Wolf Küper reiste zwei Jahre mit seiner Familie um die Welt. Welche Orte für ihn besonders wichtig waren und was er dabei mitgenommen hat, verrät er uns hier
Meine Orte soll ich verraten…? Den Fluss, der niemals die gleiche Farbe hat? Das Wrack, dass endlich seinen Namen vergessen hat? Meine kleine Hütte, in der ich davon träume, nichts mehr zu brauchen? Den See aus Zeit? Von Enzensberger stammt wohl der Gedanke: "Der Reisende zerstört, was er sucht, in dem er es findet." Deshalb kriege ich`s einfach nicht hin, und vielleicht wird mir auch niemand böse sein deswegen.
Ich stelle mir vor, es gäbe einen alten Brauch. Man würde seinen Kindern oder anderen geliebten Menschen die Geschichten von den Orten erzählen, die einem am meisten bedeuten. Die Farben schildern, den Geruch, das Licht, und wie es sich anfühlte, diese Orte damals gefunden und seither verloren zu haben. Auch Fotos könnte man zeigen, schließlich sind diese heimatlos, unkenntlich, und immer schon vergangen.
Aber dann, wenn man es einfach nicht schaffen würde, diese Orte jemals gemeinsam zu erreichen, zum Beispiel, weil das Leben einfach immer andere Richtungen eingeschlagen hat, dann würde man den geliebten Menschen spätestens am Ende der eigenen Reisen einen wahrscheinlich schon sehr zerknitterten Zettel in die Hand drücken mit einigen durchgestrichenen und den wenigen, übrig gebliebenen Ortsnamen darauf. Jeder könnte dann immer noch selbst entscheiden, was er mit einem solchen Zettel anfängt. Vielleicht kommt er in den Umzugskarton mit der Aufschrift "Papas Sachen, persönlich". Oder vielleicht wird er in der Innentasche der graublauen Hose mitgewaschen, und die Orte reihen sich klaglos wieder ein in eine Welt voller Orte, die nie entdeckt wurden, voller Menschen, die man nie traf, und voller Geschichten, von denen man nie erfahren hat. Aber vielleicht wird dieser Zettel auch wirklich zu einer Schatzkarte….
"Eine Million Minuten: Wie ich meiner Tochter einen Wunsch erfüllte und wir das Glück fanden" von Wolf Küper, Knaus Verlag, 19,99 Euro