Diana zur Löwen, Influencerin und Unternehmerin, macht mit der Aktion "Traumjob Influencer*in" auf Hass im Netz und seine Auswirkungen auf Betroffene aufmerksam. Wir haben Diana zur Löwen zum Interview getroffen und gefragt: Was macht all der Hass in der Inbox mit einem?
Hass im Netz geht uns alle etwas an
Hass im Netz ist omnipräsent: In einer 2021 durchgeführten Online-Befragung gaben 76% der Befragten an, im Internet schon einmal auf Hate Speech bzw. Hasskommentare gestoßen zu sein. Dass das Internet kein straffreier Raum ist, scheint vielen immer noch nicht bewusst zu sein. Und auch die Regierung brauchte lange, um tatsächlich aktiv gegen Hass im Netz zu werden. Im April 2021 wurde schließlich ein Gesetzespaket gegen Hasskriminalität verabschiedet, das auch Hass im Netz einen Riegel vorschieben soll. Strafbare Inhalte sollen laut diesem Gesetzespaket von großen Social-Media-Plattformen nicht nur gelöscht, sondern auch einer Meldestelle des Bundeskriminalamtes weitergeleitet werden. Geschieht das nicht oder nur unzureichend, droht eine Bußgeldzahlung. Auch Unternehmen setzen sich verstärkt gegen Hasskommentare im Internet ein. Weil Hass im Netz jede:n treffen kann, setzt die Deutsche Telekom gemeinsam mit 44 Partnern mit der Initiative "#DABEI – Gegen Hass Im Netz" ein Zeichen für mehr digitale Zivilcourage.
Aktiv gegen Hass im Netz
Um zu demonstrieren, wie verletzend Hate Speech für Betroffene ist, initiierte die Telekom im Rahmen der Aktion ein inszeniertes Casting unter dem eingängigen Namen "Traumjob Influencer*in", das von der Influencerin Diana zur Löwen und dem Rapper Eko Fresh moderiert wurde. Die neun Teilnehmer:innen wurden während des 'Castings' mit Hasskommentaren einer vorgetäuschten Online-Community konfrontiert. Mit der Aktion sollen Zuschauer:innen wachgerüttelt werden und es soll demonstriert werden, wie schnell die Stimmung im Netz umschlagen kann. Die Aktion wurde psychologisch begleitet. Die Initiative gibt Betroffenen außerdem fünf Tipps mit auf den Weg, mit Hasskommentaren umzugehen:
- Nicht wegschauen, sondern Haltung zeigen! Wenn sich alle sagen "Die anderen werden schon eingreifen", wird niemand etwas tun
- Hasskommentare melden: Das ist entweder beim Plattformanbieter selbst oder bei Meldestellen wie der des BKA (respect!) oder bei hasshilft.de möglich. Auch bei der Polizei kann Anzeige erstattet werden
- Gegenrede betreiben: Dabei geht es nicht darum, Hater:innen zu überzeugen, sondern vielmehr soll für stille, oft zweifelnde Mitleser:innen ein Zeichen gesetzt werden
- Haltung zeigen mit Love Speech: Generelle positive und wertschätzende Sprache hilft, sich im Netz selbstbestimmt und proaktiv in Diskussionen einzubringen
- Betroffenen den Rücken stärken: Denn fehlende Hilfsbereitschaft und Solidarität schmerzen oft mindestens genauso wie der Hass selbst
Diana zur Löwen
Diana zur Löwen Diana zur Löwen kennt sich mit Hasskommentaren aus. Seit mehr als zehn Jahren nimmt sie ihre Follower:innen mit durch ihr Leben. Auf Instagram folgen ihr 1 Million Menschen, auf YouTube 620.000. Die Content Creatorin berichtet auf ihren Kanälen über ihren Alltag, Politik, Feminismus, Finanzen und Selbstliebe. Im Jahr 2018 gründete zur Löwen mit zwei weiteren Frauen ein Social-Media-Beratungsunternehmen, das sie etwa ein Jahr später wieder verließ. Sie ist außerdem die Gründerin von melationship, einem Onlineshop für Selbstliebeartikel und Rawr Ventures, einer Investmentgesellschaft. Ihre beruflichen Erfolge (und auch Misserfolge) teilt zur Löwen auf ihren Kanälen. Dafür gibt es nicht nur Lob und Anerkennung, immer wieder wird die junge Unternehmerin auch mit Nachrichten, die von hämischen Kommentaren bis hin zu Androhungen physischer Gewalt reichen, konfrontiert.
EMOTION: Du sagst, dass Hass im Netz und digitale Gewalt Teil deines Alltags sind. Wie gehst du damit um?
Diana zur Löwen: Ich versuche es, soweit es geht, mit Humor zu nehmen. Leider gehört das zum Job dazu, deshalb ist es wichtig, dass man ein privates Umfeld hat, das einem wohlgesinnt ist und einem guttut.
Verfolgt man dich auf Instagram, bekommt man mit, für was du angegriffen wirst, nämlich für so gut wie alles: deine Ansichten, deinen Körper, deinen Content. Macht es dich wütend, dass du fast nichts posten kannst, ohne böse Nachrichten zu bekommen?
