Fast jede:r will ihn haben, den Impfstoff. Und manch eine:r schummelt und trickst sogar, um die Corona-Spritze schneller zu bekommen. Moment, ist das nicht unfair?
Das Impftempo in Deutschland nimmt überraschend schnell Fahrt auf und die Impfstoffversorgung läuft sogar besser als ursprünglich berechnet. Auch im persönlichen Umfeld häufen sich die Berichte von Personen, die bereits eine Corona-Spritze erhalten haben. Meist sind es die Großeltern oder Bekannte und Freund:innen, die aufgrund ihres Berufs in der Impfabfolge höher priorisiert werden. Immer schön der Reihe nach, so die Regel – wir alle kennen sie. Manchen Personen kann es mit der Impfung aber nicht schnell genug gehen. In Berlin zum Beispiel, wo die Impfpriorisierung für das Astrazeneca-Vakzin aufgehoben wurde, klingeln die Telefone in Arztpraxen laut Medienberichten Sturm.
"Impfschummler:innen" erfinden Ausreden, um eine Corona-Spritze zu bekommen
Klar: Eine Corona-Impfung gleicht in diesen Tagen einer Rückgewinnung von Freiheit und Rechten. Den Wunsch danach kann man niemandem verübeln. Viele Menschen setzen also, auch in anderen Bundesländern, alles daran, eine Corona-Impfung zu erhalten. Auch, wenn sie gar noch gar nicht "dran" sind. Der ärztliche Leiter des Hamburger Impfzentrums, Dr. Dirk Heinrich, bestätigt das: "Bei etwa 8.500 Impfungen am Tag haben wir vielleicht zehn oder zwanzig Personen, die nicht berechtigt sind und eigentlich ganz genau wissen, dass sie noch nicht dran sind". Die Ausreden und Tricks, mit sich diese Impfschummler:innen eine Spritze erschleichen wollen, seien vielfältig: Einige schmückten besonders aus, wie krank sie seien. Andere würden sogar Bescheinigungen fälschen.
Priorisierungen bei den Corona-Impfungen
- Gruppe 1: unter anderem über 80-Jährige, Pflegeheim-Bewohner:innen, Personal auf Intensivstationen, Notaufnahmen, Rettungsdienste
- Gruppe 2: unter anderem über 70-Jährige, Personen mit Trisomie 21, Erzieher:innen und Lehrer:innen
- Gruppe 3: unter anderem über 60-Jährige, Polizei, Feuerwehr, Menschen mit Vorerkrankungen, Supermarkt-Personal
Quelle: Bundesregierung
Bescheinigungen werden von der Behörde gründlich geprüft
Die Mitabeiter:innen der Sozialbehörde in Hamburg, wo die Anmeldungen zur Impfung eingehen, prüften aber die Daten und Bescheinigungen der Personen ganz genau. "Wir hatten zum Beispiel auch schon mal jemanden, der gesagt hat, er hätte eine Bescheinigung vom Pflegedienst, und danach hat sich herausgestellt, dass es den Pflegedienst gar nicht gab. Oder Arbeitsbescheinigungen, auf denen nicht der Arbeitgeber eingetragen war, sondern die Ehefrau. Solche Dinge gibt es", erzählt Heinrich.
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Handeln Impfschummler:innen unfair?
Die Frage ist: Lässt sich ein solches Verhalten irgendwie rechtfertigen? Oder handeln Impfschummler:innen nicht eigentlich ziemlich egoistisch und unfair, weil sie anderen Personen den Impfstoff wegnehmen, die ihn eigentlich viel dringender bräuchten? Da muss man unterscheiden, meint Heinrich. Es gibt Fälle in Arztpraxen, bei denen die Ärzt:innen manchmal von der Impfpriorisierung abweichen. Das sei sogar notwendig, zum Beispiel wenn Impflinge ihren Termin spontan absagen und der Impfstoff trotzdem am selben Tag verimpft werden muss, weil er sonst weggeworfen wird.
"Aber das ist ja etwas anderes als wenn jemand, der genau weiß, dass er/sie nicht dran ist, lügt, um eine Spritze zu bekommen. Das ist schon mehr als ein Kavaliersdelikt, denn der Impfstoff wird dann ja einem Berechtigten weggenommen – und wenn der erkrankt, weil er nicht geimpft werden konnte, und dann möglicherweise auf der Intensivstation landet, dann trägt man als ein solcher Betrüger auch Mitschuld daran". Wenn jemand betrügt und Urkunden fälscht, dann käme sogar das Landeskriminalamt ins Spiel. "Das hat dann ja auch alles rechtliche Konsequenzen".
Vordrängeln ist gar nicht nötig: Impfpriorisierung wird bald aufgehoben
Ein Blick auf die Impffortschritte in Deutschland zeigt sogar: Ein solches Vordrängeln ist noch nicht einmal nötig. "Nach einer Modellierung könnte Ende Mai mehr als die Hälfte der Impfberechtigten mindestens eine Corona-Erstimpfung erhalten haben. Mitte Juni könnten drei Viertel erstgeimpft sein", heißt es vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) auf Twitter. Und ohnehin: Schon im Juni soll die Impfpriorisierung in allen Bundesländern aufgehoben, wie die Bundesregierung in Aussicht stellt. Ein wenig Geduld ist daher wohl das Gebot der Stunde – und nach über einem Jahr Pandemie haben wir davon bestimmt noch alle einen letzten Rest übrig, oder?
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