Unter dem Namen "Hyperfemininity" feiern insbesondere junge Frauen jetzt ein Bild von Weiblichkeit, das lange als gestrig galt. Über eine Bewegung, die sich von alten Glaubenssätzen und Misogynie unter Frauen löst.
Warum feiern junge Frauen einen Look, der lange als unfeministisch galt?
Auf den ersten Blick mag es sich skurril anhören, dass ausgerechnet das Bild von Weiblichkeit, das so lange von Feministinnen bekämpft wurde, jetzt von jungen Frauen, die sich selbst nicht als minder feministisch als ihre Vorkämpferinnen betrachten, zelebriert wird. Denn noch vor wenigen Jahren war es ein unter Feministinnen weit verbreiteter Glaubenssatz, dass es eine Art Aktionismus für Geschlechtergerechtigkeit wäre, Frauen, die sich betont weiblich kleideten und gaben, als dumm und nicht ernstzunehmend hinzustellen. Damit bestärkten sie ein Narrativ, das im Patriarchat lange Bestand hatte: Weiblichkeit wurde mit Schwäche gleichgesetzt und alles, was stereotyp für Weiblichkeit stand, wurde abgewertet. Wer sich als Frau von diesen vermeintlich nicht ernstzunehmenden Frauen abwandte und sie herabsetzte, hatte bessere Chancen, respektiert zu werden. Auf Kosten der Würde anderer.
Das hat sich geändert. Jetzt wird es vielmehr als unfeministisch und misogyn betrachtet, andere Frauen zu degradieren, als blond gefärbte Haare und gemachte Nägel zu haben und die Farbe Pink gerne zu tragen. Und weil die Gen Z für alles einen eingängigen Namen braucht, wurde diese Haltung kurzerhand auf "Hyperfemininity" getauft – der dazugehörige, betont mädchenhafte Look trägt den Namen "Barbiecore". Was nach einem kurzlebigen Internet-Trend klingt, hat aber durchaus das Potenzial, zu einem feministischen Credo der jungen Generation zu werden.
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Hyperfemininity empowert nicht nur Pink-Trägerinnen
Denn der Hyperfeminity-Bewegung liegt der Gedanke zugrunde, dass alle Frauen gleich viel wert sind – und dass ihr Charakter, ihre Intelligenz und ihre Werte nicht automatisch deckungsgleich mit ihrem Aussehen und ihrem Kleidungsstil sind. Es geht nicht darum, Frauen, die sich als besonders feminin im klassischen Sinne präsentieren, auf ein Podest zu stellen – sondern lediglich um die Forderung, dass jede so aussehen kann, wie sie möchte, ohne deswegen von anderen (Frauen) belächelt oder verurteilt zu werden. Das ist ein Wert, dessen Etablierung der Großteil der feministischen Bewegung der letzten Jahrzehnte versäumt hat. Dabei ist es eine der Grundforderungen des Feminismus, dass Frauen so leben können, wie sie wollen.
Genau diesen Anspruch erfüllt Hyperfemininity. Und zwar ohne sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, sowieso wieder nur ein weiteres Schönheitsideal zu sein – also das Letzte, was die Welt jetzt noch braucht. Denn es gibt keine Erwartungshaltung, optischen und gesellschaftlich propagierten Normen zu entsprechen, um an dieser Bewegung teilhaben zu können. Sie ist inklusiv, wie die US-Journalistin Caroline Reilly feststellt. Sie berichtet, dass die Frauen, die heute für Hyperfemininity stehen, nicht zwingend so aussehen wie die Frauen, die sie als junges Mädchen bewundert hat: "Nicht alle sind weiß oder dünn; sie sind nicht alle blond und blauäugig. Sie sind mehrgewichtig, Schwarz, behindert, queer, trans oder nonbinär". Und wenn man diesen Gedanken, dass Frauen ohne Bewertung so aussehen dürfen wie sie aussehen wollen, weiterspinnt, empowert das nicht nur jene, die gern viel Make-Up oder Kleider tragen – sondern auch Frauen, die sich für ein Kopftuch entscheiden, oder solche, die am liebsten in Leggings und Baseball-Cap herumlaufen.
Demontierung von Klischees in Bubblegum-Optik
Der Gedanke, diesen bestimmten Frauentyp von seinen Stereotypen zu befreien, ist keine Erfindung des Jahres 2022. Bereits Anfang der 2000er, als das Schönheitsideal noch vom düster-grungigen (und durchaus fragwürdigen) "Heroin Chic", für das Supermodels wie Kate Moss Vorbilder waren, bestimmt war, erschien der Film "Legally Blonde", zu Deutsch "Natürlich Blond". Und schon damals war er eine Hommage an alle Frauen, die sich nicht von Klischees definieren lassen. Die Protagonistin Elle Woods, eine erfolgreiche Harvard-Studentin und spätere Anwältin, trägt im ganzen Film kaum ein Outfit, das nicht pink ist. Und räumte schon damals mit dem Vorurteil auf, dass die Art, wie Frauen aussehen, irgendetwas über ihren Charakter und ihre Intelligenz aussagt. Vielleicht wäre ja genau jetzt, zur Blütezeit der Hyperfemininity-Bewegung, ein guter Zeitpunkt für ein Reboot. Zumindest die feministische Bubble scheint endlich bereit dafür zu sein.
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