Man muss langfristig Lösungen finden, wie man das gut trennen kann. Letztens habe ich Nachrichten von Menschen bekommen, die mir physische Gewalt antun wollten. Da frage ich mich schon, warum ich für manche Menschen so eine schlimme Person bin. Manche wollen vielleicht nur Aufmerksamkeit, andere ihren Frust rauslassen. Es fällt mir schwer, damit umzugehen. Ich würde mir wünschen, dass Menschen ein anderes Ventil dafür finden, als es an anderen Leuten auszulassen.
Das sind ernste Drohungen. Meldest du die der Polizei oder Instagram?
Wir arbeiten viel mit HateAid (Anm.: Beratungsstelle für Betroffene von digitaler Gewalt) zusammen, die die Drohungen oder auch Dickpics zur Anzeige bringen. Wenn es mir persönlich zu viel wird und ich mich zu sehr durch die digitale Gewalt angegriffen fühle, blocke ich auch die jeweiligen Personen.
Bei der Telekom-Aktion konntest du den Kandidat:innen zusehen, wie sie auf die Kommentare reagiert haben. Wie war das für dich?
Es hat mir wirklich leidgetan, vor allem weil manche wirklich den Tränen nahe waren. Ich teile schon seit zehn Jahren Dinge im Internet und manchmal hätte ich mir gewünscht, dass ich Nachrichten nicht so an mich rangelassen hätte. Wenn du immer das machst, was andere für richtig halten, hindert das deine Selbstverwirklichung enorm. Diese Situation hat mich daran erinnert und mich deshalb auch traurig gemacht. Was hilft dir, wenn du Hasskommentare erhältst? Mein privates Umfeld steht mir bei. Ich weiß aber auch, dass ich mehr als mein Social-Media-Account bin. Deshalb arbeite ich regelmäßig an meinen anderen Interessen und Fähigkeiten, bilde mich weiter.
Du machst auch viel: Instagram, deine eigenen Unternehmen, gesellschaftliches Engagement. Spielt Neid bei manchen Hasskommentaren eine Rolle, was denkst du?
Ich denke, es ist eine Kombination aus allem. Auf der einen Seite kann das auch Neid sein. Ich habe mir zum Beispiel gerade eine Wohnung gekauft und hin und wieder teile ich, wie ich sie einrichte oder wie man sich eine Wohnung finanzieren könnte. Natürlich bin ich sehr privilegiert, das weiß ich. Auf der anderen Seite habe ich hart dafür gearbeitet. Mir schreiben viele Leute, dass ich das nicht teilen dürfe, weil andere sich so etwas nie leisten könnten. Das macht mir ein schlechtes Gewissen, aber da muss ich drüberstehen. Und ich muss auch erkennen, dass viele Menschen sich gerade bei politischen Themen angegriffen fühlen. Einmal hat mich die AfD zum Beispiel als umstrittene Influencerin bezeichnet. Das fand ich fast schon ironisch. Bin ich tatsächlich umstritten oder doch eher die AfD? Aber es hinterlässt natürlich Spuren, wenn eine politische Partei über einen Bescheid weiß und so etwas sagt.
Du behandelst gesellschaftliche Themen, bei denen die Wogen oft hochgehen – zum Beispiel das Gendern. Hindert dich die Angst vor Hasskommentaren, manche Themen anzuschneiden?
Mittlerweile habe ich weder Kraft, noch Lust, mich mit Hass zu befassen. Es bringt keiner Seite etwas. Aber ich will weiter für die Themen einstehen, die mir wichtig sind. Bei Themen wie Gendern oder Pronomen will ich einfach nur informieren. Es ist ja nicht so, dass ich sage, dass jede:r das so machen muss. Ich finde es schade, dass Leute da oft nicht differenzieren. Viele haben den Umgang mit sozialen Medien auch noch nicht so richtig gelernt.
Nachhaltigkeitsinfluencer:innen (zum Beispiel dariadaria) berichten beispielsweise oft darüber, dass bei ihnen noch einmal viel kritischer hingeschaut und auch viel härter und unsachlicher kritisiert wird. Nimmst du das auch so wahr?
Ja. Für mich ist dariadaria eine nachhaltige Influencerin, ob sie jetzt in den Urlaub fliegt oder nicht. Na und? Ihr sei der Urlaub gegönnt und ich verstehe nicht, wie viel Hass manche in sich haben, dass sie dann schreiben: 'Du warst doch eben noch fürs Klima streiken und jetzt fliegst du wo hin'. Das ist doch total realitätsfern. Deshalb teile ich das alles doch auch, weil ich will, dass die Politik da aktiv wird. Gerade wenn man sich irgendwo engagiert, schauen die Leute dreimal hin, um Fehler zu finden. Das ist so schade.
Du bist schon ganz lange als Content Creatorin im Internet unterwegs. Gab es einen Zeitpunkt, ab dem die Hasskommentare regelmäßiger oder intensiver wurden?
Ich war schon immer Negativität ausgesetzt. Als Teenager war es noch meine Stimme, die kritisiert wurde. Aber vor allem, seit ich angefangen habe politischer zu werden gab es vermehrt Hass. Was erwartest du dir von der Telekom-Aktion, an der du mitgewirkt hast? Dass Leute verstehen, was Hass im Netz mit Menschen macht. Dass man eben keine Mauer hat, an der diese Kommentare einfach abprallen. Das macht was mit einem, es hindert einen. Ich würde mir wünschen, dass Kommentare bedachter geschrieben werden. Es gibt eben einen Unterschied zwischen konstruktiver Kritik und digitaler Gewalt.
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