Den ökologischen Fußabdruck möglichst klein halten und trotzdem Spaß an Mode haben – kein Widerspruch! Janine Dudenhöffer aka the Sustainable Stylist zeigt, wie das funktioniert.
"Das nachhaltigste Kleidungsstück ist das, was du bereits besitzt!"
Janine Dudenhöffer hat schon fast alles gesehen: Ganze Ankleidezimmer, einen Schrank, der sich vom Keller bis in den Dachboden verteilt, ungetragene Stücke – teils noch mit Etiketten – im Schank. Was es braucht, um den Massenkonsum von Mode zu verändern? Einen starken Willen, reflektiertens Shoppen und Aufklärung durch neue Role Models. Ihr Ansatz als Sustainable Stylist: das, was ohnehin schon im Kleiderschrank hängt, neu miteinander zu kombinieren.
EMOTION: Inwiefern unterscheidet sich deine Arbeit von der einer Stylistin?
Janine Dudenhöffer: Es gibt zwei wesentliche Unterschiede. Im Gegensatz zu Stylist:innen an einem Fotoset arbeiten mein Team und ich nicht mit Models, sondern mit Menschen, die weniger oft vor einer Kamera stehen. Ich konzipiere gemeinsam mit ihnen Outfits, die ihnen das Gefühl geben, gut für den Alltag gerüstet zu sein. Mein Fokus liegt außerdem auf nachhaltiger Kleidung und darauf, das bereits Vorhandene zu nutzen – denn das nachhaltigste Stück ist das, was du bereits besitzt. Das, das nicht neu produziert werden muss.
Du nennst das 'Shoppen im eigenen Kleiderschrank'. Wie funktioniert das?
Stell dir deinen eigenen Schrank als Boutique vor. Die Zeit, die du sonst mit Onlineshoppen oder Bummeln verbringst, investierst du in das Sichtbarmachen dessen, was du bereits besitzt und in das Finden neuer Kombinationen aus dem Vorhandenen.
Hast du konkrete Tipps, wie jede:r das Beste aus dem eigenen Kleiderschrank rausholen kann?
Wichtig ist es erstmal, die eigene Kleidung in Kategorien zu sortieren.
- "Gefällt mir, trage ich gerne"
- Gefällt mir, trage ich aber nicht (mehr)"
- "Gefällt mir nicht (mehr), ist aber qualitativ noch in Ordnung"
- "Gefällt mir nicht (mehr), ist außerdem kaputt"
Dann kann man überlegen, wie man das Beste aus den Teilen rausholt oder wo man sie, wenn sie einem nicht mehr gefallen, abgeben kann. Unter wohindamit.org findet man zum Beispiel soziale Einrichtungen in der Gegend, an die man Kleidung spenden kann. Auf meinem Instagram-Account teile ich außerdem viele Tipps und Erkenntnisse aus meiner Arbeit als Sustainable Stylist. Manchmal geht es auch darum, erstmal Vorbehalte gegen Second-Hand-Mode abzubauen. Wenn man den Gedanken, dass jemand anderes ein Kleidungsstück vor einem getragen hat, unangenehm findet, kann man sich vorstellen, das gebrauchte Stück wäre ein Hotelbett – in die legen wir uns doch auch gerne!
Nachhaltige Mode ist sowieso die einzig feministische Mode!
Viele kaufen ständig neue Kleidung, weil sie in Serien, in Zeitschriften und Social Media permanent neue aufregende Outfits sehen. Wie kann man sich inspirieren lassen, ohne direkt etwas Neues zu kaufen?
Indem man die Vorlagen wirklich als Inspiration hernimmt und ein Outfit nicht eins zu eins nachshoppt. In Wahrheit sind wir viel individueller und selbstbestimmter, wenn wir nicht einfach losrennen und wie die – entschuldige bitte den Ausdruck, aber so hart muss ich es sagen – Blöden auf jeden Affiliatelink klicken. Viel cooler ist es doch, die Vorlagen mit dem, was wir bereits haben, mit Second-Hand-Kleidung oder fair produzierter Mode nachzustylen. Nachhaltige Mode ist sowieso die einzig feministische Mode!
Welchen Satz hörst du von deinen Kundinnen während oder nach der Beratung besonders oft?
"Wow. Das hätte ich so nie kombiniert!"
Manchmal muss doch etwas Neues her: Wie berätst du deine Kundinnen beim Neukauf von Kleidung? Worauf achtest du?
In erster Linie sollte das neue Stück den Bestand der Kundin gut ergänzen – deshalb beginnt jeder Kleiderschrankcheck auch mit einer Bestandsaufnahme. Wenn wir dann ein Stück vermissen oder wiederholt denken, dass beispielsweise ein Trenchcoat eine tolle Ergänzung wäre, schreibe ich dieses Teil auf eine YES-Liste. Ich biete meinen Kundinnen in dem Fall an, mich für sie nach fair produzierten oder gebrauchten Trenches umzusehen. Bei der konkreten Auswahl achte ich auf Materialien, auf offizielle Zertifizierungen und darauf, wieviel Impact das Unternehmen hat – ob es also wirklich etwas bewegt.
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Gibt es Tipps, die du unseren Leserinnen für Neukäufe mit auf den Weg geben kannst?
Na klar! Ich finde es unglaublich wichtig, dass wir vermehrt auf Qualität achten. Ich meine damit keine bestimmte Marke oder ein hohes Preissegment. Um hochwertige Materialien – Plastik gehört leider nicht dazu – und gute Verarbeitung zu erkennen, können wir unsere Augen, Nase und Hände nutzen. Wenn ein Pulli zum Beispiel schon in der Umkleidekabine kratzt oder man darin schwitzt, sollte man es lieber sein lassen. Ein Blick ins Etikett kann auch helfen: 100% natürliche Materialien wie Seide, Leinen, Viskose oder Baumwolle sind ein Indikator für gute Qualität. Auch die Nähte sollte man checken: Wenn man das Kleidungsstück auf links umdreht und die Nähte sanft auseinanderzieht, kann man bei manchen Teilen bereits durch die Naht durchschauen. Auch dann: lieber Finger weg. (Anm. der Redaktion: Mehr Tipps von Janine zum Fashion-Qualitätscheck findet ihr hier bzw. hier)
Kennst du selbst das Gefühl, dass einen der eigene Kleiderschrank manchmal langweilt, oder bist du quasi immun gegen dieses Gefühl?
Haha, die Frage ist gut. Selbst wenn man sich gegen Modeaffinität immunisieren könnte, ich würd's nicht tun. Kleidung muss nur nicht immer neu sein. Wie ich sehr wohl Spaß an Mode habe und trotzdem meinen ökologischen Fußabdruck reduzieren kann? Ich leihe mir Kleidung!
Mehr zu Janine, ihrer Arbeit und ihrem Team findest du auf The Sustainable Stylist.
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