Österreich ist das beliebteste Nachbarland der Deutschen. Das hat eine Umfrage kürzlich ergeben. Unsere Kollegin, selbst aus Österreich, sagt: Die Österreicher:innen wiederum erwidern diese Liebe nicht so wirklich. Warum ist das so?
In Österreich gibt es, wenn gerade die Fußballeuropa- oder -weltmeisterschaft läuft, einen Satz, der so oft wiederholt wird, dass er schon fast zu einem Sprichwort erklärt werden könnte: "Mir ist egal, wer gewinnt, Hauptsache die Deitschn verlieren". Die "Deitschn", das zeigt jetzt erneut eine Umfrage, haben mehr Sympathie für die Österreicher:innen übrig als umgekehrt. Gerade wurde Österreich erneut zum beliebtesten Nachbarland ernannt. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa gaben 22 Prozent der Erwachsenen an, Österreich sei das sympathischste Nachbarland.
Ganz klar: Deutsche lieben Österreich
Mich überraschen diese Ergebnisse nicht. Wenn ich sage, dass ich aus Österreich komme – wobei das bei meinem Dialekt meist obsolet ist – sind die Reaktionen immer gleich. Dann folgen von meinem deutschen Gegenüber Schwärmereien über Skiurlaube, Kaiserschmarren, die Tiroler Berge und ab und an auch über den "Bergdoktor“, den wahrscheinlich beliebtesten österreichischen Export.
Von anderen Österreicher:innen, die in Deutschland leben, weiß ich: Das ist eine universelle Erfahrung. Selbst dem berühmt-berüchtigten Wiener Grant, den ich als Nicht-Wienerin befremdlich finde, können Deutsche offenbar etwas abgewinnen. Sie finden das dann originell und lustig statt unfreundlich.
Ich persönlich finde es aufrichtig nett, dass meiner Heimat in meinem neuen Zuhause mit so viel Wohlwollen begegnet wird – auch wenn ich es irgendwo als meine Pflicht ansehe, alle Rot-Weiß-Rot-Fans darüber aufzuklären, dass in Österreich natürlich nicht alles rosig ist (Stichwort politische Stabilität, Korruption und Pressefreiheit.)
"Wer sagt denn bitte 'lecker'?!"
Umso weniger kann ich aber nachvollziehen, warum diese offenbar aufrichtige Liebe vonseiten der Österreicher:innen unerwidert bleibt. Wobei das untertrieben ist. Denn Deutsche nicht zu mögen, das ist in Österreich fast schon ein Volkssport. Warum das so ist, weiß eigentlich niemand so recht – es wird aber auch nicht näher hinterfragt. Wer es trotzdem wagt, doch mal nachzufragen, woher dieser Groll gegen das Nachbarland eigentlich kommt, bekommt schnell Klischees oder allenfalls fadenscheinige Gründe zu hören. "Deutsche sind eben spaßbefreit, viel zu korrekt, die kommen nur fürs Studium nach Österreich, und überhaupt – wer sagt denn ‘lecker'?" heißt es dann. Es scheint fast, als würden Österreicher:innen mit dieser Abneigung kokettieren. So, als würde dieser Unmut gegenüber Deutschen nun mal dazugehören und genauso österreichisch sein wie die Sachertorte. Dass es diskriminierend ist, eine ganze Nation einfach so abzustempeln, ist natürlich auch den Österreicher:innen bekannt – für Deutsche scheint das aber schlicht nicht zu gelten. Und die meisten Deutschen, so erscheint es mir zumindest, sind zu vernarrt in ihr liebenswürdiges Nachbarland, um die Sticheleien und die Seitenhiebe als etwas anderes als lustigen "Schmäh" zu interpretieren.
Warum sind die Deutschen in Österreich so unbeliebt?
Aber woran liegt das Ressentiment nun? Geforscht wird zu dem Thema nur wenig. Der Rheinländer Thomas Köllen, der am Gender- und Diversity-Institut der Wiener Wirtschaftsuniversität lehrt und forscht, hat dem in Österreich verbreiteten "Anti-Germanismus" aber eine eigene Studie gewidmet. In einem Interview sagt er, Österreich hätte sich nach 1945 politisch stark darum bemüht, sich von Deutschland abzugrenzen – mit Heimatfilmen, die eine Art "Zuckergussbild" von einem harmlosen Österreich zeichnen. Parallel dazu wurde Deutschland fast schon zu einem Feindbild erklärt – etwas, mit dem man auf den ersten Blick vielleicht viel gemeinsam hat, mit dem man sich aber keinesfalls gemein machen möchte. "Es war eine Art Selbstvergewisserung, dass man als Nation doch toll ist", erklärt Köllen.
Umso verstörender ist es doch, wie nonchalant die Sticheleien gegen Deutsche in Österreich kultiviert werden – und wie gelassen diese immer noch darauf reagieren.
Mehr Themen: