business als "Projekt" bezeichnet.
Wir haben zwölf Investorengespräche geführt und waren auf einer Handvoll Pitch-Veranstaltungen – stets als einzige Frauen. Bei einigen Events hatte ich sogar das Gefühl, die Quotenfrau zu sein: dass wir nur eingeladen worden waren, damit auch Frauen teilnehmen – obwohl die Themen teils gar nicht passten. Pure Zeit- und Geldverschwendung.
Uns ist natürlich bewusst, dass die Tatsache, dass wir bei tbd* drei Frauen sind, nicht der einzige Grund war, warum viele Investoren uns abgelehnt haben. Als Sozialunternehmen waren wir als Investition grundsätzlich weniger interessant. Hinzu kommt, dass wir drei zwar gute Lebensläufe vorweisen können, aber keine von uns einen betriebswirtschaftlichen Background mitbringt. Natürlich hat keiner der Investoren je gesagt, dass er kein Vertrauen in tbd* hätte, weil wir Frauen sind. Aber manchmal sprechen Taten lauter als Worte.
Wir sind meist zu dritt zu den Gesprächen gegangen, auch wenn das Thema Investoren in meinen Bereich fällt. Wir hat- ten schon früh einen Mitarbeiter für Sales und Business Development, Stefan. Bot es sich an, haben wir ihn zum Pitch mitgenommen. Es gab diesen einen Investor, der sich nur seinen Namen merken konnte. Er hat einfach immer nur mit ihm geredet. Wir haben versucht, uns einzubringen – aber er hat alle Fragen an ihn gerichtet.
Und klar konnte er die Fragen beantworten. Trotzdem saßen da drei Gründerinnen – Geschäftsführerinnen! – und ein Angestellter. Männer unter sich, reines Jungsgeplänkel. Uns dagegen hat man öfter suggeriert, dass wir als Freundinnen ja kaum gut miteinander arbeiten könnten. Was, wenn wir uns verkrachen? Wenn es Zickenkrieg gibt? So viele Männer gründen mit Freunden – werden die gefragt, ob sie nach einem Streit noch zusammen arbeiten können? Immer wurde uns diese gewisse Blauäugigkeit unterstellt. Dabei hat Nadia gerade ein Kind bekommen, und Nicole und ich arbeiten phasenweise aus UK oder den USA. Und, Überraschung: Der Laden ist noch nicht den Bach runtergegangen.
Auf den Pitch-Veranstaltungen haben wir schnell gemerkt, wie professionell wir eigentlich vorbereitet waren. Obwohl genau das offenbar nie von uns erwartet wurde...
Da saßen drei Gründerinnen und ein Mitarbeiter – und der Investor hat nur mit dem Mann geredet.
Naomi Ryland, Geschäftsführerin tbd*Tweet
Nicole, Nadia und ich hatten im Vorfeld mit einem Intermediär zusammengearbeitet, der Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship, FASE. Mit ihrer Unterstützung haben wir einen Businessplan und ein Pitch-Deck entwickelt, ein Video gedreht und einen Zweiseiter geschrieben.
Ohne FASE wäre das nicht so leicht gewesen, denn die meisten anderen Gründer mit Investitionserfahrung, die wir zu dem Zeitpunkt kannten, waren Männer. Wenn wir die um Rat fragten, durften wir uns erst mal die Welt erklären lassen: klassisches Mansplaining. Und wir wurden sehr dafür verurteilt, dass wir nicht "mehr macho" auftreten wollten. Für die jungen Männer war es völlig unverständlich, warum wir nicht bereit waren, zu beschönigen und zu übertreiben, um Geld zu bekommen. Aber das ist nicht die Art, wie wir Business betreiben wollen – wir wollten authentisch und ehrlich bleiben. Wir seien naiv, hieß es: "So funktioniert das nun mal. Ihr müsst das Spiel schon mitspielen."
Einmal warf man uns vor, wir seien arrogant – weil wir versucht haben, den Rat unserer Freunde zu beherzigen und selbstbewusster aufzutreten. Welch Ironie. Überhaupt hat mich das sehr frustriert: Warum wird dieses Investmentspiel nicht mehr hinterfragt? Ich muss jetzt vorsichtig sein, nicht in eine Kapitalismuskritik abzurutschen, aber dieser Wachstumsdrang – immer noch einen draufsetzen – kommt doch daher, dass Business hauptsächlich von Männern gemacht wird. Es wird völlig übersehen, dass es eine authentischere Möglichkeit gäbe, mit den Pitch-Situationen umzugehen. Aber das geht nicht, weil eben auch die Investoren hauptsächlich Männer sind. Vergäben mehr Frauen Venture-Capital, würden weibliche Werte und Arbeitsmodelle auch mehr wertgeschätzt.
Ich kann nicht beurteilen, ob es allen Frauen so geht. Aber ich glaube, jede Frau, die sagt, es gäbe bei der Vergabe von Venture-Capital keine Diskriminierung gegen Frauen, die hinterfragt das System nicht und spielt das Spielchen einfach mit. Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden, aber es muss eben einfach nicht sein.
Am Ende haben wir ja tolle Investoren gefunden. Denen gefiel vor allem unsere gute Mischung aus sozialen Werten und potenzieller Rendite. Unser Geschäftsmodell und unsere Botschaft stehen ja auch dafür, dass sich mit sozialen Werten Geld verdienen lässt. Außerdem hat unser Spirit überzeugt. Unsere Geldgeber fanden es nicht schwierig, sondern beispielhaft, wie vertraut wir miteinander sind und wie begeistert wir an tbd* arbeiten.
In den Medien stand
Frauen bekommen laut einer Harvard Studie deutlich weniger Kapital zugesprochen als Männer. Grund dafür ist ein rief verankerter Gender Bias. Der findet sich schon in der Sprache wieder: Wo Männer etwa "ambitioniert" sind, "überschätzen" sich Frauen.
Dazu nimmt hier Stellung
Naomi Ryland (oben links im Bild), die mit Nicole Winchell und Nadia Boegli (r.) tbd* gegründet hat, eine Jobvermittlung für soziale und nachhaltige Unternehmen. Die drei haben 2017 einen EMOTION.award ge- wonnen. Naomi Ryland spricht auch auf der EMOTION-Konferenz RE:WORK RE:BALANCE am 3.11.2017 in Hamburg.